Radek Zydorek aus Polen betankt seinen Truck mit dem Flüssiggas LNG. Der Kraftstoff ist so kalt, dass er Schutzkleidung benötigt. 324 Kilogramm führt er dem Tank zu. Dafür werden rund 810 Euro fällig. © Stefan Milk

Shell am Kamener Kreuz

Tanken bei minus 162 Grad, um den Spritpreisen ein Schnippchen zu schlagen

Tanken bei minus 162 Grad, um den hohen Preisen an der Zapfsäule ein Schnippchen zu schlagen. Shell eröffnet im Kamen-Karree die regional erste Flüssiggas-Tankstelle für Lastwagen.

Kamen

, 09.03.2022 / Lesedauer: 4 min

Brummifahrer Radek Zydorek streift Handschuhe über und setzt sich eine Schutzbrille auf. Das hat an dieser Tankstelle nichts mit dem Schutz vor Corona zu tun. Der Kraftstoff, der an der neuen LNG-Station bei Shell im Kamen-Karree mit Hochdruck aus dem hohen Silo in den großen Tank seines Trucks schießt, ist minus 162 Grad kalt. Schlauch und Armaturen werden schlagartig weiß, so viele Eiskristalle bilden sich. Eine gute Schutzausrüstung ist also notwendig und auch vorgeschrieben.

Kilogramm für Kilogramm des Flüssiggases zischen durch den Schlauch, der dick abisoliert ist. Am Ende stehen 324 Kilogramm auf dem Zähler der Zapfsäule. Bei 2,499 Euro pro Kilo hat der Brummifahrer des belgischen Unternehmens Koeltrans BV dafür fast 810 Euro zu zahlen. Trotzdem schlägt er steigenden Spritpreisen ein Schnippchen. Denn der LNG-Preis vollzieht derlei heftige Sprünge nicht – und zudem fährt er deutlich umweltfreundlicher.

Thomas Kolkmann, Pächter der Tankstelle im Kamen-Karree, zeigt die Zapfkupplung der neuen LNG-Station, die jetzt den Betrieb aufnimmt. © Stefan Milk

Treibstoff der Zukunft für den Schwerlastverkehr

Herunter gekühltes Erdgas als klimafreundlicher Treibstoff für den ansonsten von Abgasen strotzenden Schwerlastverkehr. Darauf setzt mehr und mehr der Energie-Konzern Shell, der jetzt die erste Lkw-Station in der Region eröffnete. Die nächsten liegen in Recklinghausen und Köln.

Der Zapfstutzen sieht futuristisch aus. Es werden aber keine Raumschiffe betankt, sondern Lastwagen, die mit Flüssiggas fahren. © Stefan Milk

Thomas Kolkmann, Pächter der direkt anliegenden Shell-Tankstelle, verfolgt den Tankvorgang auf Abstand. Ohne Schutzkleidung darf man sich nicht nähern, wenn der Kraftstoff fließt. Der 58-Jährige bereitet sich mit seinem Team auf das Tanken der Zukunft vor. Zwei neue E-Ladeplätze, erst zwei, später vier, werden gerade geplant. „Shell hat nicht zufällig jetzt seinen Namen geändert – aus Shell Oil wurde Shell“, sagt Kolkmann. „Die Kunden werden künftig die Wahl haben, womit sie auftanken möchten.“

Wer den Kraftstoff nutzt, muss keine Lkw-Maut bezahlen

LNG, das zurzeit für Schlagzeilen sorgt mit der Ankündigung der Bundesregierung, leistungsfähige Terminals als Umschlagsplatz für die Energieversorgung des Landes zu bauen, ist ein neuartiger Kraftstoff auf Basis von Erdgas, das beim Herunterkühlen auf minus 162 Grad entsteht und dabei verflüssigt wird.

Die neue LNG-Tankstelle im Kamen-Karree wird schon gut genutzt. Das beobachten (v.l.) Thomas Kolkmann (Pächter der benachbarten Tankstelle), Kyra Schulz (Stationsleiterin) und Bezirksleiter Michael Sacré. © Stefan Milk

Die Abkürzung steht für Liquefied Natural Gas. Zurzeit ist der Transport zur Versorgung der Tankstellen noch sehr aufwendig, wie Bezirksleiter Michael Sacré schildert: „Das LNG kommt zurzeit aus dem Hafen von Rotterdam – der Transport dauert.“ Alle drei Tage wird der ca. 15 Meter hohe Silo im Kamen-Karree nachgefüllt.

22 Prozent weniger CO2-Ausstoß

Großes Plus für die Brummifahrer und deren Auftraggeber: Wer den klimafreundlichen Kraftstoff nutzt, muss keine Lkw-Maut bezahlen. „Das ist ein großer Anreiz“, so Kolkmann. Hintergrund: LNG verursacht deutlich weniger Emissionen als herkömmlicher Diesel, darunter bis zu 22 Prozent weniger CO2, wie es bei Shell heißt. Zudem: LNG-Laster sollen tendenziell günstiger im Betrieb sein – bei gleicher Leistungsfähigkeit wie ihre Diesel-Pendants.

Lkw-Fahrer Vladimir Dzimuanon hat den Gesichtsschutz übergezogen und den Tankstutzen angesetzt. © Stefan Milk Stefan Milk

Über ein Vakuum wird gemessen, wieviel LNG in den Tank passt

Mittlerweile stehen drei große Lastwagen an der Station, obwohl sie offiziell noch gar nicht beworben wurde. Lkw-Fahrer Vladimir Dzimuanon hat den Gesichtsschutz übergezogen und den Tankstutzen angesetzt. Davon gibt es zwei, einen mit blauem Schlauch und einen mit schwarzem Schlauch. Mit dem blauen Schlauch, der zunächst angesetzt wird, wird ein Vakuum im Tank erzeugt. Darüber misst die Anlage auf das Gramm genau, wieviel Flüssiggas in den Tank passen.

Dann wird der schwarze Schlauch angekuppelt und das Flüssiggas fließt. Etwa eine halbe Stunde dauert ein Vorgang – also deutlich länger als an herkömmlichen Zapfsäulen. Die Reichweite von dann ca. tausend Kilometern ähnelt jene von Diesel-Lastern.

So erkennt man einen LNG-Laster

Kyra Schulz, Shell-Stationsleiterin im Kamen-Karree, sieht schon von weitem, wenn sich ein LNG-Laster nähert. „Die erkennt man an ihren Tanks. Die sind nämlich rund“, schildert sie. Das belgische Unternehmen sei bereits Stammkunde. Mit dem Tankvorgang selbst hat sie nichts zu tun. Die Station wird von Shell separat betrieben. Die Brummifahrer zahlen an einem Terminal über eine Tankkarte und müssen die Tankstelle nicht betreten. Dafür fahren sie aber einmal rundherum. Damit die Laster die Straße nicht blockieren, ist eine mehrere hundert Meter lange Schleife rund um die Station angelegt worden.

Schulz hofft, dass künftig auch mehr deutsche Unternehmen auf die neue Technik setzen. Bisher haben in Kamen nur Lkw aus dem Ausland angebremst. „Deutsche Laster habe ich hier noch nicht gesehen.“

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