Ein Hundertjähriger und das SPD-Mitgliedervotum Ja oder Nein zur Koalition, Herr Gieselmann?

Heinrich Gieselmann (100): Klare Meinung zum SPD-Mitgliedervotum
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Der Mitgliederentscheid der SPD über den Koalitionsvertrag ist am Dienstag gestartet. Die Parteibasis ist bis 29. April gefragt, über eine mögliche Regierungsbeteiligung in Berlin abzustimmen. Das vom SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil ausgehandelte Ergebnis schmeckt aber nicht jedem Sozialdemokraten, wie sich unter anderem am Widerspruch der Jusos in Bundes- und Landesverbänden zeigt.

Dem Juso-Alter schon sehr lange entwachsen ist Heinrich Gieselmann aus Holzwickede. Der 100-Jährige gehört der Sozialdemokratischen Partei seit 79 Jahren an – und ist damit einer der ältesten Genossen überhaupt. Der Ehrenvorsitzende der SPD Holzwickede und frühere Inhaber eines Baugeschäfts hat eine klare Meinung zu einer möglichen Regierungsbeteiligung.

Herr Gieselmann, soll die SPD in eine Koalition mit der CDU gehen?

Auf jeden Fall!

Warum?

Wir können jetzt nicht mit einem Mal sagen: Wir sind dagegen. Das geht nicht! Was die jetzt machen, dafür haben wir sie gewählt. Wir können ihnen jetzt nicht in den Rücken fallen.

Wissen Sie, wie andere Sozialdemokraten in Holzwickede darüber denken?

Ja, vereinzelt, die hier in der Begegnungsstätte sind, mit denen ich so spreche. Aber sonst komme ich ja nicht mehr so rum...

Mit Ihren 100 Jahren, die Sie in der Seniorenbegegnungsstätte in Holzwickede gefeiert haben, haben Sie schon so manche sozialdemokratische Regierung erlebt...

Ich bin immer mit der SPD zufrieden gewesen. Dass wir auf- und abwärts gehen, das ist normal wie die Wellen im Ozean. Und wenn wir jetzt mal gerade ein kleines Tief haben, das macht doch nichts! Das Hoch kommt doch wieder. Das ist meine Meinung.

Der ehemalige Vizekanzler Franz Müntefering kam persönlich vorbei, als Sie kürzlich von der SPD in Holzwickede zum Ehrenvorsitzenden ernannt wurden. Wieso sind Sie 1946 in die SPD eingetreten?

Weil ich ein Nazi-Verfolgter war! Ich habe mich bei Hoesch beworben als Maschinenschlosser-Lehrling. Mit 14 Jahren. Und als ich anfangen wollte, am 1. April 1939, da musste ich nach Hause gehen. Ich habe die Stelle nicht bekommen, weil ich nicht in der Hitlerjugend war.

Wenn Sie zurückblicken: Wer ist Ihr größtes sozialdemokratisches Vorbild?

Kurt Schumacher. Ich bin gebürtiger Dortmunder, kam nach dem Krieg nach Massen. Wir sind von Massen aus mit einem Trecker nach Schalke gefahren. Mit zwei Anhängern dahinter voll beladen. Da hat Kurt Schumacher gesprochen, anschließend hat Schalke gespielt.

Beim SPD-Mitgliederentscheid soll online abgestimmt werden. Sind Sie denn mit Ihren 100 Jahren im Internet unterwegs?

Nein, das will ich nicht haben. Ich habe nur Telefon und Fernsehen.

Haben Sie jemanden, der Ihnen bei der Abstimmung helfen kann?

Ja, meine Tochter und meine Enkel. Die haben Internet. So bin ich gut verbunden.

Herr Gieselmann, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute!

Die SPD Holzwickede wird von Matteo Weitner geleitet, der mit 19 Jahren zum Vorsitzenden gewählt wurde. Weitner will beim SPD-Mitgliedervotum mit einem Ja zum Koalitionsvertrag stimmen, wie er am Dienstag (15.4) auf Anfrage sagte.
Die SPD Holzwickede wird von Matteo Weitner geleitet, der 2024 mit erst 19 Jahren zum Vorsitzenden des Ortsvereins gewählt wurde. Der Student will beim SPD-Mitgliedervotum mit einem Ja zum Koalitionsvertrag stimmen, auch wenn er in Punkten wie Sozialpolitik und Migrationen unzufrieden sei, sagte er am Dienstag (15.4) auf Anfrage. Das Ja begründet der Doppelvorsitzende der Holzwickeder SPD und Jusos mit staatspolitischer Verantwortung der SPD. „Wir müssen Kröten schlucken.“ © SPD Holzwickede