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Rund 50 Prozent der Mitarbeiter im Schmallenbach-Haus haben sich bisher gegen eine Impfung entschieden – oder sind unsicher. Die Einrichtung nimmt ihre Sorgen ernst und hat einen Info-Tag für 60 Angestellte organisiert.
Schon am kommenden Freitag sollen die Impfungen von Bewohnern und Personal in Fröndenbergs größtem Seniorenheim beginnen. Doch bis zum Ende der vergangenen Woche hatten sich nur 56 Prozent der Mitarbeiter für eine Impfung entscheiden. Die übrigen Pflegerinnen und Pfleger sind keineswegs „Covidioten“ und auch keine grundsätzlichen Impfgegner, sondern Menschen mit Ängsten und Sorgen.
Der Fröndenberger Allgemeinmediziner Dr. Wolfgang Eggers war am Dienstag ein viel gefragter Mann. In mehren Kleingruppen klärte er ab den Mittagsstunden insgesamt rund 60 Mitarbeiter auf dem Hirschberg über eine mögliche Impfung auf.
Für das Pflegepersonal in den Einrichtungen sei diese Impfung nicht nur wichtig, um die eigene Gesundheit zu schützen, sondern auch zum Schutz der Bewohner und zum Schutz vor eine Vielzahl krankheitsbedingter Ausfälle, unter denen die Einrichtung bei Quarantäne-Fällen leiden könnte. Trotzdem ist die Impfung keine Pflicht: Jeder kann sich frei dafür oder dagegen entscheiden.
Wieweit ist der Impfstoff überhaupt getestet? Welche Nebenwirkungen gibt es? Was ist mit den Todesfällen? Werde ich unfruchtbar? Die Liste der Fragen der überwiegend weiblichen Pflegekräfte war lang. Und viele Redebeiträge begannen mit „Ich habe gelesen, dass...“. Ganz reflektiert fügten einige an: „Vielleicht ist das ja nur Stimmungsmache“ – aber die Unsicherheit bleibe.
Bevor die Mitarbeiter und Bewohner im Schmallenbach-Haus geimpft werden, müssen sie noch einen Corona-Schnelltest über sich ergehen lassen. © Udo Hennes
Geduldig erklärte Dr. Eggers zunächst, dass bei der Impfung kein aktives Virus verabreicht werde, sondern die Bauanleitung für einen Teil davon. Dieser Teil, ein Protein, sei für sich alleine harmlos, also nicht infektiös. Anhand der verimpften Anleitung, der sogenannten Boten-RNA, baue der Körper das Viruseiweiß nach, gegen das er später Abwehrzellen und Antikörper bilde. Corona-Fälle nach Impfungen seien auf die Inkubationszeit der Erkrankung zurückzuführen. Wer nach der Impfung Symptome bekommt, sei bereits vor der Impfung positiv gewesen, erklärte der Arzt.
Weil derartige Fälle allerdings zu Irritationen führen und für die meisten Positiven eine Impfung gar nicht mehr nötig sei, werde bei allen Impfwilligen in dieser Woche ein Schnelltest durchgeführt, erklärte Pflegedienstleiterin Silke Habekost.
So verständlich Dr. Eggers auch erklärte, überzeugt schienen einige Pflegerinnen noch nicht: „Ich fühle mich wie ein Versuchskaninchen“, sagte eine von ihnen deutlich. Sei der Impfstoff doch schnell entwickelt und kaum erprobt. Hier verwies der Arzt auf die weitgehend zwischenfallsfreie Entwicklung in weit durchgeimpften Ländern wie Großbritannien oder Israel. Berichte von schweren Reaktionen hätten in den Medien eine starke Wirkung, seien tatsächlich allerdings selten.
Nebenwirkungen gegen die Impfung seien mit denen einer Grippeimpfung zu vergleichen. Sie treten laut Dr. Wolfgang Eggers unmittelbar als Abwehrreaktion gegen den Impfstoff auf. Deswegen sei es auch weniger problematisch, dass es noch keine Langzeitstudien gibt.
In der ersten Corona-Welle war das Schmallenbach-Haus stark von Corona betroffen. Viele Bewohner, auch Mitarbeiter, starben. © Udo Hennes
Auf Fragen wie „Warum werden Kinder noch nicht geimpft?“ oder „Warum ist noch kein Politiker geimpft?“ konnte der Arzt einfache Antworten geben. Kinder hätten selten schwere Verläufe und seien deshalb aus den Erststudien herausgehalten worden, um sie zu schützen. Politiker seien – sofern keine Risikogruppe – einfach noch nicht an der Reihe.
Letztere Fragen gehören wohl in die Kategorie der Argumente gegen eine Impfung, die einfach zu entkräften sind. Bei Sorgen um ein gesundheitliches Restrisiko sieht das anders aus. Und da stieß auch Dr. Wolfgang Eggers an seine Grenzen: Komplikationen seien, wie bei vielen Medikamenten, selten, aber nicht auszuschließen. Und so baten direkt nach dem Gespräch auch einige Pflegerinnen um nochmaligen Aufschub für ihre Entscheidung. Die letztlich eine Abwägung von Risiko und Nutzen für einen selbst und die Allgemeinheit ist.
Jahrgang 1988, aufgewachsen in Dortmund-Sölde an der Grenze zum Kreis Unna. Hat schon in der Grundschule am liebsten geschrieben, später in Heidelberg und Bochum studiert. Ist gerne beim Sport und in der Natur.