Schnell und günstig - das ist das Konzept der Bäckerei-Ketten. Wie kämpfen Traditionshäuser und kleine Cafés dagegen an? Wir haben fünf Betriebe besucht. Einer hat inzwischen schon geschlossen.

Dortmund

, 29.05.2019, 14:10 Uhr / Lesedauer: 4 min

Große Bäckerei-Ketten möbeln ihre Filialen zu Bistros auf: mal im modernen Stil, mal in Mensa-Manier. Schnell und preiswert muss das Geschäft sein. Ist das eine gefährliche Konkurrenz für alteingesessene Dortmunder Cafés? Wir haben uns in fünf Betrieben umgehört.

Das Café Kleimann an der Kampstraße, das Café Schrader an der Kaiserstraße, das Café Strickmann an der Wißstraße, das Café Sternberg in Hörde und das Kiez-Törtchen im Kreuzviertel geben unterschiedliche Antworten auf die Bedingungen in der Branche. Eins dieser fünf Cafés musste Ende Mai schon wieder schließen. Hier ist die Übersicht:

Andy Schrader, Café Schrader: Torte ist Luxus

“Hätte ich bei Null angefangen, wäre das nicht zu schaffen gewesen“: Andy Schraders wichtigstes Kapital ist die Tradition. Denn seit 100 Jahren gehört das Café Schrader in der Kaiserstraße zu den besten Adressen für Café-Kultur in Dortmund. Was aus Küche und Konditorei kommt, muss dem Chef schmecken – sonst schafft es nicht den Weg zum Gast. Andy Schrader über die eigenen Ansprüche: „Wir müssen Qualität permanent neu erfinden, um unsere Gäste überzeugen zu können. Was neu ist, muss so lecker sein, dass die Gäste nicht mehr davon lassen können.“

Silke und Andy Schrader setzen im Café Schrader an der Kaiserstraße auf Tradition und Qualität aus eigenem Hause.

Silke und Andy Schrader setzen im Café Schrader an der Kaiserstraße auf Tradition und Qualität aus eigenem Hause. © Peter Bandermann

Muss das Traditions-Café mal moderner werden? „Nee“, sagt der Chef, „modern gibt‘s schon überall. Es gibt zwar schicke Sachen, aber wir lassen das. Denn unser alteingesessener Stil kommt gerade sehr gut an.“ Dazu gibt‘s Klassiker wie Schwarzwälder Kirsch, Käse-Sahne und Schraders Joghurt-Torten, über die Andy Schrader sagt: „Da ist auch wirklich Joghurt drin.“ Das Café Schrader produziert im eigenen Haus. 75 von 100 Gästen sind Stammkunden.

Sind die großen Bäckerei-Ketten eine erdrückende Konkurrenz? Andy Schrader winkt ab. Ein wirklich ernsthafter Konkurrent sei nur eine BVB-Meisterfeier: „Dann ist der Wall dicht und keiner kommt mehr zu uns durch.“ Er ist überzeugt: „Ein Stück Torte ist Luxus. Wenn die Wirtschaft brummt und die Leute ihr Haus oder das Auto abbezahlen müssen, sparen sie bei der Torte. Läuft es nicht so gut, dann gönnen sie sich mal was.“

Violetta Dinova, Kiez-Törtchen: Es ist Liebe

Ihr Beruf lautet: Gestalterin für visuelles Marketing. Ihre Berufung ist: ein Café im Kreuzviertel – das Kiez-Törtchen an der Essener Straße. Freigelegte Ziegelsteine, große Fenster, lange Dielen und auch sonst ist alles schön schlicht. Hier war definitiv kein Innenarchitekt für Systemgastronomie am Werk, sondern: Violetta Dinova. Sie lernte im früheren „Beans“ auf der Kleppingstraße, entdeckte die Kaffee-Kultur als „ihr Thema“ und bezeichnet das Kreuzviertel als ihren „Mikrokosmos“.

Violetta Dinova aus dem Kiez-Törtchen im Kreuzviertel: "Kuchen macht Menschen glücklich." Mehr muss man eigentlich nicht sagen.

Violetta Dinova aus dem Kiez-Törtchen im Kreuzviertel: "Kuchen macht Menschen glücklich." Mehr muss man eigentlich nicht sagen. © Peter Bandermann

Ein Kosmos mit einer eigenen Konditorin, die nicht am Band produziert und keine Pülverchen in Mischungen einrührt, sondern die Aromen fürs Törtchen der Natur entnimmt. „Alles komplett selbst gemacht“, sagt die Chefin stolz über die Klassiker wie den Apfel-Streußelkuchen oder den Apfelkuchen mit Schmand. Dazu kommen Experimente. Was Violetta Dinova so sehr freut: Die Stammkunden aus den ersten Tagen kommen auch heute noch ins Kiez-Törtchen.

„Kuchen machen Menschen glücklich.“ Ob die Oma aus dem Kreuzviertel, Teenies im Instagram-Fieber oder Geschäftsleute mit Laptop und Excel-Tabelle – das Kiez-Törtchen ist für alle da. Muss Violetta Dinova die Konkurrenz von den Ketten und den vielen anderen Lädchen im Kreuzviertel fürchten? „Nein“, sagt sie, „das sind keine Konkurrenten. Das sind alles Kollegen“. Reich werde sie in ihrem Mikrokosmos allerdings nicht: „Ich mache das hier aus Liebe.“

Sebastian Schröder, Café Kleimann: Bloß kein Schickimicki

Das Brot- und Brötchen-Geschäft hat das 1903 gegründete Café Kleimann an der Kampstraße längst aufgegeben. „Da haben uns die großen Ketten und die Billigbäcker abgegraben“, sagt Inhaber Sebastian Schröder. Also konzentriert er sich auf das Kerngeschäft.

Sebastian Schröder im Café Kleimann am Papageien-Käfig: Hier ist für Kaffee-Kult und beste Unterhaltung gesorgt.

Sebastian Schröder im Café Kleimann am Papageien-Käfig: Hier ist für Kaffee-Kult und beste Unterhaltung gesorgt. © Peter Bandermann

Auf erstklassige Torten und hochwertigen Kaffee in einem Ambiente, das der Chef als „klassisch“ bezeichnet und behalten will. Denn: „Das Klassische ist wieder eine Attraktion. Die altdeutsche Café-Kultur wird auch von Jüngeren immer mehr angenommen. Die Bäcker-Ketten mit ihren Bistros sind für uns deshalb keine Konkurrenz.“

Kleimanns Gäste wollen nicht den schnellen Snack auf die Hand, sondern bleiben. Sie lesen eine Tageszeitung, plaudern mit den Papageien Coco und Lörchen oder müssen nichts sagen, wenn sie bestellen wollen – das Personal kennt die Wünsche der Stammkunden. „Wir haben unsere Nische gefunden“, sagt Sebastian Schröder dazu, „wir sind urig und anders und nicht so glatt wie eine Kette.“

Obwohl es klassisch und gediegen bleiben soll, zieht das moderne Leben mit ein: Ein Herr trifft sich bei Strickmann immer wieder mit seinen Tinder-Verabredungen aus dem Internet. Sebastian Schröder kennt seine Kunden zwar gut, „aber was daraus wird, kann ich nicht sagen.“

Kirsten Sternberg, Café Sternberg: Eine Perfektionistin gibt auf

Am ersten Tag im „Café Sternberg“ verkaufte Kirsten Sternberg zwei Tassen Kaffee. Das war 2014 ihr Start in dem kleinen gemütlichen Lokal an der Hermannstraße in Hörde. Die gelernte Köchin sorgte mit liebevoll zubereiteten Frühstücks-Arrangements und deftiger Hausmannskost erst für Mund-zu-Mund-Propaganda und dann für ein täglich volles Haus. Am 24. Mai 2019 schloss sie das Café für immer ab. Denn: „Ich kann nicht mehr.“ Nicht die Bäcker- und Café-Konkurrenz am Phoenix-See drückte sie an die Wand, sondern das immense Arbeitspensum.

Immer volles Haus, zu viel Arbeit, zu geringer Ertrag: Kirsten Sternberg aus dem Café Sternberg gibt nach fünf Jahren in Hörde auf.

Immer volles Haus, zu viel Arbeit, zu geringer Ertrag: Kirsten Sternberg aus dem Café Sternberg gibt nach fünf Jahren in Hörde auf. © Peter Bandermann

450 Stunden pro Monat konnte Kirsten Sternberg auf Dauer nicht mehr durchhalten. Es war schwer bis unmöglich, gutes Personal zu finden. Das Café Sternberg etablierte sich zu einem festen Treffpunkt. Die Einen kamen als Gruppe. Die Anderen lernten sich im Café erst kennen.

Mit Kirsten Sternberg zu reden heißt: Einer Perfektionistin zuzuhören, die höchste Ansprüche an sich selbst und das Personal stellt, nichts dem Zufall überlässt und ein Händchen für die Gastronomie hat. „Ich habe es hier nicht finanziell vor die Wand gefahren, sondern muss nach einem zweijährigen Kampf erkennen, dass ich zu hohe Erwartungen habe.“ Sie wird in einem Altenheim kochen und freut sich auf feste Arbeitszeiten. Ihre Ansprüche nimmt sie mit.

Larissa Böhme und Daniel Hein, Café Strickmann: Männer herzhaft, Frauen süß

Am 30. November 2018 haben sie das traditionsreiche Café Strickmann in der Wißstraße übernommen. Und gerne reden sie über Ess-Kultur: links ein Brötchen in der Hand und rechts das Handy? Nicht im Café Strickmann. Wer hier einkehrt, versteht das Essen nicht „als reine Bedürfnisbefriedigung“, sagt Daniel Hein. Der Strickmann-Gast wolle hinten im Lokal zur Ruhe kommen oder vorne in der Außengastronomie sehen und gesehen werden.

Larissa Böhme und Daniel Hein fürchten nicht die Konkurrenz der Bäcker-Ketten. Sie setzen auf Gäste, die ohne Zeitdruck genießen wollen.

Larissa Böhme und Daniel Hein fürchten nicht die Konkurrenz der Bäcker-Ketten. Sie setzen auf Gäste, die ohne Zeitdruck genießen wollen. © Peter Bandermann

Zwei Konditoren-Meister und die Küche müssen eine „gute Auswahl mit gleichbleibender Qualität“ liefern. „Unsere Gäste schätzen Rituale“, sagen die beiden Betreiber, die nicht nur Rentner und Pensionäre begrüßen. Die Kinder und Enkelkinder kommen mit. Mehrere Generationen kommen vorbei. Auch hier die Frage: Beeinträchtigen Bäckerei-Ketten das Geschäft? Larissa Böhme und Daniel Hein verneinen das.

Über das Personal-Problem in der Gastronomie sagen sie: „Bei den Bewerbungen für die Konditoren-Ausbildung verschlechtern sich die Qualifikationen immer weiter. Deshalb haben wir noch keine neuen Auszubildenden eingestellt. Dann haben wir einen Koch gesucht – und zwei richtig gute Bewerber eingestellt.“