Exakt zwei Monate liegen zwischen den beiden Bundesliga-Partien, in denen Borussia Dortmund kein Gegentor kassiert hat: 2:0 beim FC St. Pauli am 1. März, 4:0 gegen den VfL Wolfsburg am 3. Mai. Dazwischen liegt auch eine kleine Revolution in der BVB-Defensive: die neue Aggro-Abwehr und neue Namen in der Kette.
Neue BVB-Namen in der Abwehrkette
Auf St. Pauli verteidigten vor acht Wochen in einer Viererkette Yan Couto, Emre Can, Nico Schlotterbeck und Ramy Bensebaini. Der einzige Verbliebene dieses Quartetts in der Fünferkette am Samstag gegen Wolfsburg war Bensebaini, er spielte diesmal allerdings im linken Zentrum an der Seite von Waldemar Anton und Niklas Süle. Außen verteidigten Julian Ryerson und Daniel Svensson. Defensive Stabilität stand seit Anfang Februar ganz oben auf der Prioritätenliste von Neu-Trainer Niko Kovac. Die Mannschaft ist weit vorangeschritten im Implementierungsprozess: „Defensiv stehen wir sehr stabil. Wir arbeiten sehr viel in beide Richtungen, die Stürmer laufen intensiv gegen den Ball, und hinten versuchen wir gut zu verteidigen“, sagt Mittelfeldspieler Pascal Groß. Alle erledigten eben „die Basics“, die Kovac „extrem einfordert“.
Teils zufällig, teils als ergriffene Bewährungschance gewährleisten die notwendige Sattelfestigkeit derzeit Spieler, die einen steinigen Weg hinter sich haben. In Borussia Dortmunds Achterbahnsaison galten – in weiten Teilen - Kapitän Can und Abwehrchef Schlotterbeck noch als diejenigen, die individuell besser performten als die gesamte Mannschaft. Doch Schlotterbeck (Meniskusriss) fehlt bis Oktober, und Can ist auch aufgrund muskulärer Probleme seinen Stammplatz in der letzten Verteidigungslinie vorerst los. Trotzdem läuft es sogar besser als zuvor, seit sich Anton, Süle und Bensebaini mit Nachdruck empfohlen haben. Wer hätte das gedacht, bei jedem Einzelnen und in dieser Kombination?
BVB-Profis laufen mehr und schneller
„Es ist sicher nicht selbstverständlich, dass wir so einfach geswitcht haben in der kurzen Zeit“, meint Torhüter Gregor Kobel, positionsgemäß am dringlichsten an resistenter Abwehrarbeit interessiert. „Waldi, Ramy und Niki machen es gut, da hat jeder seine Qualitäten. Dass wir als Mannschaft so auftreten und zusammen gegen den Ball arbeiten, immer mehr auf derselben Wellenlänge sind und die Abläufe flüssiger werden, das ist top“, meint Kobel. Aus der Dreierreihe kann immer ein Abwehrspieler vorstechen, Stürmer verfolgen, auf Balljagd gehen, weil er noch ausreichend Absicherung hinter sich weiß. Dahinter steckt der Plan des Trainers und Maloche auf dem Platz. Kobel: „Das haben wir uns hart erarbeitet mit Schweiß und Blut.“
Das gilt nicht nur für die Verteidiger. Denn das Personal ist die eine (notgedrungene) Veränderung, die Systematik eine andere und die gemeinschaftliche Haltung sogar die entscheidende. Seit der Partie gegen den FSV Mainz 05, als Kovac auf Dreierkette umstellte, weisen die Statistiker in sechs Partien nur noch 7,76 erwartete Gegentore aus. Tatsächlich kamen acht zustande (bei 19 eigenen Treffern) und damit nähert sich der durchschnittliche Wert dem als Ziel vorgegebenen medium von einem Gegentor pro Spiel. Woran das liegt?
BVB-Neuzugang Anton als Führungsspieler
„Wir spielen seit Wochen einen sehr stabilen Fußball“, urteilt Groß. Die BVB-Profis laufen ihre Gegenspieler gezielter und in höherem Tempo an, die Übergaben funktionieren, die Zweikampfstärke und das Durchsetzungsvermögen bei zweiten Bällen ist gestiegen. „Ich sehe eine große Gier“, erklärte Sportdirektor Sebastian Kehl frohlockend.
Anton gehört als zentraler Abwehrmann sicher zu den Leistungsträgern, dem Anspruch als Führungsspieler wird er in diesen Wochen erstmals seit seiner Verpflichtung im vergangenen Sommer auch auf dem Platz gerecht. „Aggressivität und Intensität im Pressing“ zeichne die Mannschaft aktuell aus, hat er analysiert. Und als nach der frühen Führung gegen den VfL Wolfsburg der Druck fehlte, gehörte er zu denjenigen, die unmittelbar Korrekturen anbrachten auf dem Rasen. „So dürfen wir nicht wieder spielen“, forderte er mit Blick auf die beiden finalen Bundesliga-Spiele in Leverkusen und gegen Holstein Kiel. Vor allem bei Bayer 04 am kommenden Sonntag (15.30 Uhr, DAZN) muss sich Dortmunds Aggro-Abwehr beweisen.