Schwarzgrün getrennt auf Wohnungssuche Das Baulandprogramm in Unna enthält Zündstoff

Getrennt auf Wohnungssuche: Das Baulandprogramm enthält Zündstoff
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Beim Thema „Wohnen“ denkt Rudolf Fröhlich an die Einsamen. „Was uns fehlt in Unna, das sind Wohnungen für Alleinstehende“, sagt er. „Um 50 Quadratmeter oder kleiner. Denn die Zahl der Singles nimmt zu.“

Ob jung oder alt, ob durch Tod oder Trennung bedingt: Eine Antwort auf die Frage, warum eine Stadt mit relativ stabiler Einwohnerzahl eine derart dynamische Wohnungsnot erfährt, liegt auch darin, dass die Zahl der Menschen sinkt, die mit anderen zusammenleben.

Ist „Wohnen“ für das schwarzgrüne Projekt der Endgegner?

Dass der Fraktionsvorsitzende der CDU im Unnaer Stadtrat beim Thema „Wohnen“ auch das Gelingen oder Scheitern von Zweierbeziehungen im Geiste hat, mögen politisch Interessierte in Unna auch anders interpretieren. Analogien und Metaphern aus dem Feld der Ehe boten sich immer wieder an, wenn CDU und Bündnisgrüne über ihre politische Projektpartnerschaft gesprochen haben. Und das Thema „Wohnen“ zählt zu den Dingen, in denen Schwarz und Grün offenbar ganz andere Vorstellungen haben.

Rudolf Fröhlichs CDU hält das Thema „Wohnen“ nicht nur für wichtig, sondern inzwischen auch für dringlich. Unna könne es sich nicht erlauben, Neubauprojekte auf die lange Bank zu schieben.
Rudolf Fröhlichs CDU hält das Thema „Wohnen“ nicht nur für wichtig, sondern inzwischen auch für dringlich. Unna könne es sich nicht erlauben, Neubauprojekte auf die lange Bank zu schieben. © Tom Jonas

Bislang gelang es den beiden zurzeit tonangebenden Fraktionen des Stadtrates relativ gut, diesen Konflikt zu umgehen. Lediglich lokale Einzelprojekte wie das umstrittene Wohnbauprojekt in Kessebüren ließen erkennen, dass die Grünen ihre Vorbehalte vor Flächenversiegelungen ernst genug nehmen, um ihren Projektpartner auch einmal allein im Regen stehenzulassen. Bald allerdings geht es ums große Ganze: Unna berät über ein Baulandprogramm, das für die kommenden zehn Jahre Mittel gegen die Wohnungsnot auswählen soll. Wie diese Mittel aussehen könnten, darüber droht Streit.

Grüne sind zurückhaltend bei der Flächenversiegelung

Im politischen Programm der Grünen finden sich zum Thema „Wohnen“ nur wenige Aussagen. Ein eigenes Kapitel dazu gibt es gar nicht. Unter dem Punkt „Umwelt & Wirtschaft“ findet sich ein Dreiklang aus Forderungen, die große Bauprojekte eher infrage stellen: „Flächen entsiegeln, Frischluftschneiden erhalten und Brachflächen nutzen“. Dass die Grünen das Konzept zusammenhängender Neubaugebiete nicht gänzlich ausschließen, belegt eine Aussage in der Rubrik „Soziales“: „Mindestens 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum für vielfältige Neubaugebiete.“

Ines Nieders-Mollik bringt gerade im Themenfeld „Bauen und Wohnen“ eine professionelle Kompetenz mit ein. Den neuen Bebauungsplan für die teuren Flächen am Bergenkamp hält sie für eine sinnvolle Entscheidung.
Ines Nieders-Mollik bringt gerade im Themenfeld „Bauen und Wohnen“ eine professionelle Kompetenz mit ein. Den neuen Bebauungsplan für die teuren Flächen am Bergenkamp hält sie für eine sinnvolle Entscheidung. © privat

Wie grüne Wohnungsbaupolitik in Unna konkret aussieht, zeigte sich zuletzt an zwei Beispielen: Das auch von den Einheimischen kritisierte Bauvorhaben auf dem Zabel-Grundstück in Kessebüren lehnen die Grünen in den politischen Gremien ab. Es sei „zu groß, nicht nachhaltig und am Bedarf vorbei“, teilte das Sprecherduo Claudia Keuchel/Karl Dittrich in einer Stellungnahme mit. Dagegen feiert Ortsvorsteherin Ines Nieders-Mollik auf der Internetseite ihrer Partei den neuen Bebauungsplan für die Stadtvillen am Bergpfad: „Wohnraum in Innenstadtnähe wird gesucht in Unna – am Bergpfad im Bornekamp schaffen wir nun neue Möglichkeiten und schützen den Baumbestand“, wird die Architektin zitiert.

CDU denkt bei Bauprojekten in größeren Formaten

Kritiker gehen da nicht ganz mit. Die Hinterlandgrundstücke am Hang oberhalb der Bornekampstraße gelten eher als Filetstücke der Oberstadt. Der Bodenrichtwert liegt bei 335 Euro pro Quadratmeter. Vor allem aber dürfte die Zahl der Menschen, die dort eine Heimstatt finden könnten, doch überschaubar sein.

Was die CDU als Leitlinien für den Wohnungsbau ausgibt, klingt durchweg entschlossener. „Wir sind bestrebt, mehr Flächen für die Bebauung zur Verfügung zu stellen“, sagt Fraktionschef Rudolf Fröhlich nun angesichts der kommenden Beratungen zum Baulandprogramm. Und: „Wir können es uns gar nicht mehr erlauben, Wohnbauprojekte auf die lange Bank zu schieben.“

Potenzial für neue Baugebiete gibt es in Unna durchaus. Es sind Flächen, die im grundlegenden Flächennutzungsplan der Stadt als mögliche Wohngebiete ausgewiesen sind, für die es aber noch keine konkreten Bebauungspläne gibt.

Dem Vernehmen nach haben das Rathaus und ein fachkundiges Planungsbüro Steckbriefe von rund 20 Flächen vorbereitet, mit denen die Politik in die Beratungen einsteigen kann. Zusammen würden sie rund 400.000 Quadratmeter Grundstücksfläche bieten. Dieser Platz könnte für über 800 Wohneinheiten reichen, in denen dann gut anderthalbtausend Menschen ein Dach über dem Kopf finden.

Sie wirkt so idyllisch wie der Unnaer Osten, liegt aber tatsächlich in direkter Nachbarschaft mit der Bebauung an der Klopstockstraße.
Sie wirkt so idyllisch wie der Unnaer Osten, liegt aber tatsächlich in direkter Nachbarschaft mit der Bebauung an der Klopstockstraße: Diese Streuobstwiese an der Morgenstraße verspricht Entwicklungspotenziale für Unnas Oberstadt, vermutlich aber auch einen Konflikt innerhalb der schwarzgrünen Projektpartnerschaft. © Udo Hennes

Wer den Katalog möglicher Flächen durchgeht, ahnt, an welchen Stellen es zwischen CDU und Bündnisgrünen zur Herausforderung kommen könnte, einen Konsens zu finden. Projekte, die als Nachverdichtung oder Lückenbebauung durchgehen könnten, sind rar darin. Stattdessen findet sich in dem Angebot eine erst in den zurückliegenden Jahren liebevoll bepflanzte Streuobstwiese an der Morgenstraße.

Sebastian Laaser beim Jahresempfang der SPD im Juni.
Sebastian Laaser beim Jahresempfang der SPD im Juni. Für die Genossen ist die Schaffung von ausreichenden und bezahlbaren Wohnungen ein Hauptthema. Dementsprechend wollen sie auch bei der Ausweisung von Flächen in die Vollen gehen. © Sebastian Smulka

Interessanterweise wird diese Fläche auch innerhalb der SPD-Fraktion als eine der ersten genannt, wenn es um schnell und einfach umsetzbare Möglichkeiten aus dem neuen Baulandprogramm geht. Und ihr Vorsitzender Sebastian Laaser will ähnlich wie die CDU beim Finden und Erschließen von Baugebieten das Tempo forcieren. „Eins ist klar: Wir müssen bauen“, sagte er unlängst in einer Vorschau auf die politischen Themen des zweiten Halbjahres.

Rudolf Fröhlich scheint die Gemeinsamkeit mit den Genossen bereits zur Kenntnis genommen zu haben. „Mir ist da jeder Gesprächspartner recht“, sagt er.