Dass das Güterterminal im Indupark in Unna ein Flop war, ist offensichtlich. Doch das Ausmaß des Schadens zu bemessen, erweist sich als schwierig. Wortkarg geben sich die Verantwortlichen bezüglich der Gründe.

Unna

, 10.05.2020, 17:55 Uhr / Lesedauer: 4 min

Dass das Logistikzentrum Ruhr-Ost für Unna kein Erfolg war, zeigt bereits die von außen sichtbare Wirklichkeit. Die Verladestation an der Otto-Hahn-Straße, an der Container zwischen Zügen und Lastwagen umgeladen werden können, ist seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Die Gleise wuchern zu und setzen Rost an.

Unnas Stadtrat soll nun einen Beschluss für den Ausstieg aus der Kooperation mit der Gemeinde Bönen fassen. Allein das spricht dafür, dass keinerlei Hoffnung mehr besteht, für Unna etwas Sinnvolles aus dem Projekt zu machen.

Zwei Fragen sind nun nahe liegend für die Politik: Was hat das Projekt gekostet? Warum eigentlich ist es misslungen? Doch so einfach die Fragen erscheinen, so schwierig ist es, Antworten zu finden.

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In nicht-öffentlichen Gremien wie dem Aufsichtsrat der Wirtschaftsbetriebe Unna waren solche Fragen schon vor Monaten aufgeworfen worden, aber nicht unbedingt zur Zufriedenheit aller Mitglieder beantwortet. Ob es die Verantwortlichen nicht wollten oder konnten – reine Spekulation.

Was nach der Aufschrift auf dem Portalkran im Indupark das Logistikzentrum Ruhr-Ost ist, ist tatsächlich ein wesentlich komplexeres Gebilde. Um die Gesellschaftlichen Strukturen zu erfassen, nimmt man sich am besten erst einmal einen Bleistift, um sich die Sache aufzuzeichnen.

Als die Stadt Unna ihre Beteiligungsberichte noch als Druckwerk herausgab, fand sich auf dem hinteren Deckblatt immer eine hilfreiche Übersicht der direkten und mittelbaren wirtschaftlichen Beteiligungen.

Als die Stadt Unna ihre Beteiligungsberichte noch als Druckwerk herausgab, fand sich auf dem hinteren Deckblatt immer eine hilfreiche Übersicht der direkten und mittelbaren wirtschaftlichen Beteiligungen. © Stadt Unna

Da ist zum einen die „Logistikzentrum RuhrOst GmbH“ (offizielle Schreibweise) mit Sitz an der Heinrich-Hertz-Straße 2 in Unna, also unter dem Dach der Stadtwerke Unna. Stadtwerke-Chef Jürgen Schäpermeier und der frühere Unnaer Beigeordnete Uwe Kutter sind als Geschäftsführer benannt. Gesellschafterinnen sind zu je 50 Prozent die Gemeinde Bönen und die Wirtschaftsbetriebe Unna (WBU).

Die WBU ist eine Holdinggesellschaft, in der die Stadt Unna viele ihrer wirtschaftlichen Betriebe und Beteiligungen bündelt. Sie ist Konzernmutter der Stadtwerke, besitzt und betreibt Tiefgaragen und ein Parkhaus, das Hallenbad am Bergenkamp und einige Immobilien. Zudem ist sie Eigentümerin der Liegenschaft Eishalle.

Besitzen und Betreiben sind in zwei Unternehmen verteilt

Mit den Portalkränen im Indupark und in Bönen hat diese Firma aber vor allem finanziell etwas zu tun. Sie ist Eigentümerin, überträgt den Betrieb aber an die Logistikzentrum RuhrOst Betreibergesellschaft mbH mit Sitz an der Lise-Meitner-Straße in Bönen. Der Anteil der Eigentümergesellschaft an der Betreibergesellschaft beträgt gerade einmal 25,1 Prozent. Mehrheitseignerin ist die Bönener Spedition Denninghaus.

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Der jüngste Beteiligungsbericht der Stadt Unna spricht von einem „atypischen Geschäftsmodell“ und Risikoverteilungen zu Lasten der Besitzergesellschaft. Wie schwer diese Lasten wiegen – das schildern Stadtverwaltung und Geschäftsführung mit widersprüchlichen Angaben.

Auskünfte von der Stadt werfen neue Fragen auf

Die Antwort auf eine aktuelle Presseanfrage, wie lange das Terminal in Unna nur „im Vorhaltemodus“ stehe, lautet „2016“. Laut Beteiligungsbericht der Stadt stehen die Zahnräder des Krans im Indupark aber schon seit „Anfang 2015“ still.

Der jährliche Verlust der Besitzgesellschaft belaufe sich „seit Jahren auf knapp unter 200.000 Euro“. Da sich WBU und Gemeinde Bönen die Haftung teilen und im Gesellschaftervertrag eine Deckelung vereinbart ist, müssten Unnas Wirtschaftsbetriebe also „seit Jahren knapp unter“ 100.000 Euro jährlich in das Logistikzentrum gesteckt haben.

Für den Zeitraum von 2005 bis 2019 – was immerhin 15 Geschäftsjahre bedeutet – summiert die Stadt allerdings einen Betrag von lediglich „rund 913.000 Euro“, die der „Konzern Stadt“ in die Anlage investiert oder für den Betrieb ausgegeben haben will.

Zwei Kräne bauen einen Kran auf: Das Logistikzentrum Ruhr-Ost war 2005 mit großem Optimismus in Betrieb genommen worden. Doch ein Erfolg wurde das Projekt nicht.

Zwei Kräne bauen einen Kran auf: Das Logistikzentrum Ruhr-Ost war 2005 mit großem Optimismus in Betrieb genommen worden. Doch ein Erfolg wurde das Projekt nicht. © Udo Hennes

Am Anfang sind Millionen Euro bewegt worden

Zahlen, die sich in den Beteiligungsberichten der vergangenen Jahre wiederfinden, erreichen andere Dimensionen. So hat allein die Stadt Unna anfänglich 5,1 Millionen Euro an Krediten für Gründung und Aufbau des Logistikzentrums mit einer Bürgschaft abgesichert. Immerhin: Teile der Verluste im operativen Geschäft erklären sich auch durch die Rückzahlung der Kredite, sodass die Bürgschaft Ende 2018 schon auf 1,4 Millionen Euro heruntergefahren war.

Für die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit muss zwischendurch auch noch eine Ausleihe der WBU an das Logistikzentrum erfolgt sein. Auch dabei erfolgten Rückzahlungen in Raten. Ende 2018 waren noch 153.000 Euro offen – allein gegenüber den Wirtschaftsbetrieben Unna. Die Gesamtverbindlichkeiten lagen am Bilanzstichtag Ende 2018 noch bei knapp zwei Millionen Euro.

Förderbindung zwingt zur Weiterführung der Verluste

Ein Damoklesschwert hängt noch über dem Projekt und lässt die Verantwortlichen sich sehr langsam bewegen. Weil das Logistikzentrum mit öffentlichen Fördermitteln errichtet worden und möglicherweise eine Rückzahlung verlangt werden kann, plant die Stadt den Ausstieg erst zum Ablauftermin der Förderbindung. Die Höhe der Fördermittel wird von der Stadt nun mit 3,1 Millionen Euro angegeben. Angesichts dieser Zahlen ist verständlich, warum Unna den Ausstieg aus dem Logistikzentrum mit so langem Zeitvorlauf plant: Das Verladeterminal im Indupark und das Gleis zum Karstadtlager will die Stadt 2025 abgeben, die Beteiligung am Terminal in Bönen im Jahr 2028.

In Bönen wird das Terminal noch betrieben – mit zehnmal so viel Umschlagvolumen wie in Unna, aber unterm Strich auch nicht kostendeckend.

In Bönen wird das Terminal noch betrieben – mit zehnmal so viel Umschlagvolumen wie in Unna, aber unterm Strich auch nicht kostendeckend. © Werner Lindemann

Anders als das Terminal in Unna wird das in Bönen noch betrieben – in einem deutlich größeren Umfang, als es in Unna je der Fall war. Für das Terminal im Indupark gibt die Stadt nun durchschnittlich 6.172 Kranungen im Jahr über einen achtjährigen Betriebszeitraum hinweg an. Für das Terminal in Bönen weist der Geschäftsbericht 2018 eine Rekordnutzung mit 65.543 Kranungen in dem Jahr aus. Der Verlust im operativen Geschäft wurde durch das Rekordergebnis allerdings noch etwas vergrößert: Die stärkere Nutzung der Anlage habe auch einen größeren Wartungsaufwand mit sich gebracht.

Das Terminal in Unna stand zu diesem Zeitpunkt schon still. Aus logistischen und betriebswirtschaftlichen Gründen seien die Tätigkeiten in Bönen konzentriert worden, ist im entsprechenden Beteiligungsbericht der Stadt Unna zu lesen. Antworten auf die Frage, warum das Logistikzentrum Ruhr so ein Fehlschlag war, müssen sich die Verantwortlichen in der Politik selbst suchen.

Eine entsprechende Anfrage unserer Redaktion beantwortet die Stadtverwaltung in Rücksprache mit der Geschäftsführung lapidar mit einer Aussage, die bereits aus den nackten Zahlen ersichtlich ist: „Das reine Vorhalten einer Schienen- und Terminalinfrastruktur hat sich abschließend als kein wirtschaftliches Geschäftsmodell erwiesen.“

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