Noch ist nicht bekannt, ob sich für den „Vogelpark“ in Uelzen ein neuer Eigentümer finden lässt und wie viel er zu bezahlen hätte. Sollte es beim Versteigerungstermin am 23. August bleiben, dann entscheiden letztlich die Kaufinteressenten darüber, wie viel ihnen das Anwesen von Unternehmerlegende Thomas Wiese wert wäre.
Doch zumindest im Vorfeld der Zwangsversteigerung preist das Amtsgericht Unna bereits einen ersten Rabatt ein. Der Verkehrswert hätte nämlich auch noch höher liegen können als die 5,73 Millionen Euro, die das Gericht tatsächlich festgesetzt hat. Der beauftragte Sachverständige rechnet einen pauschalen Preisabschlag von fünf Prozent ein, weil der Alt-Eigentümer ihm bei seinem Besuch zur Wertermittlung keinen Zutritt zu seinen Wohnräumen gestattet hat.
Fünf Prozent Abschlag, weil Gutachter nicht ins Gebäude durfte
Rechnet man diesen Abschlag heraus, wäre ein Verkehrswert von gut sechs Millionen Euro herausgekommen. Der fünfprozentige Abschlag zieht sich nun weiter durchs Verfahren und betrifft auch die Wertgrenzen, die die Bieter erreichen müssen, um einen Zuschlag für die Luxus-Immobilie in Uelzen zu bekommen. Sie sinken ebenfalls um fünf Prozent.
Wertgutachten muss weiße Stellen ausgleichen
Was die Motive des Hausherren waren, den Sachverständigen des Gerichts den Eintritt zu verwehren, ist unbekannt. Eigentümer von Versteigerungsimmobilien sind nicht verpflichtet, einen Gutachter ins Haus zu lassen – möglicherweise aber gut beraten. Denn ohne Innenbesichtigung muss der Experte Fragen offen lassen, was das Wertgutachten in seiner Aussagekraft schmälert, eine Immobilie stärker zur „Katze im Sack“ und den Kauf zum Risiko macht. Das kann dazu beitragen, dass eine Immobilie gar nicht versteigert wird; ebenso aber auch dazu, dass die Versteigerung zwar gelingt, aber weniger Geld einbringt, als drin gewesen wäre.

Informationsgehalt der Arbeit ist dennoch beachtlich
Das Gutachten zum Uelzener „Vogelpark“ liefert allerdings ein Beispiel dafür, wie gut Experten im Zweifel auch ohne die Hausführung arbeiten können. Der vom Amtsgericht Unna beauftragte Sachverständige verbindet seine Eindrücke von einer Außenbesichtigung mit einer Auswertung von Unterlagen, die er aus der Hand von Dritten beziehen konnte. Und so gibt das Gutachten, das nun vom Gericht öffentlich gemacht worden ist, ein detailtiefes Bild des Anwesens, das der frühere Aluwerkchef und Gründer des Reitsportzentrums Massener Heide als Wohnsitz errichtet hat.
Zwei Stockwerke für Wieses Timpo-Figuren
Die gesamte Grundstücksfläche gibt der Gutachter mit 15781 Quadratmetern an. Hinter einer Einfriedung mit Mauern, Toren und einer drei Meter hohen Kombination aus Elektrozaun und Stacheldraht finden sich demnach insgesamt zwölf Gebäude – eine Villa mit Schwimmbad, Garagen und Carport, Pferde- und Kleintierställe, aber auch ein zweigeschossiges Ausstellungsgebäude, das laut Gutachter für die Präsentation von Spielzeugfiguren verwendet worden sei.

Aus den Unterlagen zum Bau der Anlage entnimmt der Sachverständige, dass die einzelnen Teile durchweg nach höchsten Standards errichtet worden seien. Dies gilt für den Rohbau, die Gebäudetechnik, aber auch für einzelne Bauelemente. So seien etwa die Fenster der Villa dreifach verglast, die Innentüren, so es sich nicht um Glastüren handelt, aus lackiertem Edelholz gefertigt. Natürlich hat das Haus eine Fußbodenheizung, aber auch eine künstliche Belüftung. Einen „überdurchschnittlich hohen Ausstattungsstandard“ biete das Gebäude aber auch, was die Elektroinstallation und Vernetzung angeht.
Den Zustand von alledem kann der Sachverständige ohne Innenbesichtigung nur annehmen. Zumindest das Äußere der Gebäude und der Zustand der parkähnlichen Gartenanlage waren aber zum Zeitpunkt des Ortstermins überzeugend. „Das Gebäude macht einen sehr guten Gesamteindruck“, so das Gutachten. Als „gut“ bewertet der Sachverständige auch die Lage, wenngleich etwas Bahnlärm zu vernehmen sei.
Versteigerung schon seit 2021 in Vorbereitung
Über die Beschreibung der Immobilie hinaus gibt das Gutachten auch einige Informationen zum Verfahren, das nun zur Zwangsversteigerung führen soll. Demnach hat auch der Gerichtstermin für den Vogelpark einen längeren Vorlauf. Die Versteigerungsvermerke im Grundbuch seien demnach schon im Oktober 2021 vermerkt worden. Den Auftrag für ein Wertgutachten hatte der Sachverständige dann im März 2022 erhalten. Dreieinhalb Wochen später wurde er vor Ort vorstellig und wohl auch zumindest über das gut gesicherte Grundstück geführt. Auf seine Bitte, sich vielleicht doch noch für eine Innenbesichtigung zu melden, erhielt er keine Rückmeldung. Und so schrieb er im August 2022 seine übrigen Erkenntnisse und Berechnungen nieder.
Auch das Gutachten ist bald zwei Jahre alt
Dass danach noch zwei Jahre bis zum Versteigerungstermin vergehen würden, ist keineswegs ungewöhnlich. Oft kämpfen Eigentümer darum, ihre Immobilie zu behalten. Und solange Dinge im Unklaren sind, verhalten sich Gerichte lieber abwartend.
Anfang Mai allerdings eröffnete ein anderes Amtsgericht – nämlich das in Dortmund – auch die Privatinsolvenz über das Vermögen von Thomas Wiese. Bereits in diesem Kontext wurde klar, dass auch das Millionenanwesen in Uelzen zu den Objekten zählt, die möglicherweise Geld einbringen, mit denen sich Wieses Gläubiger bedienen ließen.