Skurrile Figuren und eine cineastische Inszenierung Theater Narrenschiff spielt „The Party“

Skurrile Figuren und eine cineastische Inszenierung: „The Party“
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Mit ihrer Tragikomödie „The Party“ scheute sich die britische Filmemacherin Sally Potter 2017 nicht, den Finger in gleich mehrere Wunden der englischen Gesellschaft zu legen. Vor dem Hintergrund einer ausartenden Privatfeier beleuchtet Potter darin ethische und persönliche Fragen, vor allem in Bezug auf das Gesundheitssystem, die von der großen Bühne der Politik ins eigene Wohnzimmer hinein wirken. Für die aktuelle Spielzeit hat das Narrenschiff-Ensemble den gleichermaßen unterhaltsamen wie brisanten Filmstoff auf die Bühne geholt.

Vielleicht der perfekte Zeitpunkt – befindet sich doch auch in Deutschland das Gesundheitssystem in einer Phase der Umstrukturierung. Und wohin die Reise gehen wird, ist aufgrund des Regierungswechsels noch nicht klar.

Schauspieler des Theater Narrenschiff in Unna spielen das Stück "The Party".
Vorlage für das Stück in Unna ist die bitterböse Komödie "The Party" der britischen Filmemacherin Sally Potter. © Theater Narrenschiff

Zur Handlung

Janet (Edith Schneider-Debie) hat es geschafft: Sie wurde von ihrer Partei im Schattenkabinett als Gesundheitsministerin aufgestellt. Sie hat jeden Grund zu Feiern. Doch während nach und nach ihre Freunde eintreffen – die zynische April (Kathrin Bolle) und ihr esoterisch angehauchter deutscher Freund Gottfried (André Decker), das lesbische Ehepaar Martha (Tatjana Brügger) und Jinny (Rebecca Ewa) und der aufgekratzte Banker Tom (Marc Debie) – verschlechtert sich die Stimmung von Janets Ehemann Billy (Nils Jacobi) immer mehr. Schließlich hat er etwas bekanntzugeben, das nicht nur die Stimmung der Gäste in eine ganz andere Richtung lenkt, sondern auch sein und Janets Leben völlig durcheinander bringt.

Dabei ist er bei Weitem nicht der einzige, der mit seinem eigenen emotionalen Gepäck zu der Party gekommen ist, und so entfaltet sich nach und nach eine zunehmend schlimmer werdende Katastrophe nach der nächsten. Zugleich können die Figuren aber auch nicht aus ihrer Haut und führen, einmal in Gang gesetzt, die politische Debatte über Ideale und Machbarkeit, Ethik und Geld und Macht und Machtlosigkeit des politischen Systems gnadenlos weiter.

Kino auf der Bühne

Schon 2017 wurde Sally Potter gefragt, ob sie „The Party“ als Theater geplant hätte. Schließlich sei die Szenerie und die Situation ja wie gemacht für ein Kammerspiel im Stil von „Der Vorname“ oder „Der Gott des Gemetzels“. Potter verneinte jedoch. Sie habe „The Party“ tatsächlich von Anfang an als einen Film geschrieben und auch an Mittel des Films gedacht. So hätte sie etwa Großaufnahmen im Sinn gehabt, die hautnah an die Charaktere herangehen und so ihre Gefühle und Gedanken sehr intim erforschen. Etwas, das in einem Theater natürlich nicht möglich sei. Nicht zuletzt ist der Film auch in schwarz-weiß gehalten. Ein weiteres stilistisches Mittel, das so nur schwer auf der Bühne zu replizieren ist.

Dieses cineastische Erbe geht in der Inszenierung von André Decker aber tatsächlich nicht verloren. Mit den Möglichkeiten des Theaters gelingt es dem Narrenschiff, die Essenz des Filmischen auf die Bühne zu übertragen. Das aufwändige Bühnenbild ist nicht einfach nur ein Raum, sondern beinahe eine komplette Wohnung, die Dank geschickt abgestimmter Beleuchtung viele Kino-nahe Effekte erlaubt. Man merkt Schnitte, die gesetzt wurden, erlebt Splitscreen und Überblendungen. Und ja, sogar die „unmöglichen“ Großaufnahmen schaff das Narrenschiff abzubilden, etwa wenn ein Schauspieler in besonders intensiven Momenten beinahe aus dem Bühnenbild heraustritt.

Schauspieler des Theater Narrenschiff in Unna spielen das Stück "The Party".
Das Theater Narrenschiff bringt den Filmstoff gekonnt auf die Bühne. © Theater Narrenschiff

Doch das Herz von „The Party“ sind zweifelsohne die skurrilen Figuren, die das Ensemble mit sehr viel Liebe für jede einzelne Schrulligkeit und Seelenqual gekonnt mit Leben füllt. Vom grimmigen Bill, der wortkarg die Luft aus dem Raum zu ziehen scheint, über Gottfried, der beinahe von der Realität losgelöst scheint, bis hin zur desillusionierten aber überraschend solidarischen April gelingt es allen, die Zuschauer zu unterhalten und für ihren jeweiligen Standpunkt zumindest Interesse zu wecken. Dem Premierenpublikum haben die kurzweiligen 80 Minuten jedenfalls außerordentlich gut gefallen.