Was ein Flüchtling ist, hängt auch von der jeweiligen Definition ab. Viele, die zwischen 1951 und 2009 über die Landesstelle Massen nach Deutschland gekommen sind, sind danach eingebürgert worden und aus den Statistiken zur Zuwanderung ausgewandert.
Wer aber den „Flüchtling“ als jemanden beschreibt, der aus einer irgendwie gearteten Not heraus sein Heimatland verlässt, um mit noch fremder Staatsangehörigkeit in Deutschland unterzukommen, setzt die Flüchtlingszahl in Unna derzeit mit rund 2200 an.
Den überwiegenden Anteil davon bringt die Stadt außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung in Massen-Nord unter. Zwar wird die Kapazität der EAE auf die Aufnahmeverpflichtung angerechnet, die Unna laut Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) hat, doch der Krieg in der Ukraine und die Zahl der „Geduldeten“ fordern die Stadt trotzdem.
Laut „FlüAG“ müsste die Stadt Unna aktuell 842 Asylbewerber aufnehmen, wenn es die EAE nicht gäbe. Für die Erstaufnahmeeinrichtung werden ihr allerdings 700 abgezogen. Die 700 sollen eine durchschnittliche Belegung der Einrichtung in Massen-Nord repräsentieren. Rechnerisch bliebe es somit bei einer Aufnahmeverpflichtung von 142 Asylbewerbern.
Schon die Ukrainer reichen Unna fast zur Quotenerfüllung
Tatsächlich aber sind in Unna derzeit auch außerhalb der EAE 777 Menschen gemeldet, die gemäß „FlüAG“ für die Anrechnung berücksichtigt werden. Zu einem sehr großen Teil handele es sich dabei um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Sie haben einen anderen Rechtsstatus als die Asylbewerber aus anderen Ländern, weil Deutschland ihnen bei einem Zuzug nach Kriegsbeginn einen Aufenthaltstitel gegeben hat.
Ohne EAE müsste Unna nur noch 65 Menschen mehr aufnehmen
Rechnet man die durchschnittlich 700 EAE-Bewohner und die 777 im Rest von Unna gemeldeten „FlüAG-Flüchtlinge“ zusammen, ergibt dies eine Gruppe von 1477 Menschen. Und setzt man sie ins Verhältnis zur offiziellen Aufnahmeverpflichtung für 842 Menschen, ergibt sich eine Quotenerfüllung von rund 175 Prozent.
Von Belang ist diese Zahl auch für die laufenden Verhandlungen über einen Anschlussvertrag zur Nutzung der früheren Landesstelle in Massen nach 2024. Denn: Sollte Unna die städtische Planungshoheit für die Liegenschaft nutzen, um dem Land den weiteren Betrieb der Einrichtung zu untersagen, würde sie die Aufnahmeverpflichtung allein durch die Ukrainer immer noch zu 92 Prozent erfüllen. Bei einer Schließung der EAE müsste Unna nur noch 65 weitere Personen aufnehmen, um immer noch das Soll zu erfüllen.
Zusätzlich leben 656 „Geduldete“ in Unna
Außerhalb der Quote gibt es aber auch noch Menschen, deren Situation als Grauzone beschrieben werden kann: die „Geduldeten“. Das Amtsdeutsch spricht hier von Menschen mit einer Wohnsitzauflage, für die den Kommunen ebenfalls eine Aufnahmeverpflichtung zugeschrieben wird. Diese Quote ist in Unna nicht ganz erfüllt: 656 Menschen aus jener Kategorie erfüllen ihre Auflagen mit einem Wohnsitz in Unna. Zehn weitere müsste die Stadt noch unterbringen, wenn sie zugewiesen werden.

Für die Unterbringung verfolgt Unna einen schnellen und einen dauerhaften Lösungsansatz. Für eine direkte Verfügbarkeit unterhält die Stadt an vier Standorten eigene Notunterkünfte. Aktuell belegt sind sie mit 250 Menschen.
240 davon gelten als Geflüchtete. Die übrigen zehn hat die Stadt dort einquartiert, um sie bei drohender oder schon eingetretener Obdachlosigkeit von der Straße zu holen. Wer bei einem Verlust seiner Wohnung keine andere Lösung für sich weiß, den würde die Stadt bei Bedarf erst einmal auf diese Weise versorgen können.
Die Wohnanlage an der Kamener Straße als die jüngste im Bestand trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Gesellschaft im Ganzen immer weiter altert. Fünf Wohnungen im Erdgeschoss sind barrierefrei angelegt worden. Selbst Pflegebedürftige könnten dort betreut werden. Die älteste Bewohnerin zurzeit ist 83 Jahre alt.
Übergangswohnheime stark ausgelastet, aber nicht voll
Die Auslastung der Häuser sei hoch, doch es gebe durchaus noch Puffer, erklärt Stadtsprecher Kevin Kohues. Dies sei wichtig, weil die Stadt auf jene Unterkünfte bei Bedarf auch kurzfristig zugreifen können will.
Mittel- bis langfristig zielt die Strategie der Stadt darauf ab, Flüchtlinge und andere Anspruchsberechtigte in Wohnungen unterzubringen, die am freien Markt angemietet werden. Diese Strategie bringt einige Herausforderungen mit sich, da Unnas Wohnungsmarkt traditionell wenig Leerstand kennt und die Wohnungsgrößen nicht immer mit den Leistungsansprüchen der Sozialgesetzgebung deckungsgleich sind. Als „Brot-und-Butter-Modell“ des Wohnungsmarktes in Unna gilt eine Drei-Zimmer-Wohnung mit gut 70 Quadratmetern Fläche, die für allein Geflüchtete streng genommen überdimensioniert wäre.
Dennoch scheint das Konzept der Stadt zu funktionieren. Neben der Unterbringung der Menschen hatte sie einen weiteren Gedanken, als sie diese Strategie einst beschloss: Die Betroffenen sollten dezentral unterkommen und in bestehende Hausgemeinschaften einziehen, um sich dort allmählich integrieren zu können – eine Idee, die als Gegenmodell zur Massenunterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung dienen kann.
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