Trauer um Drogentote und Diskussion über Cannabis-Legalisierung in Unna „Wir haben es satt“

Mehr Tote als vor 25 Jahren – aber Lüsa-Arbeit nicht gescheitert
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Ein trauriges Jubiläum hatte die Drogenhilfe Lüsa zu feiern. Zum 25. Mal jährte sich am Freitag (21.07.) der „Internationale Gedenktag für verstorbene Drogen Gebrauchende“. In ihrer Einrichtung „Dawo“ (Dauerwohneinrichtung) in Hemmerde wurde nicht nur verstorbener Klienten gedacht. Die Lüsa-Verantwortlichen stellten auch neue Projekte vor und regten eine Debatte über Eckpunkte der Drogenpolitik an.

Lüsa Unna Gedenken an Drogentote 2023
Die Erinnerung an die Verstorbenen und gleichzeitig die Vorstellung des neuen Bienenprojekts standen im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung. © Sebastian Pähler

Mehr Drogentote als vor 25 Jahren

In den vergangenen 25 Jahren sind in Deutschland 34.000 Menschen in der Folge von Drogenmissbrauch gestorben. Das entspreche etwa der Hälfte der Bevölkerung Unnas. „Wir haben es satt, jedes Jahr aufs neue Menschen zu betrauern“, erklärte die langjährige Lüsa-Geschäftsführerin Anabela Dias de Oliveira.

Allein 2022 waren es in Deutschland knapp 2.000 Drogentote, ein Viertel mehr als 1997, als die Lüsa in Unna eröffnet wurde. „Wenn wir nur darauf schauen würden“, so Dias, „müssten wir sagen, dass unsere Arbeit gescheitert ist. Aber es ist nicht unsere Arbeit gescheitert. Die Rahmenbedingungen sind der Grund des Scheiterns.“ Das Hauptproblem sei die Kriminalisierung des Drogenkonsums, die Konsumenten zwinge, sich verschnittenen Substanzen und unsauberen Bedingungen auszusetzen. Außerdem sorge die Kriminalisierung des Drogenkonsums in vielen Biografien zu einer Abwärtsspirale, die sich durch eine Entkriminalisierung verhindern ließe.

Soziale Kälte und Verteilungskämpfe

Die Lage habe sich durch Corona und die Inflation noch einmal deutlich verschlimmert. Eine soziale Kälte sei zu spüren. Vor allem Verteilungskämpfe an den Rändern der Gesellschaft träfen ihre Klienten stark, so Dias.

Anlass für eine Diskussion zu dem Thema sah man allerdings auch im Rahmen der Gedenkstunde. So stellte etwa die stellvertretende Bürgermeisterin Renate Nick fest, dass sie Beratung vollen Herzens unterstütze und auch für die Entkriminalisierung der Betroffenen sei. Einer Legalisierung von etwa Cannabis könne sie als Mutter und Großmutter allerdings nicht zustimmen.

Anstatt einen Baum zu pflanzen, wurde in diesem Jahr anlässlich des Gedenktages in der Dawo ein Imker-Projekt vorgestellt. (v.l.n.r.: Mitarbeiter und Imker Alexander Lukaczyk, Landrat Mario Löhr, Dawo-Leiter Daniel Siegrist und Lüsa-Geschäftsführerin Anabela Dias de Oliveira)
Anstatt einen Baum zu pflanzen, wurde in diesem Jahr anlässlich des Gedenktages in der Dawo ein Imker-Projekt vorgestellt. (v.l.n.r.: Mitarbeiter und Imker Alexander Lukaczyk, Landrat Mario Löhr, Dawo-Leiter Daniel Siegrist und Lüsa-Geschäftsführerin Anabela Dias de Oliveira) © Sebastian Pähler

Gedenkstätte mit Bienenvölkern

Dass die Arbeit von Lüsa viel bewirke, bestätigte Dawo-Bewohner Stefan. Sich wieder als Mensch fühlen zu können, habe dafür gesorgt, dass der Konsum bei den Bewohnern stark zurückgegangen sei.

Der Gedenktag bot natürlich auch Anlass, der Verstorbenen unter den eigenen Klienten zu gedenken. Tatjana, Joachim, Michael und Susi wurden von der Gemeinschaft und ihren Gästen vermisst.

Normalerweise wird der Gedenktag als Anlass genommen, für die Verstorbenen einen Baum zu Pflanzen. Das wurde diesmal durch den Start eines neuen Projektes ersetzt. Stattdessen hat die Einrichtung „Dawo“ nun Bienenvölker, um die sich die Bewohner kümmern. Bienen und das Projekt Lüsa hätten vieles gemeinsam, erläuterte Dawo-Leiter Daniel Siegrist. „Die Zusammenarbeit, Unterstützung und Anpassungsfähigkeit, die in Bienenvölkern zu finden sind, sind auch Schlüsselkomponenten für erfolgreiche Drogenhilfeprogramme. Indem wir uns von der Solidarität und Organisation der Bienengemeinschaft inspirieren lassen, können wir eine starke und unterstützende Umgebung für Menschen schaffen, die von Drogenabhängigkeit betroffen sind.“

Der Umgang mit Bienen fordert viel Ruhe: ein weiterer Vorteil, den das Imker-Projekt den Bewohnern der Dawo bringt.
Der Umgang mit Bienen fordert viel Ruhe: ein weiterer Vorteil, den das Imker-Projekt den Bewohnern der Dawo bringt. © Sebastian Pähler