Günstiger als die „Villa Wiese“ So ersteigert man eine Immobilie am Amtsgericht Unna

Günstiger als die „Villa Wiese“: So ersteigert man eine Immobilie
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Hoffnungen darauf, das luxuriöse Anwesen von Unternehmerlegende Thomas Wiese zum Preis eines Reihenhauses einstreichen zu können, sind nicht mehr als reine Wunschträume. Allein die Regularien einer Zwangsversteigerung bewirken, dass Bieter eine gewisse Bonität mitbringen müssen, um sich bei der Zwangsversteigerung des „Vogelparks“ in Uelzen mit einem gültigen Gebot beteiligen zu können.

Denn: In aller Regel verlangt das Gericht eine Sicherheitsleistung, die zehn Prozent des vom Gutachter festgesetzten Verkehrswertes entspricht. Wer für die „Villa Wiese“ bieten will, müsste demnach 573.000 Euro als Geld auf der Bank liegen haben – und eine entsprechende Bescheinigung mitbringen.

Die meisten Versteigerungsobjekte sind eher „marktüblich“

Allerdings ist das schlossähnliche Parkgrundstück am Osterfeld eine in vielen Belangen einmalige Immobilie. Im Normalfall geht es bei den Zwangsversteigerungen am Amtsgericht Unna um marktübliche Objekte. Die Aussichten, eines davon als Schnäppchen zu erstehen, sind durchaus gegeben. Interessenten sollen sich allerdings selbst disziplinieren und sich der möglichen Risiken bewusst sein.

Der Vogelpark in Unna-Uelzen soll zwangsversteigert werden. Der vom Gericht festgesetzte Verkehrswert von 5,73 Millionen Euro führt auch dazu, dass im Versteigerungstermin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 573.000 Euro verlangt werden kann.
Der Vogelpark in Unna-Uelzen soll zwangsversteigert werden. Der vom Gericht festgesetzte Verkehrswert von 5,73 Millionen Euro führt auch dazu, dass im Versteigerungstermin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 573.000 Euro verlangt werden kann. © Udo Hennes

Gut 30 Verfahren pro Jahr in Unna, Holzwickede, Fröndenberg und Bönen

In den zurückliegenden Jahren schwankte die Zahl der Versteigerungsverfahren am Amtsgericht Unna in einem engen Korridor. Im vergangenen Jahr wurden 30 Verfahren eröffnet, im Vorjahr 28, davor 36 – jeweils im gesamten Gerichtsbezirk, der neben Unna auch Holzwickede, Fröndenberg und Bönen umfasst. Nicht alle dieser Verfahren münden allerdings in eine Zwangsversteigerung. Oft gelingt es den Eigentümern, die Bieterstunde im Gericht noch abzuwehren. Das können sie, wenn sie doch noch Geld auftreiben, um ihre Schulden zu begleichen, oder wenn sie sich mit den Gläubigern auf einen Verkauf am freien Markt einigen.

Experte ermittelt den Verkerswert

Soll es doch zur Versteigerung kommen, beauftragt das Amtsgericht zunächst einen Sachverständigen damit, die Immobilie zu begutachten. Die Arbeit dieses Experten ist in mehrfacher Hinsicht von Belang. Zum einen ermittelt er einen Verkehrswert, der vom Gericht festgesetzt wird. Dieser Betrag beeinflusst die Höhe der Sicherheitsleistungen, aber auch die Wertgrenzen, die für einen Zuschlag wichtig sind. Doch dazu später mehr.

Interessant ist für potenzielle Bieter aber auch das Gutachten im Ganzen. Denn oft ist es die wichtigste oder gar einzige Informationsquelle überhaupt. Detailliert und kundig versuchen die Sachverständigen, die Immobilie und ihren Zustand zu beschreiben. Auch Baumängel werden dabei erfasst. Das kann Interessenten vor Risiken schützen. Oft finden sie das teilweise geschwärzte Exposé gleich mit der öffentlichen Bekanntmachung des Versteigerungstermins im Internet.

Das Gutachten ist eine wichtige Informationsquelle

Allerdings unterscheiden sich Gutachten für das Amtsgericht durchaus hinsichtlich ihrer Aussagekraft. Grund dafür ist die Kooperationsbereitschaft der bisherigen Eigentümer: Sie sind zwar vielleicht gut beraten, einem Gutachter Zugang zum Haus zu ermöglichen, aber keineswegs dazu verpflichtet. Bleibt die Haustür verschlossen, können sich Gutachter nur anhand einer Außenbesichtigung und behördlicher Unterlagen ein Bild von der Lage machen. So wird ein Objekt für Interessenten stärker zur „Katze im Sack“.

Zwangsversteigerungen sind immer öffentlich

Ist für die Versteigerung alles vorbereitet, lädt das Amtsgericht Unna mit einer öffentlichen Bekanntmachung zum Termin. Zwangsversteigerungen sind öffentlich, Zugang zum Gericht hat also jeder Interessierte. Achtung: Es gibt eine Sicherheitsschleuse ähnlich der am Flughafen.

Wer tatsächlich mitbieten will, sollte einen gültigen Ausweis mitbringen und sich darauf einstellen, die Sicherheitsleistung zu erbringen. Sie beträgt zehn Prozent des Verkehrswertes.

Zwangsversteigerungen erfolgen „in Präsenz“ im Gerichtsgebäude des Amtsgerichtes Unna an der Friedrich-Ebert-Straße. Die Termine sind öffentlich, Besucher müssen allerdings eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen passieren. Taschenmesser bleiben daher besser zu Hause!
Zwangsversteigerungen erfolgen „in Präsenz“ im Gerichtsgebäude des Amtsgerichtes Unna an der Friedrich-Ebert-Straße. Die Termine sind öffentlich, Besucher müssen allerdings eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen passieren. Taschenmesser bleiben daher besser zu Hause! © Thomas Pinger

Beispiel: Am 19. Juli soll im Gericht eine Eigentumswohnung am Asternweg versteigert werden, deren Verkehrswert mit 110.000 Euro angegeben ist. Bieter sollten also 11.000 Euro Geldvermögen belegen können – entweder durch eine vorherige Einzahlung in die Gerichtskasse oder durch Bankbürgschaft, Bundesbankscheck oder den Verrechnungsscheck eines in Deutschland zugelassenen Kreditinstitutes. Wichtig: Jener Scheck darf frühestens am dritten Werktag vor dem Versteigerungstermin ausgestellt worden sein.

Tatsächlich kommt es rund um die Sicherheitsleistung immer wieder zu ungewöhnlichen Situationen. Im vergangenen Jahr etwa legte ein Bietinteressent einmal einen dicken Umschlag mit Bargeld auf den Tisch des Gerichtspflegers. Angenommen wurde er nicht.

Bei Null starten die Gebote am Amtsgericht Unna nicht

Die Versteigerung beginnt damit, dass der Rechtspfleger oder die Rechtspflegerin des Gerichts die besonderen Modalitäten der Versteigerung erläutert. Sie informieren zum Beispiel über im Grundbuch eingetragene Wohn- und Wegerechte. Und: Sie geben das „geringste Gebot“ bekannt. Denn Versteigerungen am Amtsgericht beginnen keineswegs bei Null. Gebote, die nicht wenigstens Gerichtskosten und öffentliche Forderungen wie unbezahlte Grundsteuern abdecken, werden nicht als gültig angenommen.

„Bieterstunde“ ist ein unpräziser Begriff

In der anschließenden Bietzeit können dann endlich die Gebote abgegeben werden. Der geläufige Begriff der „Bieterstunde“ ist allerdings streng genommen falsch. Die Mindestlänge der Bietzeit beträgt nur 30 Minuten. Rührt sich niemand, kann sie aber auch vor Ablauf dieser Zeit im Einvernehmen mit den Anwesenden abgebrochen werden. Umgekehrt endet die Versteigerung nicht zwingend mit Ablauf der Bietzeit. Gehen noch neue Gebote ein, kann sie auch darüber hinaus fortgesetzt werden, bis sich ein Bieter eindeutig durchgesetzt hat.

Wertgrenzen gegen das Ultraschnäppchen

Ob er damit auch einen Zuschlag erhält, ist eine andere Frage. An dieser Stelle kommen wieder der Verkehrswert und die davon abgeleiteten Wertgrenzen ins Spiel. Im ersten Termin darf das Gericht keinen Zuschlag erteilen, wenn das höchste Gebot nicht wenigstens 50 Prozent des Verkehrswertes erreicht. Gläubiger können diese Grenze noch auf 70 Prozent anheben lassen. Ob sie es tun, hängt auch davon ab, wie viel Geld das Objekt einbringen muss, um ihre Forderungen zu erfüllen.

Das frühere „Equitan“-Gebäude aus dem Eigentum von Thomas Wiese ist schon einmal zur Versteigerung aufgerufen worden. Weil dabei allerdings niemand ein Gebot abgegeben hat, ist der nächste Termin am 5. Juli im rechtlichen Sinne immer noch ein „erster Termin“. Die Wertgrenzen sind noch gültig.
Das frühere „Equitan“-Gebäude aus dem Eigentum von Thomas Wiese ist schon einmal zur Versteigerung aufgerufen worden. Weil dabei allerdings niemand ein Gebot abgegeben hat, ist der nächste Termin am 5. Juli im rechtlichen Sinne immer noch ein „erster Termin“. Die Wertgrenzen sind noch gültig. © Hellweger Anzeiger Archiv

Auch der zweite Termin kann ein „erster“ sein

In einem zweiten Termin kann auch ohne Erreichen einer Wertgrenze ein Zuschlag erfolgen. Aber: Ein „zweiter Termin“ erfolgt im rechtlichen Sinne nur dann, wenn im ersten ein zumindest gültiges Gebot abgegeben worden ist. Bietet im „echten ersten“ Termin niemand, setzt das Gericht irgendwann einen weiteren an, der dann aber im rechtlichen Sinne wieder ein „erster“ ist.

Was, wenn sich der Vor-Eigentümer wehrt?

Kommt es zu einem Zuschlag, muss der Meistbietende den per Gebot ermittelten Kaufpreis zahlen. Außerdem muss er Kosten für das Verfahren und den Grundbucheintrag zahlen, ebenso wie die Grunderwerbssteuer. Dafür entfallen bei der Zwangsversteigerung Maklercourtage und Notargebühren. Sind die Formalien abgearbeitet, ist der Erwerber Eigentümer der Immobilie – und doch kann es noch zu Schwierigkeiten kommen.

So setzte sich zuletzt ein Unnaer gegen die vermeintlich abgeschlossene Versteigerung seiner Immobilie mit einer Klage zur Wehr. Tatsächlich muss das Verfahren nun wiederholt werden, weil es im ersten Formfehler gab.

Bisweilen weigern sich Bewohner eines Objektes auch schlicht und ergreifend, auszuziehen. Dagegen kann eine Zwangsräumung beantragt werden, die aber oft Monate Vorlauf erfordert.

Eines der Grundstücke im „B1-Öhrchen“ hinter dem ehemaligen Teppichland ist vom Amtsgericht Unna schon einmal versteigert worden.
Eines der Grundstücke im „B1-Öhrchen“ hinter dem ehemaligen Teppichland ist vom Amtsgericht Unna schon einmal versteigert worden. Doch der Eigentümer klagte und bekam Recht: Wegen Formfehlern soll das Verfahren neu durchgeführt werden. © Udo Hennes

Böse Überraschung zum Schluss

Hat der Erwerber schließlich die Schlüsselgewalt, kommt der Moment der Wahrheit, in dem sich der tatsächliche Zustand einer Immobilie zeigt. Zwischen dem Erstellen eines Gutachtens und der Versteigerung liegen bisweilen mehrere Jahre – Zeit, in der ein gekränkter Voreigentümer für „Verschleiß“ sorgen kann oder eine bereits leerstehende Immobilie unbeheizt und ungelüftet Schimmel ansetzen kann.