Große Emotionen im Schalander Tim Pröse fesselt in Unna mit ungeheuren Schicksalen

Tim Pröse setzt emotionale Achterbahn in Gang
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Als Autor hat sich Tim Pröse schon lange einen Namen gemacht: Zahlreiche Biografien prominenter Persönlichkeiten stammen aus seiner Feder. Mit Nähe über einen langen Zeitraum schafft er dabei eine außergewöhnliche Offenheit. Genau diese Offenheit erlebten nun auch rund 60 Besucher im Schalander, als Pröse mit seinem Werk „Der Tag, der mein Leben veränderte“ für eine emotionale Achterbahnfahrt sorgte.

In dem Buch berichten gleich 15 Personen, die buchstäblich ganz unten waren, von den Tiefpunkten ihres Lebens und wie sie es schafften, wieder aufzustehen. Prominente und unbekannte Menschen hatte Pröse dafür begleitet und jeder Bericht war an sich ein Solitär. So begleitete er Hermann, der dafür zuständig ist Todesnachrichten zu überbringen. Als Praktikant begleitete ihn der Autor und besonders die Schilderungen der eigenen Hilflosigkeit berührten die Besucher tief.

Bilder der Protagonisten auf Leinwand

Eine weitere Person war Lea. Sie fiel Pröse deshalb auf, weil sie mit 18 Jahren auf einem Heinz-Rudolf Kunze-Konzert nicht nur mit Abstand die jüngste Besucherin war, sondern vor allem durchgehend textsicher alles mitsingen konnte.

So sprach er sie in der Pause an und erst da fiel ihm auf, dass sie im Rollstuhl saß und eine Handprothese trug. Er fragte vorsichtig und bereitwillig gab sie ihm Auskunft: Mit 17 Jahren hatte sie solche Depressionen, dass sie sich von einer zwölf Meter hohen Brücke stürzte.

Danach lag sie ein dreiviertel Jahr im Koma. Sie stand immer wieder auf der Kippe und ihr Vater spielte ihr stets Kunzes Lieder vor. Nun gehe es ihr besser und ihr großer Wunsch sei es, als Musiktherapeutin zu arbeiten. Musik gehe in die Seele und so wolle sie allen vermitteln, wie schön das Leben sein könne. Auf einer Leinwand im Hintergrund wurden immer wieder Bilder der Protagonisten gezeigt, was die Atmosphäre noch einmal verstärkte.

Viele Wendepunkte

In die Hölle gezwungen und wie Phönix aus der Asche aufgestiegen, war Jurek Rotenberg: Er hatte den Holocaust überlebt, da er von Unternehmer-Legende Berthold Beitz gerettet wurde. In vielen Gesprächen über das erlebte Grauen sei er es immer wieder gewesen, der Pröse mit seinem Humor aufgebaut hatte. Der Autor baute immer wieder kleine Bonmots ein, die alle Spannung lösten. So berichtete er von einer Kur in Bad Reichenhall: Als er merkte, dass sie auf den Obersalzberg blickten, bot er an, sich woanders hinzulegen.

Rotenberg entgegnete nur, er wolle das nicht. Schließlich sei Hitler nicht mehr da, er aber schon. So wechselten Spannung und Leichtigkeit und auch seine Prominenten sparte Pröse nicht aus: Ob Heinz-Rudolf Kunze selbst, Udo Lindenberg oder Hans-Dietrich Genscher - auch sie hatten Tief- und Wendepunkte, von denen der Autor einfühlsam berichtete. Pröse freute sich auch sehr, wieder in seiner alten Heimat, dem Ruhrgebiet zu sein. Er bewies Lokalkenntnis, etwa rund um Rio Reiser wie auch dessen Bruder.

Zahlreiche Gespräche und Autogramm-Wünsche schlossen sich an die Lesung an.
Zahlreiche Gespräche und Autogramm-Wünsche schlossen sich an die Lesung an. © Peter Körtling

Er beantwortete gerne die Fragen der Besucher: Mit den emotionalen Lasten dieser Gespräche käme er deshalb gut zurecht, da er als Journalist die Kraft dahinter sehe und stets auf ein Happy End hinsteuere. Nach den Gemeinsamkeiten so verschiedener Protagonisten gefragt, kam er auf den Moment des „Untenseins“: „Wenn Du alles verloren hast, dann bist Du ganz nah bei Dir selbst und erfährst, welche Kraft in dir steckt“ so Pröse. Mit dem langen Applaus war noch nicht Schluss, denn zahlreiche Autogrammwünsche und Gespräche schlossen sich an.

Tim Pröse - „Der Tag, der mein Leben veränderte“

ISBN 978-3-453-21827-7 Heyne-Verlag, 253 Seiten, 20 Euro

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