
Am späten Montagabend stand ich mit einer Kollegin vor der roten Fußgängerampel am Ostring. Meilenweit war kein Auto in Sicht. Wir schauten uns kurz an und gingen gemeinsam stumm über die Straße. Bei Rot!
Ich gestehe an dieser Stelle noch mehr: Auch bei helllichtem Tag bin ich schon mehrfach an mitunter verkehrsreichen Kreuzungen über rote Fußgängerampeln spaziert. Nämlich dann, wenn bei einwandfreier Sicht von wirklich gar keiner Seite auch nur am Horizont ein motorisiertes Verkehrsmittel in Sicht war. (Sollten Ordnungsbehörden mitlesen: Sämtliche Verstöße sind verjährt.)
Gesunder Menschenverstand über dem Gesetz
Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich bei diesen Gelegenheiten meinen gesunden Menschenverstand und mein nicht eingeschränktes Urteilsvermögen (in keinem der Fälle war ich nach meiner Erinnerung alkoholisiert) über das Gesetz gestellt habe. Wichtig zu erwähnen: Selbstverständlich achte ich darauf, dass mich bei diesen Vergehen keine Kinder beobachten und es meinem schlechten Vorbild gleichtun könnten. Sie müssen erst noch lernen: An Verkehrsregeln muss man sich halten! (Fast immer.)
Das Warten an der roten Fußgängerampel bei Nacht und autoleerer Straße ist dem nächtlichen Radfahrverbot in Unnas Fußgängerzone recht ähnlich. Als Radfahrer, der keine Zeit verlieren will, steige ich nicht ab, weil ich mir sage: Was soll denn, bitteschön, Gefährliches geschehen montags zu nachtschlafender Zeit in der Fußgängerzone in Klein-Unna?
Auch hier wird der gesunde Menschenverstand über das Gesetz gestellt. So zu handeln ist menschlich. Und dennoch sehe ich einen tieferen Sinn hinter manchen absurd erscheinenden Regeln des Straßenverkehrs.
Vertrauen im Straßenverkehr schafft Sicherheit
Im deutschen Straßenverkehrsrecht gilt der Vertrauensgrundsatz. Mein liebstes Beispiel für dieses Prinzip ist: Man kann und darf sich bei uns darauf verlassen, dass Autos vor einem Zebrastreifen anhalten, wenn Fußgänger dort warten. (Zumindest ist mir Gegenteiliges noch nicht passiert.) Vertrauen Sie darauf besser nicht in Paris – dort scheinen Autofahrer Zebrastreifen für Kunst im öffentlichen Raum zu halten, aber nicht als verkehrsrechtliches Gebot zu verstehen.
Nur belastbares Vertrauen im Straßenverkehr – ob von Radfahrer zu Autofahrer oder Fußgänger zu Radfahrer – kann aber Sicherheit auch für schwächere Verkehrsteilnehmer schaffen. Selbst in tiefer Nacht kann der rasende Radfahrer unverhofft einen Passanten in der Fußgängerzone übersehen. Damit sollte ich als Fußgänger aber nicht rechnen müssen, solange es das Nachtfahrverbot gibt.