Den Start in das neue Jahr hatten sich die Einwohner des Hortensienweges in Königsborn vermutlich anders vorgestellt: aufgrund von plötzlich auftretenden Gebäudeschäden in Form von Rissen in der Fassade und Absackungen im Boden mussten am 30. Dezember 37 Anwohner ihre Häuser verlassen. Während die meisten Anwohner wieder zurück in ihre Häuser konnten, blieb dies den Anwohnern von zwei Häusern bisher verwehrt.
Laut einer Mitteilung der Stadt Unna vom 2. Januar wurde den Anwohnern der beiden betroffenen Gebäude durch die Untere Bauaufsichtsbehörde ein Betreten der Häuser verboten, „da eine Gefahr für Leib und Leben nicht auszuschließen“ sei. Weiter heißt es, die Untere Bauaufsichtsbehörde stehe mit den Bewohnern der betroffenen Gebäude in einem „engen Austausch zum weiteren Vorgehen“. Doch von diesem Austausch hat Alexander Krawczyk bisher wenig mitbekommen. Seit dem 30. Dezember konnte der alleinerziehende Vater von zwei Kindern nicht mehr in sein Haus – ob es jemals wieder bewohnbar sein wird, weiß er derzeit nicht.

„Heute konnte ich zum ersten Mal mit der Bauaufsicht sprechen. Davor habe ich niemanden erreicht und es hat sich auch niemand bei mir gemeldet“, so Krawczyk. Umso ärgerlicher findet er die Behauptung der Stadt Unna, sie würde eng mit ihm im Kontakt stehen. Selbst bei der eigens für die Problematik eingerichteten Notfallnummer kam er nicht durch.
Erst am Dienstagnachmittag meldete sich dann Bürgermeister Dirk Wigant persönlich bei ihm. Doch eine Lösung habe es von keiner Seite gegeben. Die Bauaufsicht teilte ihm mit, sollte er das Haus betreten wollen, müsse er zuerst einen Sachverständigen bestellen, der sich das Haus ansehe – auf eigene Kosten. Der Bürgermeister wies darauf hin, dass die Stadt ihr Möglichstes tun werde, ihre Verantwortung aber liege bei der Straße und weniger bei Krawczyks Haus. Zusätzlich müsse immer noch ein geologisches Gutachten abgewartet werden, um die Ursache der Risse ermitteln zu können.
Risse im Gemäuer traten seit Jahren auf
Und so steht Krawczyk auch im neuen Jahr vor dem Absperrband, das sein Haus seit dem 30. Dezember von allen Seiten umgibt. Prüfend blickt er von da aus auf die Fassade, ob in der Zeit seiner Abwesenheit neue Risse hinzugekommen sind – denn mit diesen begann alles.
Am 30. Dezember entdeckte er morgens um 10 Uhr zufällig an der Fassade einen großen Riss. An sich seien die Risse in dem Haus keine Sonderheit – immer wieder kämpfe er gegen diese seit 2020 an. Doch dieser Riss war nicht mal eben zugespachtelt. Schlimmer noch: Der Riss wurde immer größer.

Besorgt von der Entwicklung, rief Krawczyk die Feuerwehr. Diese kam gegen 13 Uhr, doch konnte nichts tun und verwies lediglich an das Technische Hilfswerk (THW), das eine Stunde später auch kam. Doch selbst das THW war ratlos und orderte eine Geologin aus Bochum herbei. Noch bevor diese eintraf, stellten auch andere Anwohner Risse an ihren Fassaden fest, die tags zuvor noch nicht da waren. Eine Entwicklung, die nicht nur die Geologin beunruhigte. „Plötzlich hieß es, wir müssten das Nötigste packen und schnell aus den Häusern raus – wir hatten vielleicht zehn Minuten“, wie sich Krawczyk mit bebender Stimme erinnert.
Während sein neunjähriger Sohn und er selbst in aller Eile das Nötigste zusammenpackten, war seine zwölfjährige Tochter in Dortmund, um sich Festtagskleidung für Silvester zu kaufen. „Das ist das Einzige, was meine Tochter momentan an Kleidung hat“, erzählt der zweifache Vater. In der Eile habe er ihr keine Kleidung einpacken können und selbst für derlei Notfälle sei das Betreten des Hauses nicht gestattet worden.
Die Ursache ist bisher noch unklar
Immerhin musste sich Familie Krawczyk keine Sorgen um eine Unterkunft machen – zumindest bisher. Das neue Jahr feierte die Familie bei der Freundin des Vaters. Allerdings lebt diese in einer anderen Stadt, ihre Wohnung ist nicht für drei weitere Personen ausgerichtet und sobald die Schule wieder beginnt auch schlicht zu weit von der Schule der Kinder entfernt. Wie es weitergehen soll, weiß Krawczyk bisher nicht.
Zusätzlich sei derzeit auch noch unklar, ob und was die Versicherung der Krawczyks zahlen wird. Denn einen solchen Fall gab es zuvor noch nie und genauso wie Unklarheit über die zukünftige Wohnsituation der Krawczyks besteht, sei auch noch unklar, was überhaupt zu den Rissen geführt hat.

Zahlreiche mögliche Ursachen werden erforscht. Möglichkeiten gibt es viele. Vermutet wird, dass der generell hohe Grundwasserspiegel in Königsborn in Kombination mit den starken Regenfällen Schuld sein könnten. Doch sicher ist sich bisher niemand. Und so durchforsten Mitarbeiter der Stadtbetriebe mit zahlreichen Geräten die Kanalisation unter dem Hortensienweg. Gefunden werden konnte erstmal nichts.
Die Anwohnenden bleiben genauso wie die Stadt weiterhin ratlos. Damit bleibt auch unklar, ob das Schicksal der Krawczyks noch anderen Familien im Hortensienweg bevorstehen könnte.