Die Partnerschaft mit der CDU sei „kein Exklusivclub“, weshalb die Grüne Ratsfraktion „das Gespräch in alle demokratischen Richtungen“ suche – das ist eine kalte Dusche für die Union, die sich über zweieinhalb Jahre der schwarzgrünen Projektpartnerschaft hinweg als der treuere der beiden Partner erwiesen hat. Unnas Bündnisgrünen propagieren in politischer Hinsicht die offene Ehe, wollen das Bündnis mit der CDU zwar fortsetzen, sich gerne aber auch den Beistand anderer Fraktionen sichern. Aber wofür eigentlich?
Wer sich mit der Kräfteverteilung im Unnaer Stadtrat befasst, findet eine nahe liegende Antwort: Weil Schwarz und Grün gemeinsam eine Mehrheit haben, braucht es den neuen Partner erst dann, wenn der alte die Gefolgschaft verweigert. Augenscheinlich kriselt es wohl zwischen den Projektpartnern.
Der Umgang ist weniger zärtlich zwischen CDU und Bündnisgrünen
Das kommt nicht allzu überraschend angesichts manch einer Beobachtung aus den zurückliegenden Wochen. Der schroffe Ton, mit dem die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Claudia Keuchel zuletzt im Rat Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) über den Mund gefahren ist, hatte auch in der Fraktion der Christdemokraten große Augen verursacht. Dass CDU-Fraktionschef Rudolf Fröhlich danach Keuchel öffentlich als „manchmal etwas spontan“ beschrieb, was man aber „nicht überbewerten“ dürfe, ist eine Art von Beschwichtigung, die links von der CDU schon als fast Chauvinismus wahrgenommen wird.
Mehr Grund zum Ausscheren hätte eigentlich die CDU
Eher überraschend ist, dass nun als erstes die Grünen aus der Zweckehe mit der Union ausscheren wollen. Denn mehr Grund zur Unzufriedenheit hätten eigentlich Anhänger der CDU.
Fälle, in denen die Christdemokraten gegen ein Anliegen der Grünen gestimmt haben, sind seltener als das Gegenteil. So setzte die Union zuletzt etwa die „Kampfhundesteuer“ durch, während sich Claudia Keuchel allein das „Wording“ verbat. Rebellion à la CDU sieht so aus, dass sie zwar das Verteuern von Parkplätzen mitträgt, aber statt der fünf Euro pro Stunde, die einige Grüne im Sinn hatten, nur 2,50 Euro billigt. Ansonsten betätigt sich Unnas CDU-Fraktion seit zweieinhalb Jahren als treuer Mehrheitsbeschaffer für die grüne Politik. Das sagen sogar die Grünen selbst.

Derweil haben die Grünen der CDU durchaus die ein oder andere Kröte zu schlucken gegeben. Kein sicheres Ja für einen CDU-Beigeordneten Stephan Pfeffer. Lautes Stopp-Signal, als der Bürgermeister Zweifel an einer Freibadoption für Massen oder die Frage nach ein paar Anwohnerparkplätzen auf dem Reallabor-Gelände an der Schulstraße andeutete. Direkte Opposition beim umstrittenen Bauvorhaben in Kessebüren. Eine scharfe Abrechnung mit dem Einkaufszentrum Neue Mühle, das der Bürgermeister so vehement verteidigt hatte. Es mag für die unerschütterliche Treue der Christdemokraten sprechen, dass sie solche Dinge einfach schlucken. Oder dafür, dass die schwarzgrüne Partnerschaft keine auf Augenhöhe ist.
Alternative Mehrheiten gibt es für Unnas Grüne nur mit der SPD
Wer sich mit der Kräfteverteilung im Unnaer Stadtrat befasst, bei dem kommt nun allerdings auch eine neue Frage auf: Mit wem wollen es die Grünen denn überhaupt versuchen, wenn es nicht mehr allein die CDU sein soll? Die einzig logische Antwort ist nämlich keine allzu realistische.
Der Rat der Stadt Unna besteht aus 48 Ratsleuten und dem ebenfalls stimmberechtigten Bürgermeister. Eine Mehrheit braucht also mindestens 25 Stimmen, wenn niemand fehlt. Die Fraktion der Bündnisgrünen hat 13 Mitglieder, die der CDU mit Bürgermeister Dirk Wigant zusammen 13, die SPD 13 und alle anderen zusammen gerade einmal zehn. Das bedeutet: Mehrheiten im Rat der Stadt Unna brauchen zwingend den Zusammenschluss von zwei der drei Großfraktionen. Ohne einen der „Großen“ als Partner könnten die Grünen sogar WfU, FLU, FDP sowie die Einzelratsmitglieder von Linke und – wenn er mal käme – FW hinter sich bringen, ohne dass es ihnen nützen würde.

„Hallo, liebe SPD“ also? Danach sieht es nicht gerade aus. In der jüngeren Vergangenheit waren SPD und Grüne wie Katz und Maus in wechselnden Rollen.
Das fing bereits während der Wahl an, als eine auf Platz 3 ausgeschiedene Bürgermeisterkandidatin Claudia Keuchel für die Stichwahl eine nicht gerade erwartete Wahlempfehlung für CDU-Mann Dirk Wigant aussprach, der am Ende tatsächlich knapp vor SPD-Kandidatin Katja Schuon landete.
Später gab es eine Reihe von schwarzgrünen Entscheidungen, die wiederum die SPD als Retourkutsche empfand. Die Wechsel von Kämmerer Achim Thomae nach Dinslaken und vom Ersten und Technischen Beigeordneten Jens Toschläger nach Bergkamen wurden von der SPD so gedeutet, dass zwei starke Fachleute aus parteipolitischen Motiven so sehr zermürbt wurden, dass sie sich umorientierten. Die Idee, dass die Grünen nach dieser gemeinsamen Vorgeschichte einfach beim roten Nachbarn klopfen müssten, um ihn für eine gemeinsame Zukunft zu gewinnen, hat eine Schwachstelle: Die Antwort könnte „Nein“ lauten.
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