
Papatastisch-Autor Thomas Raulf schwelgt in Erinnerungen. Diese Hörspielkassetten waren Teil seiner Kindheit. Die Zeit ist vorbei. Heute holt Alexa Benjamin Blümchen oder TKKG aus dem Online-Universum. © Raulf
Alexa! Kannst du auch was Sinnvolles?
Kolumne Papatastisch
Unsere Familie schätzt die Fähigkeiten der Spracherkennung. Minicomputer dudeln uns vor, was wir hören wollen. Aber von der Romantik der Hörspielkassetten hat Alexa keine Ahnung.
Es gibt Dinge, gegen die sperren wir uns länger, dann ergeben wir uns doch. Smartphones hatten wir so ziemlich als letzte Menschen in der zivilisierten Welt, eine Spielkonsole für die Kinder konnten wir auch lange hinauszögern. Und dieses neue Internet-Dingen, mit dem man sprechen kann: Brauchen wir nicht! Das ist lange her. Inzwischen haben wir es natürlich doch. Das Versandhaus, das auf dem Weg zur Weltmacht ist, hat mal wieder gewonnen.
„Alexa“ löst das große Rätsel meiner Kindheit
Ich muss sagen, wir haben die kleinen, runden Spracherkenner sehr schnell schätzen gelernt. Als Lockdown war oder Quarantäne – mitunter fiel auch beides zusammen – hatten die Kinder immer etwas, das ein wenig Langeweile vertreiben konnte.
Ob „Teufelskicker“, „Drei Fragezeichen“ oder „Fünf Freunde“ – wenn sie diese unzähligen Hörspielstunden auf CD gehört hätten, hätten wir ein Vermögen bezahlt. Das Süße ist, dass mitunter vier Kinder gemeinsam derselben spannenden Geschichte lauschen, obwohl der Jüngste acht und der Älteste 14 ist.

Ab und zu würde ich Alexa gern in einem Bällebad versenken. Aber wahrscheinlich würde sie irgendjemand aus meiner Familie retten. © Udo Hennes
Ich selbst habe sogar einen Teil meiner Kindheit mit Hilfe von „Alexa“ endlich abgeschlossen. Ich habe in den 1980er-Jahren eine Abenteuerkassette bestimmt tausend Mal gehört: „Der schwarze Bumerang“ hat mich gefesselt, dabei hatte ich ein damals unlösbares Problem: Von dem Dreiteiler besaß ich nur Episode 2. Jetzt, mit Anfang 40, habe ich endlich erfahren, wie dieses tolle Abenteuer begann und wie es endet – dank Alexa.
„Alexa: Ruhe jetzt!“
Gute Rockmusik kennt das Teil zum Glück auch, man muss es ihm nur ordentlich erklären. Was gut ist, sehen die Kinder allerdings meist anders. „Spiele Gute-Laune-Pop.“ Wie oft habe ich diesen Satz aus dem Munde meiner jüngeren Tochter schon gehört? Und meist noch diesen hinterher, mit furchtbaren Folgen für den häuslichen Frieden: „Wiederhole diesen Song.“
Beim Malen, beim Basteln, beim Spielen mit der Freundin, beim Duschen: Das Gedudel geht immer. Bei den Hausaufgaben...? Moment mal. „Nicht dein Ernst“, sage ich und mache kurzen Prozess. Stecker raus und Ruhe.
Wie bei allem, was online flimmert, ist die Gefahr groß, dass es allgegenwärtig wird. Da muss man schon aufpassen. Nein, wir brauchen Alexa nicht bei den Mahlzeiten, Kinder. Wir können einfach nur essen und uns unterhalten. Und wir benutzen „Alexa“ bitte nicht für Recherchezwecke. Es mag verlockend sein, das Gerät nach Vokabeln, nach der Weimarer Republik oder nach Mathe-Formeln zu fragen.
Aber die Wahrscheinlichkeit, dass absoluter Blödsinn herauskommt, ist hoch. Außerdem finde ich: In einem Buch blättern mag altmodisch sein, aber es ist eine Kulturtechnik, die sich lohnt.
Der Apparat könnte auch mal Sinnvolles tun
Übrigens: So richtig smart nutzen wir die dudelnden Dosen gar nicht. Beim Kuchenbacken könnten wir Alexa einen Timer einstellen lassen. Ich weiß, sie könnte das. Stattdessen schauen wir einfach auf die Uhr. Und wenn mein Sohn mir morgens zumault, er könne ja nicht pünktlich wach werden, sein Wecker sei schließlich kaputt, dann entgegne ich: „Wenn Alexa sowieso ständig an ist, dann lass sie doch auch mal was Sinnvolles tun: dich wecken.“
Zum Schluss muss ich noch einmal „von früher“ anfangen, ich erinnere mich nämlich gerade an die Hörspielserien, die meine Kindheit begleiteten. Ich holte die Folgen nicht aus dem unendlichen Web-Universum (das gab es nämlich noch nicht), sondern geradezu umständlich aus einem kleinen Kassettenkoffer (den gab es mal vom Christkind).
Wenn eine Kassette an Bandsalat verendete, war ich traurig, wenn ich eine neue geschenkt bekam, war ich glücklich. „Alexa, war das nicht eine schöne Zeit?“ Ach, was weißt du schon? Es war papatastisch!
Jahrgang 1979, stammt aus dem Grenzgebiet Ruhr-Sauerland-Börde. Verheiratet und vierfacher Vater. Mag am Lokaljournalismus die Vielfalt der Themen und Begegnung mit Menschen. Liest immer noch gerne Zeitung auf Papier.
