Es dürften gut zehn Meter sein bis zum Boden. Zehn Meter glatt verputzte Betonwand, senkrecht hinab gleich neben ihnen. Für zwei junge Leute schien dies der geeignete Pausenplatz zu sein: Entspannt saßen sie auf der Brüstung von Parkdeck 1 der Neuen Mühle Bremme, rauchten, redeten, genossen ihren Platz am Abgrund.
Eine Frau aus Unna schreckte dieser Anblick derart auf, dass sie Alarm schlagen will. Durch die Scheibe des Linienbusses, in dem sie gerade unterwegs war, dokumentierte sie die Szene mit einem Foto, das sie zur Unkenntlichmachung der jungen Leute leicht retuschiert an die Zeitung schickte: „Könnten Sie das dem Besitzer weiterleiten?“, fragt sie.
Die jungen Leute sitzen tatsächlich direkt am Abgrund. Würden sie dort ins Straucheln geraten, hielte sie bestenfalls ein dünnes Netz, das aber eigentlich dafür gedacht ist, den Einflug von Vögeln ins Parkhaus zu verhindern. Die dünnen Stränge dieses Netzes und die einfachen Halterungen wirken nicht so, als ob das Netz das Gewicht eines Menschen tragen könnte. Und tatsächlich ist es ein Jahr nach der Eröffnung des Einkaufszentrums bereits an einigen Stellen gerissen.

Die Pause in schwindliger Höhe, die nun aus dem Bus heraus fotografiert wurde, war offenbar kein Einzelfall. „Dieses Thema ist bei uns bekannt“, erklärt Michelle Eckmann von den Wirtschaftsbetrieben Unna, die den Betrieb des Parkhauses übernommen haben. „Unsere Mitarbeiter haben bereits des Öfteren die Jugendlichen angesprochen und auf die Gefahren hingewiesen. Leider gibt es immer wieder Jugendliche, welche sich leichtsinnig auf die Balustraden setzen oder hinstellen.“
Ansätze, diesen Irrsinn zu unterbinden, liegen nicht gerade auf der Hand. Dem Bauherren ist zunächst kein Vorwurf zu machen. Auf den Brüstungen fehlt nicht etwa eine Absturzsicherung, denn sie sind ja die Absturzsicherung. „Die angesprochene Brüstung entspricht den baurechtlichen Vorschriften“, bestätigt auch Unnas Stadtverwaltung auf Nachfrage. Sie mutwillig zu überklettern muss letztlich als individuelles Verhalten derjenigen erklärt werden, die das tun.
Jedes Eingreifen dagegen wäre ein zusätzlicher und freiwilliger Aufwand von jemandem, der sich dazu berufen fühlt. Und die Wirtschaftsbetriebe lehnen dies ab. „Unser Kerngeschäft ist die Bewirtschaftung von Parkflächen. Um das zu verhindern, wäre eine 24-Stunden-Überwachung der Jugendlichen notwendig. Dies ist nicht Teil unserer Aufgabe. Man muss jedoch auch ganz klar sagen, dass man für solche leichtsinnigen Aktionen keine hundertprozentige Sicherheit ermöglichen kann“, erklärt WBU-Sprecherin Michelle Eckmann.
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