Der Kondensatorhersteller Westermann („Wima“) will seine Anlagenkapazitäten ausweiten und seine Produktion auf den Drei-Schicht-Betrieb umstellen. Klagen am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen greifen eine Genehmigung an, die die Bezirksregierung ausgestellt hat, treffen dabei aber auch den zugrunde liegenden Bebauungsplan der Stadt Unna, der nach Ansicht der Kläger nicht korrekt aufgestellt worden und daher nichtig sei.
Für ihre Kritik am Bebauungsplan „Rosenweg“ können die Kläger einen wichtigen Fürsprecher aufbieten, wie nun aus den Verfahrensunterlagen ersichtlich wird: die Stadt selbst. Offenkundig ist der Bebauungsplan auch verwaltungsintern kontrovers diskutiert worden – allerdings nicht in jüngerer Vergangenheit, sondern schon in den 1960er-Jahren.
1969 schlug das Rechtsamt im Rathaus Alarm
Vergilbte und augenscheinlich noch mit der mechanischen Schreibmaschine getippte Seiten belegen einen Briefwechsel zwischen dem Rechtsamt der Stadt Unna und dem Bauamt. Streitgegenstand: der Bebauungsplan „Rosenweg“ und etwaige Verfahrensfehler bei seiner Aufstellung. Auch 55 Jahre später könnte die Korrespondenz Zündstoff enthalten, der für die aktuellen Klagen am Verwaltungsgericht eine Rolle spielt.

Fast ein Orakel: „Vermeidung späterer Schwierigkeiten“
Seinerzeit meldete das Rechtsamt der Stadt erhebliche Bedenken an der Gültigkeit des damals gerade aufgestellten Bebauungsplanes an. Die Juristen aus dem Rathaus wiesen auf einen Formfehler hin, der „zur Nichtigkeit des Planes führen“ könne. Sie empfahlen den Kollegen im Bauamt, die Aufstellung jenes Bebauungsplanes „zur Vermeidung späterer Schwierigkeiten zu wiederholen“.
Neuer B-Plan, aber wo eigentlich?
Jener Verfahrensfehler ist demnach bei der Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgt. Vorschriftsgemäß hatte die Stadt den Entwurf des Planes ausgelegt, auf dass betroffene Anlieger und andere Interessierte Einsicht nehmen und dazu Stellung nehmen konnten. In der öffentlichen Bekanntmachung dieser Auslegung hatte die Stadt aber keine Information dazu gegeben, für welches Gebiet der Bebauungsplan „Rosenweg“ eigentlich gelten solle.

Die Argumentation des Rechtsamtes dazu im Jahr 1969: „Die Auslegung von Plänen hat nur dann einen Sinn, wenn sichergestellt ist, daß alle Betroffenen die Pläne einsehen können. Dieses ist aber nur möglich, wenn sie wissen, daß ein ihre Belange berührender Plan aufgestellt ist. Aus diesem Grunde muß in allen Bekanntmachungen der Bereich des Bebauungsplanes genau umschrieben werden.“
Bauamt konterte: Den Bürger erreicht es ohnehin nicht
Das Bauamt allerdings hat sich von den Einwänden der Rathaus-Juristen nicht überzeugen lassen. Eine Antwort auf zitiertes Schreiben aus dem Februar 1969 geht an den Argumenten der Kollegen regelrecht vorbei: Der Auffassung, dass es Bürger zur Kenntnis bekommen müssten, wenn sie von der Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes betroffen sind, sei zwar „unbedingt zuzustimmen“, räumt das Bauamt seinerzeit schriftlich ein.
Zugleich aber merkt es an, dass dies ungeachtet der Frage, ob man nun für den „Rosenweg“ einen Geltungsbereich kommuniziert habe, aus einem anderen Grund nicht der Fall sei: „Daß die Betroffenen nicht nur beim Bebauungsplan 9 – Rosenweg – sondern überhaupt nichts von der Offenlegung der Bebauungspläne erfahren, liegt aber vor allem an der Hauptsatzung der Stadt Unna, die die Veröffentlichung der Auslegung nur im Amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landkreises Unna vorsieht“, schrieben die Baufachleute seinerzeit dem Rechtsamt zurück.

Und weiter: „Dieses Exklusiv-Blättchen wird kaum von einem Bürger gelesen, so daß die Beschreibung des Bereiches des betreffenden Bebauungsplanes mir in diesem Falle unerheblich erscheint. Es scheint dringend geboten, die exklusive und undemokratische Veröffentlichungspraxis der Satzung zu ändern. Zumindest für Bekanntmachungen, Bebauungspläne betreffend, müßte die Veröffentlichung zusätzlich in den drei Tageszeitungen erfolgen.“
Heute ein Hinweis für das Gerichtsverfahren?
Konsequenz der Debatte war seinerzeit, dass die öffentliche Auslegung des Bebauungsplanes nicht wiederholt wurde. Der Plan trat in Kraft, war über 55 Jahre hinweg die Grundlage für die Erteilung mehrerer Baugenehmigungen.
Sollten die damals aufgezeigten Kritikpunkte heute dazu führen, dass der Bebauungsplan für unwirksam erklärt wird, wären möglicherweise auch Baumaßnahmen aus der Vergangenheit zu prüfen.