„Kein Schutz vor Gewalt“ Vorwürfe gegen Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge wie in Unna

Kein Schutz vor Gewalt: Vorwürfe gegen Erstaufnahmeeinrichtungen
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Die für die EAE zuständige Bezirksregierung in Arnsberg

Die Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) für Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen sehen sich massiver Kritik ausgesetzt. Nach Ansicht der Freien Wohlfahrtspflege NRW und des Flüchtlingsrates NRW werden gesetzliche Mindeststandards missachtet. So seien grundlegende Bedürfnisse wie Schutz vor Gewalt in den Einrichtungen unter anderem in Unna-Massen oftmals nicht sichergestellt, kritisierte die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW, Birgit Naujoks.

Die EAE in Massen ist eine von fünf Unterkünften des Landes NRW. Die übrigen Einrichtungen befinden sich in Bielefeld, Essen, Mönchengladbach sowie Köln/Bonn. Die EAE sind die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in Deutschland. Im Schnitt bleiben Flüchtlinge bis zu zwölf Tage in Massen, ehe sie verlegt werden.

Michael Mommer, Birgit Naujoks und Eva van Keuk sitzen an einem Tisch.
Michael Mommer, Vorsitzender Arbeitsausschuss Migration der Freien Wohlfahrtspflege NRW, Birgit Naujoks (Mitte), Geschäftsführerin Flüchtlingsrat NRW, und Eva van Keuk, Psychotherapeutin, haben in Düsseldorf die Situation in den Flüchtlingsunterkünften kritisiert. © picture alliance/dpa

Tatsächlich hatte es in der Massener Einrichtung zuletzt mehrere Vorfälle gegeben: Im August rückten Polizeikräfte aus dem gesamten Kreis Unna dorthin aus. Eine Gruppe von bis zu 30 Personen ging mit Stöcken und Stühlen aufeinander los. Dabei gab es mehrere Verletzte.

Dass aus Konflikten Massenschlägereien werden, kommt in Massen immer wieder vor. Im Oktober folgte ein Brand mit zahlreichen Verletzten. Schnell hatten die Ermittler als Ursache Brandstiftung ausgemacht. Die zunächst festgenommen Männer sind wieder auf freiem Fuß, aber weiter tatverdächtig.

Die Freie Wohlfahrtspflege und der Flüchtlingsrat fordern nun ein Konzept zur menschenwürdigen Unterbringung und Integration Geflüchteter.

Menschen fehlt ein „sicherer Rückzugsort“

Die Menschen seien oftmals auf engstem Raum ohne abschließbare Türen untergebracht, sagte Naujoks. „Das Fehlen eines sicheren Rückzugsortes macht viele Menschen mürbe und krank.“ Vor allem Frauen mit Gewalterfahrungen oder traumatisierte Menschen litten unter den Lebensbedingungen.

Die Unterkünfte erfüllten häufig weder die Anforderungen des Landesgewaltschutzkonzepts noch die Vorgaben der EU-Asylverfahrensrichtlinie oder UN-Kinderrechtskonvention, sagte Naujoks. Es mangele an Sprachkursen und Beschäftigungsangeboten sowie dem direkten Zugang zu Ärzten.

Auch gebe es keine systematische Früherkennung und angemessene Behandlung traumatisierter Flüchtlinge, erklärte Eva van Keuk, Psychotherapeutin im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf. Traumatisierte Menschen hätten mit entsprechender Therapie sehr gute Heilungschancen. „Dazu braucht es aber menschenwürdige Bedingungen und ein Gefühl von Schutz.“ Zwar gebe es in den Landesunterkünften eine psychosoziale Erstberatung. Diese scheitere aber oft daran, dass es zu wenig Mittel für Dolmetscher gebe oder die Unterkünfte überfüllt seien.

Bezirksregierung reagiert auf die Vorfälle

Die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg weist die Vorwürfe zurück. „Das Landesgewaltschutzkonzept wird in der EAE Unna eingehalten“, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion von Pressesprecher Christoph Söbbeler.

Nach den Vorfällen der vergangenen Monate sahen sich die Verantwortlichen anscheinend trotzdem zum Handeln gezwungen: Zum einen werde „zusätzliches Sicherheitspersonal und Betreuungspersonal eingesetzt“, zum anderen sei das „Beleuchtungskonzept ausgebaut“ worden.

Auch zu Früherkennung und Behandlung traumatisierter Flüchtlinge nimmt Söbbeler Stellung. „Während der körperlichen Erstuntersuchung wird auch auf Traumata geachtet. Außerdem haben alle Betreuungsdienstmitarbeiter eine Schulung in der Erkennung von Traumata, sodass traumatisierte Personen, wenn nötig, eine Behandlung erhalten.“