Es sei ein Preis, der von Menschen verliehen wird, die wissen, wovon sie reden, stellte Donna Leon fest. Schließlich sei sie, obwohl sie mit Commissario Brunetti einen der beliebtesten Ermittler erschaffen hat, zum Krimi gekommen wie die Jungfrau zum Kind, während die Veranstalter von Mord am Hellweg-Krimi-Festivals zweifelsfrei ausgewiesene Experten der Materie seien.
Das Festival und der damit verbundene Ripper Award seien unter Krimiautoren durchaus eine Hausnummer. Sie schätze es aber vor allem dafür, dass es Menschen zum Lesen motiviert. „Ich denke alles, was Leute dazu bringt zu lesen, ist eine gute Sache. Und ich bin kein Snob, wenn es darum geht, was die Leute lesen sollen. Ich denke, dass der Akt des Lesens, und ich rede hier von Fiktion, den Geist der Leute dafür öffnet, wie andere Leute so sind.“ Sie selbst brachte die Preisverleihung zum dritten Mal nach Unna.

Nicht „wer?“ sondern „warum?“
Millionen Leserinnen und Leser hat Donna Leon in ihren Romanen rund um Commissario Brunetti auf eine Reise in ihr Venedig mitgenommen. Die Lagunenstadt war Jahrzehnte lang die Wahlheimat der gebürtigen Amerikanerin.
Es sei die einzige Stadt gewesen, über die sie überhaupt je hätte schreiben können, schließlich habe sie nur hier lange genug gelebt habe, um die Menschen dort kennenzulernen. Und genau darum ginge es ihr beim Schreiben. „Ich denke, es ist essenziell für uns als Menschen, zumindest ein bisschen neugierig anderen Leuten gegenüber zu sein. Und der einfachste Weg dazu ist, zu lesen.“
Wer der Mörder war, sei ihr im Zweifel gar nicht so wichtig. Es gehe ihr viel mehr darum, warum die Tat begangen wurde, was einen Menschen zum Mörder macht. Das habe sie selbst mit Brunetti gemeinsam, erzählte Donna Leon.
Zu der Preisverleihung gehörte eine Lesung, bei der Schauspielerin Annett Renneberg, die in der Verfilmung der Brunetti-Romane die Signorina Elettra Zorzi verkörperte, Kostproben aus Brunetti-Fällen ihre Stimme lieh. Darunter auch der allererste Roman, „Venezianisches Finale“ und der allerneueste, 33. Fall, „Feuerprobe“.
Dazwischen gab Donna Leon immer wieder Einblicke in ihr Schaffen. Das Schreiben hänge nicht von Inspiration ab, es sei vor allem eine harte Arbeit, aber sie habe das Glück, dass sie immer wieder auf Menschen und Situationen trifft, die sie nicht versteht und die bei ihr das Verlangen wecken, mehr darüber zu erfahren.
So sei es bei „Feuerprobe“ das Phänomen der Baby-Gangs gewesen, das sie nicht losließ. Dabei handelt es sich um Banden italienischer Teenager, die ohne Anlass Gewalt suchen. Das habe sie so fasziniert, erzählte Donna Leon, weil die Jungen in Italien normalerweise überaus wohlerzogen seien und Gewalt üblicherweise aus Leidenschaft entspringt. Dieses Verhalten sei für sie so überaus un-italienisch, stellte sie fest, weswegen sie herausfinden wollte, was dahinter steckt.
Das Publikum wusste diese Einblicke sehr zu schätzen, ebenso wie die musikalische Begleitung der Veranstaltung durch das Ensemble „NeoBarock“. Ein besonderes Geschenk an die Preisträgerin, die eine große Barock- und insbesondere Händel-Liebhaberin ist.

Der Ripper-Award
Der Ripper-Award, der Europäische Preis für Kriminalliteratur, wird seit 2003 bei „Mord am Hellweg“ vergeben. Henning Mankell, Håkan Nesser, Fred Vargas, Jussi Adler-Olsen, Sebastian Fitzek, Simon Beckett und Arne Dahl durften sich bislang über diese Auszeichnung freuen. „Donna Leon ist eine großartige Autorin, die seit über 30 Jahren den Geschmack des Publikums punktgenau trifft“, hieß es von der Jury. Der Preis ist mit 11.111 Euro dotiert. Donna Leon stiftet das Preisgeld an ein Projekt zur Förderung der Musik, das damit eine Konzertreihe ermöglicht.
