Die Stadtverwaltung will ihre Leute von Papierarbeit befreien, damit sie mehr Zeit für Wichtiges haben. Bei der Digitalisierung war man im Rathaus bisher eher auf einer kurvigen Dorfstraße unterwegs, jetzt lenkt der Verantwortliche seine Verwaltung auf die Autobahn. Dabei ergeht ein Appell an alle Bürger, der zunächst kurios erscheint: „Bitte klammern Sie nichts mehr.“
Anmeldung ohne Warteschlange
Digitalisierung ist ein allgegenwärtiges Stichwort, dessen Sinn sich nicht immer auf den ersten Blick ergibt. Ein Beispiel aus dem Alltag der Stadt Unna zeigt, wie Beamte und Bürger von der Umstellung auf ein digitales Verfahren profitieren: Die Anmeldung für Freizeitangebote des Kinder- und Jugendbüros (Kijub) in den Sommerferien erfolgte via Internet. Es habe zunächst auch Sorgen gegeben, die Stadt könne durch die Abkehr vom gewohnten Verfahren den Kontakt zu Familien verlieren, berichtet der Erste Beigeordnete Sandro Wiggerich.
Im Nachhinein habe er dann aber von Kijub-Kollegen die Rückmeldung bekommen, dass die Anmeldung gut funktioniert habe und einfach abzuwickeln gewesen sei. Eltern wiederum mussten nicht mehr wie früher am Stichtag morgens ab 7 Uhr Schlange stehen, um bei den beliebtesten Angeboten Plätze für ihre Kinder zu ergattern. „Das heißt, hier hat Digitalisierung das Niveau des Service erhöht und sie erleichtert den Kollegen die Arbeit“, resümiert Wiggerich.
Die letzte Schreibmaschine
Der Erste Beigeordnete ist im Rathaus „Chief Digital Officer“ (CDO), also verantwortlich für die Umsetzung der Digitalisierung. Die Verwaltung sei sehr unterschiedlich weit in den Prozessen, berichtet er. Es gebe bereits Abteilungen, die sich weitgehend von der Arbeit mit Papier verabschiedet haben.
Mitunter liefen Mitarbeiter aber immer noch „mit Hunderten Mappen durchs Haus“. An einer Stelle sei sogar noch die letzte Schreibmaschine der Verwaltung in Betrieb: In der Bauordnung werden damit Einträge in das Baulastenverzeichnis vorgenommen. Auch dieses soll in den digitalen Raum überführt werden.
Digitale Aktenschränke
Ein Dokumenten Management System (DMS) soll deswegen nun auch überall dort eingeführt werden, wo dies bisher nicht geschehen ist. Das bedeutet, dass alle Akten als Computerdateien in einem Netzwerk zur Verfügung stehen: allen Mitarbeitern, die Zugriff brauchen und haben dürfen. DMS ist also praktisch eine digitale Variante des Aktenschranks. Und weniger umständlich: Zugriff auf Dokumente hätten damit beispielsweise auch Mitarbeiter im Home Office.

Digital-Chef setzt Frist für Umstellung
„Wir haben da leider noch sehr große Defizite“, sagt Digital-Chef Wiggerich. Er hat für die Umstellung auf dieses System nun eine Frist vorgegeben: Abschluss bis Ende dieses Jahres. Der Zeitdruck habe auch kritische Fragen aus der Verwaltung ausgelöst, verrät Wiggerich. „Die Mitarbeiter wollen mitgenommen werden.“ Viele der insgesamt 701 Menschen seien eben gewöhnt an die Art und Weise, wie sie arbeiten.
Bürger können Aufwand und Müll vermeiden
Weg vom Papier, hin zur Datei: Das bedeutet, dass die Verwaltung alle Dokumente, die sie in Papierform erreichen, digitalisiert. Blatt für Blatt werden Unterlagen in der Poststelle im Rathaus eingescannt.
Und hier kommt das freundlich formulierte Klammer-Verbot ins Spiel: Bürger sollen darauf verzichten, Dokumente zu heften, zu tackern oder in Klarsichthüllen zu verpacken. Alles muss von Hand ausgepackt, gelöst und entklammert werden, was Aufwand und Müll erzeugt. „Um das zu vermeiden, bittet die Stadtverwaltung herzlich darum, bei Postversand die Blätter einfach lose in einen Umschlag zu legen“, schreibt die Stadt Unna in einer Veröffentlichung zum Thema.
Umbau des Serviceportals
Ideal wäre also jeder Antrag, der direkt digital eingeht. Die Stadt nennt Wohngeld, Unterhaltsvorschuss oder Gewerbeanmeldung als Beispiele, bei denen die Anträge bereits heute digital abgerufen werden können über das städtische Serviceportal (serviceportal.unna.de). Ummeldungen, Einbürgerungen oder Baugenehmigungen hingegen gibt es bislang nur auf Papier.

Nach und nach soll dies geändert werden, und auch das Serviceportal selbst werde unter Federführung von Hauptamtsleiter Marc Plattfaut überarbeitet, kündigt die Stadt an. Selbstkritisch weist Wiggerich auf Stellen hin, bei denen die alphabetische Sortierung nicht besonders nutzerfreundlich wirkt.
Wer zum Beispiel nach dem Stichwort „Pfandleihgewerbe“ sucht, muss unter „A“ suchen: „Anzeige bzw. Erlaubnis eines Pfandleihgewerbes“. Auch „Kleinfeuerungsanlagen“ sind in der Liste bei „A“ verlinkt, denn in der Logik geht es um „Aufgaben“ nach der entsprechenden Verordnung. Die Dienstleistungen sollen nun besser nach Themen sortiert werden – vom Bürger her gedacht.
Mehr Zeit für die Menschen
„Digitalisierung dient nicht dazu, Personal einzusparen“, betont Sandro Wiggerich. Vielmehr sehe sich auch die Verwaltung einem Fachkräftemangel gegenüber. „Und je mehr Aufgaben wir automatisieren, desto mehr haben Mitarbeiter die Beinfreiheit für Aufgaben, für die Menschen gebraucht werden.“ Zu diesen Aufgaben zählt er Kreatives, strategische Planung und vor allem den Bürgerkontakt. „Adoptionsvermittlung zum Beispiel ist nichts, was eine Maschine machen könnte“, sagt Wiggerich. Durch Digitalisierung sollen Mitarbeiter entlastet werden, damit sie genug Zeit haben, sich den Menschen zuzuwenden.