Integration ist oft ein Begriff mit schwammiger Bedeutung. Im Christlichen Klinikum Unna ist sie eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Das Krankenhaus beschäftigt ein Team, dessen Hauptaufgabe das „Holen“ neuer Mitarbeiter aus weit entfernten Ländern ist. Das Projekt wird ausgeweitet, denn die ersten Ergebnisse sind gut.
Integration gegen Fachkräftemangel
Migrationshintergrund ist für das Unnaer Krankenhaus schon länger eine Selbstverständlichkeit. Im Hospitalverbund sind Mitarbeiter aus 60 Nationen tätig. 15 Prozent der insgesamt 4100 Kollegen haben ausländische Pässe.
Was das Krankenhaus aber seit dem vergangenen Jahr gezielt vorantreibt, ist die Betreuung ausländischer Kollegen mit Hilfe eines eigens dafür abgestellten Teams. „Es war schon länger klar, dass wir mehr Kräfte aus anderen Ländern brauchen“, sagt Pflegedirektor Ralf Effmert. Das Projektteam war die Antwort auf die Frage, wie die Integration dieser Kräfte gelingen kann.
Neue Kräfte aus Asien und Amerika
Von den Philippinen stammen drei Pflegefachkräfte, die Anfang 2023 im CKU angefangen haben und geblieben sind. Jetzt sind zehn neue Kolleginnen und Kollegen aus Indien gekommen. Fünf von ihnen sind bereits examinierte Pflegekräfte, fünf haben ihre Ausbildung an der Pflegefachschule in Unna begonnen. Im Jahr 2025 werden neun weitere Frauen und Männer aus einem weit entfernten Land erwartet: aus Mexiko.
Im Rahmen des Integrationsprojekts wolle man vor allem Auszubildende nach Unna holen, so Effmert. Die Integration funktioniere bei jungen Leuten erfahrungsgemäß noch einfacher.

Hoher bürokratischer Aufwand
Der Aufwand ist allerdings enorm. „Es muss sehr viel organisiert werden“, sagt Julia Opitz, die gemeinsam mit Melanie Dautert für das Integrationsprojekt verantwortlich ist. Die Bewältigung der Bürokratie müsse rund ein Jahr vor dem Start der Ausbildung beginnen. Und die Erfahrung zeigt, dass immer noch mit weiteren Verzögerungen zu rechnen ist. Eine weitere angehende Auszubildende, die gerne in Unna lernen und arbeiten möchte, dürfe bisher noch nicht aus Indien ausreisen, weil sie kein Visum habe, berichtet das Projektteam.
Für alle gilt, dass sie Sprachkurse besuchen müssen, um die nötigen Zertifikate nachzuweisen. Und wer schon eine Ausbildung im Ausland absolviert hat, muss in Deutschland durch Nachschulungen Defizite ausgleichen.
Ziel: Arbeit am Patienten
Aus Deutschland heraus dürften Fachkräfte aus Ländern wie Indien angeworben werden, weil es in den Ursprungsländern nicht wie hier einen Mangel gibt, erklären Effmert und Co. In diesen Ländern gebe es aber auch eine Philosophie, die der in Deutschland sehr ähnlich sei, sagt Effmert. In Indien ebenso wie in Mexiko sei es noch üblich, dass Pflegefachkräfte „am Bett arbeiten“, nicht etwa in der Verwaltung. „Und wir wollen ja Leute, die hier mit den Patienten arbeiten“, sagt der Pflegedirektor.
Sprachliche Hürde mit Lächeln meistern
Die fünf indischen Pflegeazubis, die im Frühjahr nach Unna gekommen sind, hatten bereits in ihrer Heimat mit dem Deutschlernen begonnen und beachtliche Fortschritte gemacht. Shom Davilson Reesa spricht mit Begeisterung, weiß aber auch, dass er noch dazulernen muss. Einen älteren Herrn, dem er das Bett verstellen sollte, verstand der junge Mann zum Beispiel falsch, was wohl im Krankenzimmer anfangs zu ein wenig Turbulenzen führte. „Aber dann haben wir uns angefreundet“, berichtet der 21-Jährige.
Dass er wie seine indischen Mitschüler viel lacht und lächelt, dürfte helfen, Vertrauen aufzubauen. Und wenn Pflegeschüler Shom vom Alter erzählt, bricht das sowieso das Eis. „Die Deutschen sehen viel jünger aus als die Menschen in Indien.“ Eine etwa 80-jährige Patientin habe er auf 50 geschätzt. Sie hat sich wohl gefreut.
Neue Heimat mit Perspektive
Die fünf angehenden Krankenpfleger sind alle Anfang 20 und stammen aus einer armen südindischen Region mit wenig Perspektiven. Ihre Perspektive in Deutschland ist, hier zu bleiben. Ihre Heimat vermissen sie durchaus: ihre Familien, die sie mit ihrem Verdienst unterstützen, aber zum Beispiel auch das indische Essen, wie Azubi Jisha Selvi berichtet.
Was sie an ihrer neuen Heimat schätzen, ist unter anderem die Sicherheit. Und: „Deutschland bietet viele Möglichkeiten“, wie Ronaldo Leenmary Tomy sagt. Er könne von erfahrenen Kollegen viel lernen, ergänzt Kollege Shom Davilson Reesa. Die Praxis schult mitunter besser als die Theorie: Das gelte besonders für die Sprache.

Schwierigkeiten im Miteinander habe es bisher nicht gegeben, vielmehr seien die neuen Azubis sehr beliebt auf ihren Stationen, berichtet Effmert. Man bereue das Projekt beim CKU nicht, trotz des Aufwands. „Man muss sich schon kümmern, damit es funktioniert“, sagt der Pflegedirektor. Das „Kümmern“ betrifft nicht nur das Abarbeiten von Bürokratie. Schon lange vor der Anreise hat das Integrationsteam über regelmäßige Videocalls Kontakt und Vertrauen aufgebaut. Vor Ort sind Melanie Dautert und Julia Opitz für die Azubis ebenso ansprechbar wie für andere ausländische Mitarbeiter. Die Pflegelehrlinge, die in vom CKU gemieteten WG-Wohnungen leben, gehen zusammen in die Disco und zum Einkaufen und natürlich feierten sie auch beim Betriebsfest mit. „Sie sollen spüren, dass sie willkommen sind, nicht nur als Arbeitskräfte, sondern als Menschen“, sagt Effmert.