„Wir sind mehr!“ Psychisch Erkrankte wehren sich mit Projekt gegen Vorurteile

Von Claudia Lohmann
„Wir sind mehr“: Kontaktstelle Lichtblick präsentiert eigenes Hörspiel
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Isolation, Geldsorgen, Angst und Hilflosigkeit – die Coronapandemie war für viele sehr belastend. Auch die Menschen, die regelmäßig die Kontaktstelle „Lichtblick“ im sozialpsychiatrischen Zentrum der Caritas besuchen, litten unter den Einschränkungen.

Die psychisch Erkrankten sind vor Corona regelmäßig mit ihrem Chor aufgetreten. Durch Corona und die Masken waren plötzlich weder richtige Proben in den Räumen an der Burgstraße möglich, noch Auftritte. Doch davon wollten sie sich nicht herunterziehen lassen. Der Gruppe war schnell klar, dass sie sich nicht isolieren, sondern positiv bleiben möchte. „Wir brauchten etwas“, sagt Sozialarbeiterin Isolde Kleiner.

Schnell war dann die Idee geboren, ein Hörspiel aufzuschreiben und aufzunehmen. Ein großes Projekt also, das viel Kreativität und Konzentration von den Teilnehmern abverlangen würde. Doch die Gruppe scheute sich nicht vor solchen Hürden, sondern ging motiviert an die Sache. Mitten in der Pandemie begann in der Kontaktstelle eine kreative Phase, die die Gemeinschaft in Zeiten der Isolierung stärkte. Ein Lichtblick in düsteren Zeiten sozusagen.

Eine Frau und ein Mann sitzen in der Caritas-Kontaktstelle in Unna an einem Laptop und an einem Mischpult.
Carlo Capobianco (r.) trug mit seinem musikalischen und technischen Wissen wesentlich zum Gelingen des Projekts bei. © Henryk Brock

Professionelle Unterstützung

„Drei Leute haben am Stück geschrieben“, erklärt Kleiner zur Umsetzung des Projektes. Als das Stück stand, wurde gelesen, gelesen und gelesen. Zwei Jahre lang übte die Gruppe unter Schutzbedingungen, sich in die Figuren hineinzuversetzen und die Emotionen mit Worten herüberzubringen. Die Masken, die sie tragen mussten, machten es ihnen nicht gerade leichter.

Bei der szenischen Aufnahme des Hörspiels bekam die Kontaktstelle professionelle Unterstützung von Musik- und Hörspielproduzent Volker Sassenberg. Der Profi stellte der Caritas lebensechte Geräusche zur Verfügung, die er auch für seine eigenen Hörspiele nutzt. Einige Geräusche produzierten die psychisch Erkrankten aber auch selbst und Gruppenleiterin Isolde Kleiner steuerte selbstgeschriebene Lieder und Gesang bei.

Die Sozialarbeiterin Isolde Kleiner hält drei Hörspiel-CDs mit dem Titel "Mitten im Leben" in die Kamera.
Sozialarbeiterin Isolde Kleiner präsentiert die Hörbücher, die in der Geschäftsstelle der Caritas erworben werden können. Kleiner hat Regie geführt und eigene Lieder gesungen. © Udo Hennes

Rückblick und wichtige Botschaft

Inhaltlich handelt das Hörbuch mit dem Titel „Mitten im Leben“ von einem Thema, das nicht nur die Lichtblick-Truppe, sondern sehr viel mehr Menschen am eigenen Leib miterlebt haben: Corona. Ob Mutter und Sohn, die beide zu Hause bleiben müssen und sich dadurch annähern, der Vater, der seinem Sohn für das Homeschooling einen Laptop kaufen soll, aber aufgrund von Kurzarbeit vor finanziellen Nöten steht – oder auch die spaltende Wirkung, die das Thema Impfen auf die Gesellschaft hatte: Das Hörspiel liefert einen Rückblick, zeigt schlechte, aber auch gute Seiten der Pandemie und ist gesellschaftskritisch.

Apropos kritisch: Die psychisch Erkrankten wollen mit ihrem Projekt nicht nur Unterhaltung bieten und zum Nachdenken anregen. Sie wollen mit ihrem Hörspiel auch allen zeigen, dass sie mehr sind als ihre Erkrankung. „Oft werden die Gruppen stigmatisiert und verstecken sich eher. Das ändert sich“, freut sich Kleiner. Vor allem jüngere Generationen gingen immer offener mit psychischen Problemen um.

„Wir können Dinge, wir haben Ressourcen und wir können konzentriert an Themen arbeiten“, erklärt Kleiner für ihre Gruppe. Wer sich davon überzeugen und die Arbeit der Caritas unterstützen möchte, kann das Hörspiel als CD in der Caritas-Geschäftsstelle an der Höingstraße 5-7 kaufen. Sie kostet zehn Euro.

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