
„Wir brauchen den Dialog“, diese Feststellung von Prof. Dr. Ute Fischer ist zugleich Erkenntnis als auch Grundlage eines neuen Formates der VHS. „Das bunte Sofa“ soll Menschen mit gegensätzlichen Meinungen zum Austausch einladen und Wege erschließen, wie ein Miteinander trotz Differenzen möglich ist. Bei der Auftaktveranstaltung in der Bibliothek im Zentrum für Information und Bildung am Sonntag wurde das Konzept an der Frage „Was hat Corona mit uns gemacht?“ vielversprechend erprobt.
Es geht um Identität
Es geht um nichts geringeres als Identität, so die Feststellung. Die Pandemie habe auf eine Art in jedermanns Leben eingegriffen, wie wir es vorher nicht kannten. Einschränkungen und Zukunftsängste lösten ein Gefühl des Kontrollverlustes aus, auf das viele mit einer Ablehnung nicht nur von Politik sondern auch von Medien und Wissenschaft reagierten. Die Annahme, einer Minderheit anzugehören, die es besser weiß als die „Schlafschafe“ der Mehrheitsgesellschaft, habe geholfen das Empfinden der eigenen Selbstwirksamkeit zurückzugewinnen. Und das quer durch alle Bildungsstände und sozialen Schichten.
Auf der anderen Seite passierte derweil etwas ähnliches. Der Ton, mit dem über jene gesprochen wurde, die den Umgang mit der Pandemie hinterfragten, war auch in den Medien häufig abwertend. „Die erste große Falle ist, dass Stereotypen über den anderen gebildet werden, um sich selbst in seiner Identität zu versichern“, so Ute Fischer.
Hinter der Vertrauenskrise stecke eigentlich eine Sinnkrise, weswegen inhaltliche Argumente auch an Bedeutung verloren.
Bereitschaft zur Veränderung
Das Format ist inspiriert von Angeboten wie dem „Roten Sofa“ oder dem „Grünen Sofa“, erläuterte Klaus Koppenberg vom runden Tisch gegen Gewalt und Rassismus, der zusammen mit Ute Fischer die Unterhaltung moderierte. „Bunt“ sei das Sofa, da es darum gehe, verschiedene Standpunkte zusammenzubringen, anstatt nur einen einzelnen Blickwinkel zu beleuchten.

Und genau das gelang auch in der Unterhaltung, die dem Referat folgte. Zwar lagen die meisten der rund 20 Teilnehmenden in der Sache nahe beieinander, doch das moderierte Gespräch eröffnete viele verschiedene Perspektiven und weckte Verständnis für den Anderen. Und das sei ein wichtiger Punkt, erklärte Koppenberg: „Wir differenzieren zwischen Verständnis und Einverständnis.“ Auch wenn man die Position des anderen nicht teilt, ist es doch möglich sie nachzuvollziehen. Und auch die Meinung einer Minderheit muss im Demokratischen Prozess erst einmal gleichberechtigt angehört werden.
Der Schlüssel, stellte Soziologin Fischer fest, sei eine aufrichtige Neugier daran, was die Position des Anderen ausmacht und die Bereitschaft, sich verändern zu lassen. Das ist nicht einfach, doch am Ende sitzen alle eigentlich im gleichen Boot.
Sich die Möglichkeit zum Dialog zu erhalten, sei auch besonders wichtig, bestätigte sie die Einschätzung eines Teilnehmers, da der Klimawandel die Gesellschaft voraussichtlich vor noch größere Herausforderungen stellen wird. Die Pandemie sei praktisch der Testlauf dafür.
Forum für den Austausch
Das Bunte Sofa entspringt dem Selbstverständnis der VHS als Austauschforum. Über die Vermittlung von Wissen hinaus will man Menschen miteinander ins Gespräch bringen. Die Reihe soll vierteljährlich mit Klaus Koppenberg, Ute Fischer und wechselnden Referenten stattfinden. Bei der Veranstaltung im Februar wird Joachim Schramm von der Deutschen Friedensgesellschaft Impulse zum Thema „Frieden in Europa“ setzen.