Von der Insulinspritze bis zur Apotheken-Umschau Was Unnaer Apotheker im Notdienst erleben

Was erleben Apotheker im Notdienst? Vom Fieberzäpfchen bis zum Notfall
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Der Inhalator funktioniert nicht mehr, das Fieber steigt, das Antibiotikum fehlt: Während andere längst schlafen, beginnt für Apothekerinnen und Apotheker der Notdienst – auch in Unna. Hier stehen Menschen wie Dr. Stephanie Begrow und Dr. Christoph Kindermann auch an Feiertagen, nachts und an Wochenenden bereit, wenn es dringend wird. Doch wie erleben die Apothekerinnen und Apotheker den Notdienst?

„Richtig schlafen kann man im Notdienst nicht“, sagt Dr. Stephanie Begrow, Filialleiterin der Eulen-Apotheke. Zwar gebe es in jeder Notdienst-Apotheke ein spezielles Zimmer mit Bett, doch die Ruhe ist trügerisch. Jederzeit kann ein komplexer Fall die nächtliche Stille durchbrechen

Dr. Stephanie Begrow, Jennifer Obornik und Marion Schwalk (von links nach rechts) stehen den Patienten im Notdienst zur Verfügung. Sie stehen hinter einer Scheibe und halten Medikamente fest.
In der Eulen-Apotheke werden die Notdienste unter alle Beschäftigten aufgeteilt. Unter anderem stehen Dr. Stephanie Begrow, Jennifer Obornik und Marion Schwalk (von links nach rechts) den Patienten zur Verfügung. © privat

„In der Woche, wenn der nächste Tag kein Feiertag ist, sind die Notdienste bei uns meistens bis 0 Uhr gut besucht, danach wird es ruhiger“, erzählt Stephanie Begrow. Neben dem stetigen Kundenverkehr klingelt das Telefon häufig. Gerade während Lieferengpässen sei die Frage nach bestimmten Medikamenten enorm gestiegen. „Besorgte Mütter rufen vermehrt an. Manchmal ist es beispielsweise einfach eine Erklärung der Dosierung, weil der Beipackzettel verlegt worden ist“, sagt sie.

An Feiertagen um die 150 Kunden

Ähnlich erlebt es Dr. Christoph Kindermann, Inhaber der Mühlen-Apotheke. Beim klassischen Notdienst unter der Woche kämen abends nach Dienstschluss meistens nur ein paar Menschen pro Stunde zur Apotheke. „Die Menschen wissen, dass sie regulär am nächsten Tag wieder vorbeikommen können. An Feiertagen und sonntags besuchen uns schon um die 150 Menschen über alle Uhrzeiten hinweg“, erzählt Dr. Kindermann.

Besonders wenn so wie bei der Mühlen-Apotheke Krankenhäuser in der Nähe sind. Bei Kinderkliniken brauchen insbesondere Eltern meist für ihre Kinder Fieberzäpfchen und Antibiotika.

Welche Medikamente im Notdienst besonders gefragt sind, hängt viel von der jeweiligen Jahreszeit ab. „Allergietabletten, Medikamente beim Magen-Darm-Virus oder die Pille-Danach in Richtung Wochenende werden oft gekauft“, sagt Kindermann.

Immer wieder komme es aber vor, dass Menschen nicht wegen akuter Anliegen erscheinen – „aber für sie ist es dann in dem Moment eben ein Notfall“, berichtet er weiter. Dazu zähle beispielsweise ein abschwellendes Nasenspray, für das durchschnittlich vier bis fünf Menschen den Apotheken-Notdienst bei ihm besuchen.

Skurrile und bewegende Notdienst-Fälle

Was hingegen wirklich kein Notfall ist? „Wenn man für die ‚Apotheken Umschau' mit Fernsehprogramm mitten in der Nacht klingelt, weil vergessen wurde, die Fernsehzeitung zu kaufen“, sagt Dr. Stephanie Begrow trocken.

Aber es gibt auch andere Momente, die für sie und ihre Kolleginnen unvergessen bleiben. Sie erinnern sich noch sehr gut an die Geschichte einer älteren, panischen Dame, deren Notfall-Asthmaspray angeblich nicht mehr funktionierte. Das Problem? „Ein blaues Eisbonbon hatte sich im Mundstück verklemmt. Es war also blau in blau und die ältere Dame konnte es nicht sehen“, verrät sie. „Schnell raus geklopft und das Wochenende war gerettet“, erzählt sie schmunzelnd.

Weniger amüsant, dafür umso bewegender: der Fall einer jungen Frau, die ihr Insulin beim Umzug verloren hatte. „Wir hatten zum Glück Insulinspritzen da“, erinnert Stephanie Begrow sich.

Zwei verschiedene Packungen von der Pille-Danach liegen auf einem Tisch.
Zum Wochenende werden im Notdienst oft die Pille-Danach gekauft. © picture alliance / dpa

Langfristige Notdienst-Planung

Die Notdienste werden von der Apothekerkammer langfristig geplant – dabei entscheidet in der Regel das Zufallsprinzip. „Es wird aber schon darauf geachtet, dass die Versorgung in allen Regionen gut abgedeckt ist und nicht immer dieselbe Apotheke an den Feiertagen dran ist“, erklärt Kindermann.

„Wir kriegen aber rechtzeitig Bescheid und können notfalls auch untereinander Dienste tauschen“, sagt er. Das muss vorher bei der Apothekerkammer angemeldet werden.

In der Eulen-Apotheke, die zu den Kaiser-Apotheken gehört, würden die Notdienste unter alle Beschäftigten aufgeteilt, sagt Stephanie Begrow. Einen Dienst an Heiligabend hatte in den vergangenen Jahren zum Beispiel eine Mitarbeiterin ohne Kinder übernommen.

Familienbesuch an Heiligabend

In der Mühlen-Apotheke hatte Dr. Christoph Kindermann bislang noch keinen Notdienst an Heiligabend. „Wenn es mal so weit ist, würde ich wahrscheinlich Besuch von meiner Frau und den Kindern bekommen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Letztendlich sieht er den Notdienst als Teil seines Berufes. „Es hat seine Daseinsberechtigung. Mit den Notdiensten grenzen wir uns von Online-Apotheken ab“, sagt er klar.

Eine persönliche Erinnerung hat er trotzdem parat: Seine Cousine, ebenfalls Apothekerin, betreibt ihre Apotheke direkt am Wohnhaus. „Wir haben uns an Heiligabend öfter bei ihr getroffen, wenn sie Notdienst hatte. Dann klingelte es zwischendurch, und sie sprang kurz vom Essen auf, um jemanden zu bedienen.“