Fast 127.000 Menschen haben das Video in der Eishalle Unna mittlerweile gesehen und es werden stetig mehr. Unter dem Film von „ItsMarvn“ auf der Plattform YouTube tummeln sich zudem über 300 Kommentare. Einige Zuschauer beschreiben in der Kommentarspalte ihren Bezug zur Eishalle und erzählen, dass sie in Erinnerungen schwelgen.
Für den YouTuber und seine Freunde hat der Ausflug nach Unna möglicherweise Folgen: Die Wirtschaftsbetriebe Unna haben als Besitzerin der Eishalle Anzeige gegen den YouTuber und seine Begleiter erstattet. Das Betreten der Halle ist nicht gestattet. Es sei gefährlich, erklärten die Wirtschaftsbetriebe seinerzeit auf Anfrage.
Die Polizei bestätigt die Erstattung der Anzeige. Die Tat habe sich am 17. Dezember ereignet, darauf folgte eine Anzeige wegen Hausfriedensbruches, erklärte Polizeisprecher Christian Stein. Die Anzeige sei durch die Geschädigten erstattet worden, so Stein. Nach den Ermittlungen der Polizei werde die Staatsanwaltschaft den Fall übernehmen.
Hausfriedensbruch oder Einbruch?
Und die wird auch eine Einstufung der Anzeige vornehmen. Ob es sich um Hausfriedensbruch handelt – oder möglicherweise um eine andere oder gar keine Straftat – das ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen. Dass es kein Einbruch war, da ist sich zumindest der YouTuber selbst sicher, denn die Tür zur Eishalle sei nicht abgeschlossen gewesen.
Doch lässt sich die Frage nach der Straftat wirklich so eindeutig und einfach bestimmen? Eine Anfrage beim Amtsgericht Unna bringt Aufklärung zu den juristischen Feinheiten. Die Richterin und stellvertretende Leiterin des Amtsgerichtes, Birgit Vielhaber-Karthaus, kennt die Unterschiede zwischen Einbruch und Hausfriedensbruch. Sie erklärt im Gespräch mit der Redaktion, dass es viele Aspekte gibt, die in die Entscheidung hineinfließen können. „Jeder Einzelfall wird individuell bewertet“, erklärt sie. Ein wichtiger Punkt im Entscheidungsprozess ist laut der Richterin die Intention, mit der das Haus oder in diesem Fall die Eishalle betreten wird.
Um tendenziell der Kategorie Einbruch zugeordnet zu werden, muss die Staatsanwaltschaft den Verdacht haben, dass jemand geplant hat, etwas daraus mitzunehmen. Dazu braucht es eindeutige Hinweise wie zum Beispiel einen Bolzenschneider, der zum Einsatz kam, oder eine Menge Taschen für das Diebesgut.
Ob die Tür offenstand oder nicht, reicht für eine Entscheidung nicht aus, wie die Richterin an einem einfachen Beispiel erklärt: „Wenn jemand die Terrassentür offenstehen lässt und jemand kommt herein, ist das nach juristischer Wertung Hausfriedensbruch. Bei einem Ladenlokal ist es kein Hausfriedensbruch, weil die Menschen da reinkommen sollen“, erklärt sie für Laien verständlich. Es kommt also immer auch darauf an, welche Intention hinter dem Eintreten steckt – auch der des Inhabers.
Verfahren könnte eingestellt werden
Im Falle der YouTuber ist die Intention wohl eindeutig. Sie sind nicht gekommen, um etwas mitzunehmen. „Bei Lost Places geht es um die Aufmerksamkeit und den Gruselfaktor“, weiß die Richterin.
Auf einen Einbruch deutet im ersten Moment eher nichts hin. Ein Hausfriedensbruch ist schon näherliegend. Doch auch wenn die Tat tatsächlich so eingestuft wird, muss das nicht heißen, dass es zum Gerichtsprozess kommt. „Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ein Verfahren eingestellt wird“, erklärt Vielhaber-Karthaus. In die Entscheidung fließe zum Beispiel ein, ob eine Vorbelastung vorliegt oder die Person schon einmal aufgefallen ist.
Ob dazu auch Schlagzeilen zählen? Die hat „ItsMarvin“ nämlich definitiv schon gemacht, als er im Sommer 2020 in ein Krankenhaus in Büren eindrang und zeigte, dass dort tausende Patientenakten offen zugänglich gelagert wurden. Strafrechtliche Konsequenzen gab es damals für ihn nicht, weil kein Antrag vorlag, wie das Westfalen-Blatt seinerzeit berichtete. Ein solcher liegt mit der Anzeige der Wirtschaftsbetriebe im Unnaer Fall vor.

Nach dem Videodreh blieb es ruhig an der Eishalle
Obwohl „ItsMarvin“ nicht der erste war, der in die Eishalle eingedrungen ist, ist es dort aus Sicht der Polizei in den vergangenen Jahren recht ruhig zugegangen. „In den vergangenen drei Jahren hatten wir immer mal wieder einen Hausfriedensbruch bzw. Einbrüche, aber die kann man an zwei Händen abzählen“, erklärte Polizeisprecher Christian Stein.
Die letzte Tat sei die des YouTubers gewesen. Und die wird es wohl auch bleiben, denn schon sehr bald gibt es in Unna keine Eishalle mehr, in die man einbrechen könnte.