Naturschutz
Andreas Förster: Feldweg in Unna ist wertvoller als „Blühstreifen-Hype“
Im Unnaer Süden am Haarstrang gibt es ein kleines, summendes Paradies. Das Feldwegbiotop ist ein herausragendes Beispiel für Artenvielfalt in der Kulturlandschaft. Der Aufwand ist allerdings gewaltig.
Wegränder, in denen viele verschiedene Pflanzen- und damit auch Tierarten leben, sind selten in der Kulturlandschaft. Andreas Förster vom Naturschutzbund (Nabu) Unna weiß, diese Streifen an Feld- oder Wanderwegen sind zunehmend bedroht. Die Gründe für den Rückgang seien vielfältig. Doch es gibt ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie ein solcher Lebensraum aussehen kann: an der Kluse.
17 verschiedene Schmetterlingsarten
Das „Feldwegbiotop Kluse“ liegt auf dem „Dach“ des Haarstrangs, zwischen Billmerich und Strickherdicke. Dort kann Saumvegetation mit erstaunlicher Vielfalt bewundert werden. An dem etwa zwei Fußballfelder langen Wegrand wachsen unter anderem Dornige Hauhechel, Großer Odermennig oder Wiesen-Platterbse. Pflanzen wie Wilder Dost blühen in diesen Tagen und ziehen unzählige Insekten an. Es summt und flattert am Weg. Für Tagfalter, Hummeln, Käfer und Schwebfliegen sei das Biotop ein „Nektar-Dorado“, so Förster. „Wir haben hier schon 17 verschiedene Schmetterlingsarten gesehen.“
Ihre Raupen ernähren sich von Gräsern: der Braun-Dickkopffalter (l.) und das Große Ochsenauge. Beide Arten findet man im hochsommerlichen Feldwegbiotop. © Andreas Förster
Gründe dafür, dass solche Wegränder selten geworden sind, seien intensive Landwirtschaft, Nährstoffeinträge aus der Luft, zu frühes Mähen, ausbleibendes Mähen, Mulchen des Schnittguts, Versiegelung von Wegen, Gartenabfälle, Hundekot und inzwischen auch der Klimawandel.
Um dieses Biotop zu erhalten und zu entwickeln, betreiben Förster und eine Handvoll Mitstreiter großen Aufwand. Seit 2004 betreut der Nabu Unna dieses malerisch gelegene Biotop in Kooperation mit dem Umweltamt der Stadt Unna. Zugleich ist es auch das Ziel, das Nahrungsangebot und die Reproduktionsstätten für Insekten, Spinnen und Vogelarten in der Feldflur zu verbessern.
Vegetation, die nicht aus der Samentüte kommt
„Mit diesem Projekt möchten wir auch zeigen, dass es sich durchaus lohnt, Wegraine und Straßenränder zu pflegen und zu entwickeln, die noch Relikte artenreicher Pflanzengemeinschaften aufweisen“, so Förster. „Es müssen nicht immer Blühstreifeneinsaaten sein, um sich für mehr Pflanzenvielfalt einzusetzen“, betont Förster, und er ergänzt: „Der Vorteil, bestehende Vegetation zu pflegen, liegt darin, dass die Pflanzen an die Boden- und Klimaverhältnisse vor Ort besser angepasst und seit langer Zeit im Gebiet heimisch sind. Insbesondere die heimische Insektenwelt profitiert von der Vegetation, die nicht aus der Samentüte kommt.“
Auch die Vielfalt der optisch eher unauffälligen Gräser spielt für den Nabu eine Rolle bei dem Projekt, denn sie bieten Verstecke, Sonnenplätze und Nahrungsgründe für Käfer-, Wanzen-, Zikaden- und Heuschreckenarten. Diese Insektengruppen würden bei dem „Blühstreifen-Hype“ oft in Vergessenheit geraten, da sie im Gegensatz zu Bienen weniger Beachtung als Sympathieträger fänden. Auch einige Tagfalter ernähren sich von Gräsern.
Aufwand, den bisher nur Ehrenamt leisten kann
Gemäht wird im Feldwegbiotop an unterschiedlichen Stellen und zu unterschiedlichen Zeiten, so dass über das Jahr hinweg ein Mosaik aus niedrigen und hohen Vegetationsflecken entsteht. Der Nabu kommt dadurch den Bedürfnissen der unterschiedlichsten Tier- und Pflanzenarten nach. Je nach Pflegeeinsatz kommt mal die Handsense, mal der Freischneider zum Einsatz. Nach jedem Schnitt wird zudem das Mahdgut sorgsam entfernt, denn die nachwachsenden Pflanzen sollen nicht unter einer dunklen Mulchdecke ersticken, wie es oft an Straßen und Wegrändern üblich ist. Auch gilt es, Nährstoffanreicherungen durch das Mulchen zu vermeiden. „Je magerer der Boden ist, desto höher ist auch die Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren“, so Förster. Im Herbst wird der Feldweg sukzessive abgemäht, dabei bleiben an unterschiedlichen Stellen jedoch Vegetationsstreifen stehen, um Winterruheplätze für Insekten zu erhalten. Wie viele Arbeitsstunden hier ehrenamtlich geleistet werden, vermag Förster nicht mehr zu sagen.
Wer das Feldwegbiotop kennenlernen möchte, kann einen malerischen Wanderweg gehen - bitte auf dem Weg bleiben, nichts pflücken, Hunde anleinen und ihre „Hinterlassenschaften“ einsammeln. © Förster
Der Nabu wünscht sich, dass mehr Weg- und Straßenränder sowie Raine und Säume naturgerecht gepflegt werden. Es gebe im Kreisgebiet hunderte Kilometer dieser Korridore, die Biotope vernetzen, so Förster. Leider fehle es den Kommunen und Kreisen an Fachleuten, Mitteln, Personal und entsprechenden Gerätschaften, die eine biodiversitätsfördende Mahd ohne Schlegeln und Mulchen möglich machen. Dazu gehöre auch ein zeitversetztes schonendes Abtragen des Schnittguts, um Insekten ausreichend Zeit zur Flucht in benachbarte ungemähte Streifen zu ermöglichen.
Ein Video zum Thema finden Sie auf unserer Internetseite www.hellwegeranzeiger.de