Auf einmal war alles weg Unnaerin (50) hat eine Thrombose im Gehirn überlebt

Auf einmal war alles weg: Unnaerin hat eine Thrombose im Gehirn überlebt
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Als Amalie Barbara Schäfer nach ihrer schweren Krankheit im Christlichen Klinikum Unna wieder zu sich kommt, bemerkt sie ein komisches Gefühl im Bauch. Dass ihr Körper auf diese Weise signalisiert, dass sie zur Toilette gehen muss, weiß die Unnaerin nicht (mehr). Denn die heute 50-Jährige ist aufgrund einer Thrombose und einer Herpes-Infektion – beides im Gehirn – ein nahezu unbeschriebenes Blatt.

„Alles war weg“, sagt sie fünf Jahre später. Amalie Barbara Schäfer konnte sich inzwischen ein wenig erholen. Das Gedächtnis kehrt zurück. Sie kommt im Alltag wieder zurecht. „Aber ich befinde mich immer noch in einer Ausnahmesituation“, betont die Frau, die zwar deutlich, allerdings auch merklich langsam spricht. Ihr fehlten manchmal die Worte, sie könne sich nicht so klar artikulieren, wie sie es gerne würde, entschuldigt sich die 50-Jährige.

Ein Jahr mit Thrombose gelebt

„Ich möchte mich nicht in den Vordergrund drängen“, sagt sie. Warum sie sich mit ihrer Krankengeschichte dennoch an die Öffentlichkeit wendet, hat einen Grund. Ihr Umfeld habe ihre Erkrankung nicht ernst genommen, einige hätten ihren Zustand gar ausgenutzt. Weil es auch anderen kognitiv eingeschränkten oder psychisch kranken Menschen so gehen könnte, möchte Amalie Barbara Schäfer dafür sensibilisieren.

Wie ihr die Ärzte im Nachhinein erklärten, habe sie mit der Thrombose im Kopf ein Jahr lang gelebt, bevor sie in Kombination mit der Herpesinfektion des Gehirns zu immer stärkeren Symptomen führte. Am 4. April 2018 ging es dann nicht mehr weiter. „Ich bin orientierungslos durch Unna gelaufen“, erinnert sich Amalie Barbara Schäfer. Zuvor hatten schon Chormitglieder eine Wesensveränderung bemerkt. Auf der Arbeit habe sie nicht mehr auf ihren Namen reagiert.

Amalie Barbara Schäfer aus Unna sitzt in der Redaktion des Hellweger Anzeigers.
Inzwischen kann Amalie Barbara Schäfer wieder lachen. Doch immer noch stößt sie im Alltag an Grenzen. Vor allem, wenn ihr Umfeld ihr nicht die nötige Sensibilität entgegenbringt. © Hornung

Nachdem die orientierungslose Frau an diesem 4. April im Sozialkaufhaus um Hilfe gebeten hatte, kam sie ins Krankenhaus. Um ein Haar wäre die Unnaerin an der unbemerkten Thrombose gestorben. Nach ihrem Aufenthalt auf der Intensivstation musste sie so gut wie alles neu lernen. Zwischenzeitlich verloren war auch das Wissen über Freunde und Verwandte – und diejenigen Menschen, die sie in ihrem näheren Umfeld eigentlich nicht mehr haben wollte. Letztere konnten durch diese Hintertür zunächst wieder Kontakt aufbauen.

In dieser schweren Situation, auf ihrem Weg zurück ins Leben, hätte sich Amalie Barbara Schäfer mehr Verständnis gewünscht. „Hach, wir haben ja alle etwas“, sie solle sich nicht so anstellen, hätte es stattdessen oft geheißen. Als wäre ihre Erkrankung etwa mit Bluthochdruck oder Knieschmerzen vergleichbar. Zum Ärger mit Freunden und Bekannten kam Ärger im Wohnumfeld dazu.

Schicksal kann jeden treffen

„Wir sind doch alle nur Menschen“, sagt Schäfer. Ihr Schicksal könnte buchstäblich jeder erleiden. Die Ursachen für Infektion und Thrombose seien unklar, einen Zusammenhang habe es nicht gegeben. Zudem bestünde nun permanent die Gefahr, dass das Virus, ähnlich wie beim Lippen-Herpes, wieder ausbricht.

„Mir geht es um das Bewusstsein dafür“, sagt Barbara Schäfer. In unserer schnelllebigen Zeit seien viele Menschen nur noch bei sich und sollten sich wieder mehr aufeinander zubewegen, sich überlegen „Wie könnte es mir in dieser Situation gehen?“. Das sei nicht immer der einfachste Weg – aber wünschenswert.