Die Trennung zwischen dem Aluminiumwerk Unna und seinem früheren Chef Thomas Wiese hat schon einige ungewöhnliche Begebenheiten zutage gefördert. Diese hier ragt nochmals heraus: Im Streit um ein abhanden gekommenes Luxusfahrzeug klagt das Unternehmen nun gegen den Staat, konkret: gegen das Land Nordrhein-Westfalen.
Das Land hatte nämlich das Luxusfahrzeug, einen Rolls Royce, sichergestellt und zur Zwangsversteigerung ausgerufen – möglicherweise aber aufgrund einer falschen Annahme. Für das Aluwerk war diese Entwicklung gleichermaßen positiv und problematisch.

Denn der Wagen aus dem Fuhrpark des Unternehmens galt zwischenzeitlich als verschollen. Als ihn ein autoaffiner Mitarbeiter des Aluwerks zufällig im Internet entdeckte, wusste das Aluwerk zumindest, in wessen Händen er nun ist. Nur: Das Land NRW davon zu überzeugen, dass der Wagen immer noch dem Unternehmen gehört, erweist sich offenbar bis heute als schwierig.
Der Rolls Royce war schon zur Zwangsversteigerung gestellt
Und so ist nun am Landgericht Dortmund ein Verfahren im Gang, bei dem das Aluwerk gegen das Land NRW um Herausgabe des Fahrzeugs klagt. Vorläufiger Streitwert des Verfahrens: 180.000 Euro. Das dürfte in etwa den Preisaussichten bei einem Verkauf als Gebrauchtwagen entsprechen. Für zusätzlichen Wertverlust in der Zeit der Sicherstellung will das Werk einen Schadenseratz erklagen.
Gekostet hatte der Wagen, ein Rolls Royce Wraith, einmal rund 350.000 Euro. Das Aluwerk Unna hatte ihn 2015 als Poolfahrzeug gekauft. Bis 2018 stand das über 600 PS starke Coupe dem damaligen Vorstand Thomas Wiese zur Verfügung. Nach dessen plötzlicher Abberufung im Herbst 2018 verlor sich aber auch die Spur des Wagens – bis zur besagten Zwangsversteigerung.
Wann hat das Land den Aluwerk-Wagen sichergestellt?
Wie genau das Fahrzeug schließlich in die Hände der Obrigkeit gekommen ist, lässt sich nur erahnen. Dem Vernehmen nach ist es von der Finanzverwaltung NRW beschlagnahmt worden. Dies könnte auf eine unbeglichene Steuerschuld hinweisen, die das Land durch die Versteigerung des Fahrzeugs ausgleichen will.
Sehr wahrscheinlich ist, dass es sich nicht um eine Steuerschuld des Aluwerks handelt. Denn im aktuellen Rechtsstreit gegen das Land will das Aluwerk erst einmal klargestellt wissen, dass es überhaupt der Eigentümer des Wagens ist. Möglicherweise wurde das Auto fälschlicherweise als Eigentum eines Schuldners eingestuft, in dessen Besitz es sich lediglich befunden hat.

Welche Rolle der frühere Aluwerkchef Thomas Wiese in der Angelegenheit spielt, ist nicht eindeutig. Fakt ist lediglich: Der Kauf des Wagens 2015 und sein Abhandenkommen 2018 entsprechen in etwa dem Zeitraum, in dem Wiese sich als Mehrheitsaktionär wieder selbst auf den Stuhl des Vorstands gesetzt hatte. Der Rolls Royce war in diesem Zeitraum Wieses Wagen im Werk.
Für diese Jahre sind auch andere Begebenheiten belegt, in denen Wieses Vorliebe für exklusive Autos zum Vorschein gekommen war. So hatte Wiese das Aluwerk in ein Vertragskonstrukt eingebaut, das zur Finanzierung einiger Supersportwagen dienen sollte. Dabei wurden einige Wagen aus dem Fuhrpark des Unternehmers an eine Leasinggesellschaft verkauft, die dann aber Leasingverträge mit dem Aluwerk abschloss. Das Werk überließ die Fahrzeuge wiederum Wiese – gegen Gebühr, die Wiese zumindest noch zahlte, als er im Werk als Vorstand wirkte.
Für Wiese waren die Luxusautos ein Karrierekiller
Diese Einbeziehung des Unternehmens in seine private Autoliebhaberei könnte aber zu den Dingen gezählt haben, die Wieses Karriere im Aluminiumwerk ein abruptes Ende bereitet haben. Nachdem der frühere Vorzeigeunternehmer sein Aktienpaket an den chinesischen Branchenriesen Zhongwang verkauft hatte, besetzte jener auch den Aufsichtsrat mit seinen eigenen Leuten.
Und die neuen Kontrolleure zeigten keine Bereitschaft, das alte Vertragskonstrukt weiterhin zu dulden. Wiese musste gehen – wegen eines „Vertrauensverlustes“, wie es seinerzeit hieß. Zugleich setzten die Chinesen wieder Volker Findeisen als Vorstand ein, den zuvor im Jahr 2015 Wiese abgelöst hatte.
Die Geschichte des Rolls Royce Wraith unterscheidet sich allerdings von den Finanzierungsmodellen, durch die das Aluwerk in der Zeit mit Wiese als Vorstand auch einen Mercedes SL65 AMG, einen Mosler MT900 und einen Gumpert Apollo in den Fuhrpark bekam. Rechtlich gesehen war das Luxusfahrzeug nichts anderes als der Firmenwagen des Vorstands – wenn auch neunmal so teuer wie heute der Wagen von Wieses Nachfolger Volker Findeisen.
Letzterer hat bei anderer Gelegenheit schon einmal mitgeteilt, was das Aluwerk Unna noch mit dem britischen Nobelfahrzeug verbindet: Tatsächlich stehe Rolls Royce auch auf der Kundenliste der Unnaer, die Hochleistungswerkstoffe für mehrere Fahrzeugfabrikanten produzieren.