Trigger-Warnung der Redaktion: Spielsucht? Hier bekommen Sie Hilfe
Der folgende Artikel befasst sich mit dem Thema Sportwetten. Menschen, die Probleme mit Spielsucht haben oder sich Sorgen um Angehörige oder Freunde machen, finden Hilfe bei der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“.
Unter der kostenlosen Hilfe-Hotline 0800 1 37 27 00 erhalten Sie alle Informationen zu Hilfsangeboten rund um das Thema Spielsucht!
Wer regelmäßig Fußball schaut, kommt um Sportwettenwerbung schon lange nicht mehr herum: Die Wettanbieter sponsern Bundesligisten, die Nationalteams der Männer und Frauen oder die Deutsche Fußball-Liga (DFL).
Neu ist allerdings, was ein Team aus Investigativ-Journalisten und Datenexperten des Bayrischen Rundfunks (BR) in Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) nun aufgedeckt hat: Die internationale Wettindustrie kassiert im großen Stil mit deutschen Amateurfußballspielen ab. Ein Milliardengeschäft.
Ein Blick unserer Redaktion auf diese Wettportale zeigt zudem, dass auch Amateurspiele aus Westfalen angeboten werden.
Milliardengeschäft der Wettindustrie mit Amateurfußballspielen
Am Montag (19. August) läuft um 23.15 Uhr im Ersten die Dokumentation „Angriff auf den Amateurfußball“. In der Koproduktion zwischen BR und NDR sind Journalisten in das Milliardengeschäft der Wettindustrie mit Amateurfußballspielen abgetaucht. Und ihre Erkenntnisse schockieren.
Im Mittelpunkt der ARD-Fernseh-Produktion steht der bayerische Oberliga-Absteiger Kirchheimer SC. Als der damalige Tabellenletzte der Bayernliga Süd im März 2024 auf die Reserve des TSV 1860 München trifft, weiß noch keiner auf dem Platz, dass sich das Geschehen der Partie auf Seiten zahlloser Wettanbieter live verfolgen lässt.
Auf den Wettportalen ist detailliert zu lesen, welche Mannschaft auf dem Rasen gerade den Ball hat, wer verwarnt wird und ob ein Einwurf oder eine Flanke ansteht. Alles in Echtzeit. Anhand dieser Informationen können Wetten platziert werden: Wer schießt das erste Tor? Wer führt zur Halbzeit? Wer gewinnt die Partie?
Und das sind nur drei Beispiele. Es bieten sich unzählige Möglichkeiten, Geld auf das Geschehen zu setzen. All diese Informationen liefert den Wettanbietern ein sogenannter Daten-Scout, den die Verantwortlichen beim Kirchheimer SC im darauffolgenden Heimspiel auf frischer Tat ertappten. Zuvor hatten Journalisten des Bayerischen Rundfunks den Klub darauf aufmerksam gemacht, dass seine Spiele – so wie zig andere Amateurpartien – Teil der internationalen Wettindustrie sind.
Selbst der Deutsche Fußballbund (DFB) wurde von den BR-Recherchen überrascht. DFB-Vizepräsident und Verantwortlicher für den Amateurfußball beim Fußballbund, Ronny Zimmermann, sagte im Interview: „Also ich tummele mich jedes Wochenende auf Amateurfußballplätzen und ich habe das Thema noch nie erzählt bekommen.“
Seit dem 14. August kann die Dokumentation vorab in der ARD-Mediathek abgerufen werden.
Wetten auf den Westfalenpokal und Junioren-Bundesliga
Die Auswertung von BR-Data ergibt außerdem, dass es in der vergangenen Saison 2023/24 mindestens 2700 solcher Scout-Einsätze bei deutschen Amateurspielen gab. Dabei sind Wetten auf den Amateurfußball in Deutschland laut Glücksspielstaatsvertrag eigentlich verboten.
Das Problem: Wochenende für Wochenende werden dennoch hunderte Spiele aus Amateurligen in ganz Deutschland auf internationalen Wettportalen angeboten. Ihre Server haben diese Firmen oftmals im Ausland, weswegen Behörden große Schwierigkeiten haben, gegen das Wettangebot vorzugehen.

Unsere Redaktion hat sich auf drei dieser Portale einmal genauer umgesehen – und auf Anhieb Wettangebote mit westfälischer Beteiligung gefunden: Am Mittwoch (14. August) war es beispielsweise möglich auf die Westfalenpokal-Partie zwischen RSV Meinerzhagen (Westfalenliga 2) und Sportfreunde Siegen am Abend zu tippen.

Es gab 165 verschiedene Möglichkeiten, wie auf das Amateurfußballspiel Geld gesetzt werden konnte.
Selbst vor Spielen von Junioren macht die Wettindustrie keinen Halt. Am Mittwochabend konnte auf die U19-Nachwuchsliga-Partie zwischen Borussia Dortmund und MSV Duisburg gewettet werden. Auch hier gab es 164 unterschiedliche Varianten auf Partien mit teilweise minderjährigen Kickern Geld zu setzen.

Der für den westfälischen Amateurfußball zuständige Fußball- und Leichtathletik- Verband Westfalen (FLVW) wurde von den Recherchen ebenfalls überrascht.
FLVW-Präsident Manfred Schnieders fordert Aufklärung
Wie FLVW-Präsident Manfred Schnieders gegenüber dieser Redaktion am 14. August erklärte, befindet sich der Verband im Austausch mit dem DFB. „Wir haben im DFB darüber gesprochen, aber haben das Problem, dass wir keinerlei Zahlen, Daten oder Fakten dazu haben. Als uns der Bayerische Rundfunk wegen der Thematik angefragt hat, konnten wir auch nicht weiterhelfen, da wir zu dem Zeitpunkt gar keine Kenntnis darüber hatten“, erklärt Schnieders.

Nun sei zu klären, über welche Größenordnung in Westfalen gesprochen werden müsste. „Wissen die betroffenen Vereine davon? Werden deswegen Spiele in eine gewisse Richtung manipuliert? Das sind die Fragen, die wir stellen müssen und auf die wir Antworten brauchen. Die Vereine profitieren davon in keiner Weise“, sagt Schnieders.
Die einzelnen Landesverbände müssten prüfen, ob es bedenkliche Anzeichen gibt. Aufklärung sei erstes Gebot. „Wir müssen sicherstellen, dass die Vereine über die Gefahren aufgeklärt werden und präventiv tätig werden“, betont der FLVW-Präsident.