Wer sich in Zukunft jährlich gegen Corona impfen lassen sollte Stiko legt Impfplan vor

Wer sich in Zukunft jährlich gegen Corona impfen lassen sollte: Stiko legt Impfplan vor
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Die letzte Corona-Impfung liegt bei den meisten Menschen schon mehrere Monate zurück. Doch das Virus ist nicht verschwunden – im Gegenteil. Es ist noch immer in der Bevölkerung verbreitet, sorgt aber nicht mehr allzu oft für schwere Krankheitsverläufe. Was bedeutet das für die Impfungen? Braucht es die Vakzine noch, oder haben sie ausgedient?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat nun darüber beraten, wie es mit den Corona-Impfungen weitergeht und wie sie in den Impfplan 2023 integriert werden können. Seine Empfehlung hat das Gremium heute in das Stellungnahmeverfahren gegeben, um es von den Bundesländern und Fachgesellschaften prüfen zu lassen.

Das Expertengremium unterscheidet in seiner neuen Impfempfehlung, die zur „Standardimpfempfehlung“ für Sars-CoV-2 werden soll, zwischen drei Personengruppen: gesunde Menschen zwischen 18 und 59 Jahren, Risikopersonen ab sechs Monaten und ab 60-Jährige sowie Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre.

Gesunde Menschen zwischen 18 und 59 Jahren

Sie sollten eine „gute Basisimmunität“ haben, sagte Martin Terhardt, Stiko-Mitglied und Kinder- und Jugendarzt in Berlin, bei einer Pressekonferenz des Science Media Centers (SMC). Das heißt: Sie sollten drei immunologische Ereignisse durchgemacht haben – davon mindestens zwei Impfungen. Das dritte Ereignisse kann entweder eine Impfung oder eine Infektion mit dem Coronavirus sein. In beiden Fällen kommt das Immunsystem mit dem Erreger in Kontakt und lernt, sich gegen ihn zu verteidigen. Wer dreimal gegen Covid-19 geimpft ist, braucht danach keine weiteren Impfungen.

Risikopersonen ab sechs Monaten und ab 60-Jährige

Diese Personengruppe kann weiterhin, wenn sie in Kontakt mit dem Coronavirus kommt, schwer erkranken. Dazu gehören zum Beispiel Menschen in Alten- und Pflegeheimen; Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Trisomie 21; Menschen mit geschwächtem Immunsystem; oder Menschen, die in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen arbeiten. Neben einer Basisimmunität empfiehlt die Stiko ihnen deshalb „regelmäßige, zunächst jährliche Auffrischungsimpfungen mit einem bivalenten Impfstoff“.

Der jährliche Impfabstand sei aber nicht in Stein gemeißelt, stellte Christian Bogdan klar. „Das resultiert primär aus dem Umstand, dass wir im Moment zur effektiven Schutzdauer verlässlich nur über zwölf Monate reden können“, sagte der Direktor des Mikrobiologischen Instituts des Universitätsklinikum Erlangen, der ebenfalls Mitglied der Stiko ist, gegenüber dem SMC. Theoretisch könnte sich die Zeitspanne noch einmal vergrößern. „Das wird sicherlich davon abhängen, wie sich das Virus entwickelt und die Krankheitsepidemiologie.“

Bivalente Impfstoffe sollen wiederum genutzt werden, weil sie effektiver gegen Omikron sind. Die Corona-Variante kann das Immunsystem überlisten und den Impfschutz gegenüber schweren Erkrankungen, besonders aber gegenüber Infektionen herabsetzen. Deshalb haben Impfstoffhersteller ihre Vakzine so angepasst, dass sie sich nicht nur gegen das Spike-Protein des Sars-CoV-2-Wildtypen richten, sondern auch gegen die Omikron-Varianten BA.1 und BA.4/BA.5. In Europa zugelassen sind die bivalenten Impfstoffe zurzeit nur als Booster, für eine erste oder zweite Impfung können sie nicht eingesetzt werden. „Wir gehen davon aus, dass auch das sich demnächst in Europa ändern kann“, sagte Terhardt.

Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre

Für sie gibt es keine Impfempfehlung mehr. Vorausgesetzt, sie haben kein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken, weil sie zum Beispiel unter Trisomie 21 leiden. „Wenn Eltern ein Kind haben, das nicht zu einer Risikogruppe gehört, würde ich nicht zu einer Impfung raten“, machte Kinderarzt Terhardt deutlich. Immunologe Carsten Watzl begrüßte, dass die Stiko in ihrer Empfehlung darauf hinweist, dass die Impfungen für Kinder und Jugendliche nichtsdestotrotz gut verträglich und wirksam seien.

Dass die Stiko gesunden Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren keine Corona-Impfung empfiehlt, begründet das Gremium mit der geringen Gefahrenlage: Jüngere Menschen würden generell seltener schwer an Covid-19 erkranken, zudem sei das Risiko für PIMS – also das Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, eine Entzündungskrankheit, die bei Kindern im Zusammenhang mit Corona-Infektionen beobachtet wurde – und Long Covid, also Corona-Spätfolgen, gesunken.

Auch bei Neugeborenen, die gegen das Coronavirus immunologisch naiv sind, also keinen Immunschutz haben, sieht die Stiko keinen Bedarf für eine Impfempfehlung. Sie könnten zunächst vom Nestschutz der Mutter profitieren. Ist die Mutter gegen Covid-19 geimpft, das zeigen mehrere Studien, gehen die nach der Impfung gebildeten Antikörper über die Plazenta auf das Kind über. Die Babys haben in ihren ersten Lebensmonaten also einen passiven Immunschutz. Werden sie dann älter, sei immer noch davon auszugehen, dass sie eine Corona-Infektion mit ihrem unspezifischen Immunsystem gut verkraften können und somit nur in selten Fällen schwer erkranken, sagte Terhardt.

Wie die USA und Großbritannien gegen Covid-19 impfen

Die Stiko hat im Verlauf der Pandemie ihre Corona-Impfempfehlung immer wieder aktualisiert. Insgesamt 25 Aktualisierungen sind bis heute erschienen. Dass das Gremium seine Empfehlungen nun noch einmal umfangreich aktualisiert und verschlankt, liege vor allem an der zunehmenden Expertise: „Mittlerweile ist eine Situation eingetreten, in der wir eine gewisse Menge an Wissen haben, was uns natürlich erlaubt, die Dinge konkreter und längerfristiger einzuschätzen“, sagte Bogdan.

Zum einen hat sich gezeigt, dass das Coronavirus mit jeder neuen Variante zwar ansteckender, aber nicht unbedingt krank machender geworden ist. Zum anderen hat die Immunität in der Bevölkerung durch Impfungen und Infektionen zugenommen. „Wir können jetzt die Situation neu bewerten“, erklärte der Mikrobiologe, „und entsprechend eine Impfempfehlung herausgeben, die vielleicht nicht nur für die nächsten zwei bis drei Wochen oder Monate gültig ist.“

Großbritannien und die USA haben ihren Impfplan längst angepasst. Das britische Joint Committee on Vaccination and Immunisation hatte schon im November vergangenen Jahres empfohlen, Risikopersonen im kommenden Herbst erneut gegen Covid-19 zu impfen. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC rät vor allem Menschen ab 65 Jahren und Immungeschwächten zu einer weiteren Impfung mit einem bivalenten Corona-Impfstoff. Monovalente Vakzine sollen ganz vom Markt verschwinden. Auch Kleinkinder sowie Kinder und Jugendliche sollen sich mindestens einmal mit einem bivalenten Impfstoff impfen lassen.

Es sei gut, dass eine generelle Impfempfehlung nun auch in Deutschland kommt, meint Immunologe Watzl. Er lobte vor allem ihre Übersichtlichkeit. „Ich glaube, das hilft auch den Ärztinnen und Ärzten“, sagte er. Die Empfehlung ermögliche es, jetzt für den Herbst zu planen, wenn sich vermutlich das Coronavirus wieder vermehrt ausbreitet. Dann kann mit einer Auffrischungsimpfung für vulnerable Gruppen das Krankheitsrisiko in der Bevölkerung minimiert werden. „Das ist natürlich alles unter der Prämisse, dass auch im Herbst das Sars-CoV-2-Virus noch eine Omikron-Variante ist oder eine ähnlich harmlose Variante, wie wir sie im Moment haben.“ Wenn nicht, müsste die Stiko wohl oder übel noch einmal eine Empfehlung nachlegen.

RND

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