Einer der Aufklärer des Skandals an der Sportschule Kaiserau, Vizepräsident Peter Wolf, erscheint durch einen internen Bericht selbst in einem schlechten Licht. Es geht um Mitarbeiterbeschwerden.

Kamen

, 08.06.2019, 04:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Der Skandal liegt drei Jahre zurück, seine Nachwehen reichen bis heute: Der damalige Direktor des Sportcentrums Kaiserau, Martin N.* musste 2016 gehen, nachdem drei Mitarbeiterinnen ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen hatten. Lange hatten Verbandsobere schützende Hände über den Manager gehalten. Doch im Herbst 2016 führte an einer Trennung kein Weg mehr vorbei. Mit einem goldenen Handschlag ließ Verbandspräsident Gundolf Walaschewski seinen Freund N. ziehen, während die Öffentlichkeit über die wahren Umstände des Abschieds irregeführt wurde.

Ermittlungen gegen Ex-Direktor eingestellt

Glaubt man manchen Mitarbeitern, ist Direktor N. aber zunächst nicht wirklich weg gewesen. „Er hat sich nur die Maske von Herrn Wolf aufgesetzt“, heißt es im „Ersten Tätigkeitsbericht“ eines Ombudsmanns, der Mitarbeiterbeschwerden über Vorgesetzte gesammelt und zitiert hat. Dieser Bericht bezieht sich auf den Zeitraum von Juni bis Anfang August 2017.

Peter Wolf, die angebliche „Maske“ von Martin N., ist der ehrenamtliche Vize-Präsident des Fußball- und Leichtathletikverbands (FLVW). Er übernahm nach dem Abschied des Ex-Direktors vorübergehend die kommissarische Leitung der Sportschule. Die Erwartungen an den neuen Spielleiter im Haus waren klar: den vom Präsidenten nach außen verkündeten Wandel auf dem Platz umsetzen, für Fairplay sorgen und das Team der 150 FLVW-Mitarbeiter wieder zusammenschweißen. Außerdem war Wolf als FLVW-Finanzchef an der Aufklärung des Skandals um den früheren Direktor N. beteiligt, gegen den auch Untreue-Vorwürfe laut geworden waren. Der Verband schaltete externe Prüfer ein und leitete deren Berichte an die Staatsanwaltschaft Dortmund weiter. Die Untreue-Ermittlungen wegen N. wurden im April 2019 mangels Tatverdacht eingestellt.

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Ombudsmann eingeschaltet

Wolf war als kommissarischer Geschäftsführer schon einige Monate im Amt, als der FLVW einen Ombudsmann einsetzte. Ein Wiesbadener Anwalt wurde im Juni 2017 als unabhängige und externe Anlaufstelle für Mitarbeiterbeschwerden installiert. Innerhalb von rund zwei Monaten erhielt dieser Ombudsmann insgesamt 49 Beschwerden von 21 Hinweisgebern: 19 Beschwerden über Peter Wolf sowie 17 bzw. 13 Beschwerden über zwei Mitarbeiterinnen, die über Wolfs Vertrauen verfügten. Die beiden Frauen sind heute nicht mehr beim FLVW beschäftigt, Wolf ist heute zwar kein Sportschulleiter mehr, aber weiterhin Vize-Präsident.

Im Bericht des Ombudsmanns sind haarsträubende Informationen zu lesen. „Von herausragender Eindrücklichkeit sind die Hinweise und Beschwerden wegen Schlechtbehandlungen durch Vorgesetzte“, notierte der Ombudsmann im August 2017. „Hierbei imponiert die Wucht der Darstellungen“, heißt es. Von Benachteiligungen und grundlosen Begünstigungen einzelner Personen ist die Rede.

Vizepräsident Peter Wolf steht beim Verbandstag am Pfingstsamstag (8. Juni) in der Kamener Stadthalle zur Wiederwahl.

Vizepräsident Peter Wolf steht beim Verbandstag am Pfingstsamstag (8. Juni) in der Kamener Stadthalle zur Wiederwahl. © Flvw

„Diktatorischer Führungsstil“

Die meisten Beschwerden betrafen Wolf. Es sei zu konstatieren, führte der Ombudsmann weiter aus, dass sämtliche Beschwerdeführer „den Umgang des Herrn Wolf mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nachdrücklich beanstanden und aufgrund willkürlicher und grundloser Besser- oder Schlechterstellungen einen diktatorischen Führungsstil“ bescheinigen. Mehrfach sei klargestellt worden, dass das Vertrauensverhältnis zu Herrn Wolf „irreparabel zerstört“ sei. Eine weitere Zusammenarbeit sei „unzumutbar“, gibt der Ombudsmann die Beschwerden wieder.

Stichwort

Sportschule Kaiserau

Das Sportcentrum Kaiserau mit Sportanlagen, Kongresszentrum, Hotel und Verwaltung ist die Zentrale des von Gundolf Walaschewski geleiteten Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW). Als Dach für 946.502 Mitglieder, 2 201 Vereine und 17.309 Mannschaften ist der FLVW der zweitgrößte Landesverband innerhalb des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Der Geist von Kaiserau ist bundesweit ein geflügeltes Wort – seit den Aufenthalten der deutschen Fußball-Nationalmannschaft 1974 und 1990 mit anschließendem Titelgewinn. Nach einer Affäre um Missbrauchs- und Untreue-Vorwürfe gegen einen ehemaligen Verbandsdirektor wurde die Organisationsstruktur verändert. Neu ist eine Doppelspitze im operativen Geschäft mit Benjamin Schwartz (Sportschule) und Wilfried Busch (Verband).

Nicht total in die Pfanne gehauen

Wolf wurde aber nicht total in die Pfanne gehauen. Zumeist sei von den Mitarbeitern zwischen fachlicher Kompetenz und dem Umgang mit Menschen differenziert worden, stellte der Ombudsmann fest. Einige schilderten psychische Belastungen aufgrund des Verhaltens von Vorgesetzten. Der Ombudsmann hatte mit Mitarbeitern persönlich gesprochen, telefoniert und auch E-Mails ausgetauscht. Er hielt fest: „Eine Objektivierung erfahren die Darstellungen (...) durch die Dokumentation der Fehlzeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Als Direktor abgelöst

Das anscheinend schlechte Zeugnis für Wolf blieb offenbar nicht ohne Wirkung. Der Ombudsmann empfahl dem Präsidium, Wolf und seine beiden Vertrauten zu den Beschwerden anzuhören, die Organisationsstruktur des Sportcentrums zu ändern, einen Geschäftsführer anzustellen, Personalgespräche mit den beiden Vertrauten zu führen sowie eine Ethikrichtlinie zu erstellen, die von allen Beschäftigen zu unterzeichnen ist. Präsident Gundolf Walaschewski fand dafür schöne Worte in der Öffentlichkeit: „Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel, eine neue Vertrauenskultur in Kaiserau zu schaffen“, sagte er im September 2017.

Es wird wieder gelacht

So wie vom Ombudsmann empfohlen kam es auch: Anfang 2018 übernahm ein neuer Chef, Benjamin Schwartz, das Sportcentrum Kaiserau. Zuvor hatte bereits im April 2017 Wilfried Busch die Rolle des Verbandsdirektors übernommen – also keine Personalunion beider Ämter mehr wie in der Zeit, als Direktor Martin N. in Sportcentrum und Verband noch schalten und walten konnte. Mitarbeiter schwärmten laut Erstem Tätigkeitsbericht des Ombudsmanns über den neuen Direktor Busch: Er sei fair, unvoreingenommen und würde jeden gleich behandeln. „Herr Busch ist hervorragend.“

Der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen ist das Dach von fast einer Million Sportlern. In der Verbandszentrale beschwerten sich Mitarbeiter im Jahr 2017 über Vize-Präsident Peter Wolf. Der sollte eigentlich für einen Neustart nach einem Skandal um einen früheren Direktor sorgen.

Der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen ist das Dach von fast einer Million Sportlern. In der Verbandszentrale beschwerten sich Mitarbeiter im Jahr 2017 über Vize-Präsident Peter Wolf. Der sollte eigentlich für einen Neustart nach einem Skandal um einen früheren Direktor sorgen. © Stefan Milk

Gestürzt, aber trotzdem noch da

Unter der Doppelspitze von Busch und Schwartz läuft am Verbandssitz an der Jakob-Koenen-Straße heute einiges anders. „Das Betriebsklima hat sich positiv entwickelt in den letzten anderthalb Jahren. Es wird wieder von Herzen gelacht“, heißt es in Mitarbeiterkreisen. Gar nicht zum Lachen finden manche Mitarbeiter, dass Peter Wolf sich trotz der schweren Vorwürfe weiter als ehrenamtlicher Führungsmann im Verband gehalten hat. „Peter Wolf ist über den Ombudsmann gestürzt“, heißt es, „aber nicht so wie ein Hauptamtlicher gestürzt wäre. Es besteht der Eindruck, dass eine schützende Hand über ihn gehalten wird.“

Heute steht Wolf zur Wiederwahl

Während Direktor N. wegen seiner Grenzverletzungen so gestolpert war, dass er als Hauptamtlicher den Verband verlassen musste, durfte Peter Wolf trotz der im Tätigkeitsbericht dokumentierten Kritik als ehrenamtlicher Vize-Präsident weitermachen. Wenn heute am Pfingstsamstag rund 150 Delegierte zum FLVW-Verbandstag in der Kamener Stadthalle erwartet werden, stellt sich Wolf ebenso wie alle anderen Präsidiumsmitglieder zur Wiederwahl. Der Verbandstag ist das höchste Gremium des zweitgrößten Landesverbands des Deutschen Fußballbunds und tagt nur alle drei Jahre – und das erste Mal seit dem Abschied von Direktor N.

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Keine Antwort vor dem Verbandstag

Wie Peter Wolf zu den im Tätigkeitsbericht des Ombudsmanns genannten Vorwürfen gegen seine Person steht, das fragte ihn die Redaktion schriftlich in einer am Mittwochabend übersandten E-Mail. Dazu weitere Fragen, zum Beispiel, warum er erneut für das Amt des Vize-Präsidenten kandidiert. Eine Antwort darauf gibt es vor dem Verbandstag am Samstag (8. Juni) allerdings nicht, auch nicht dazu, wie Wolf die Einstellung der Untreue-Ermittlungen gegen Ex-Direktor N. kommentiert.

Für Peter Wolf und den Verband antwortete deren Anwaltskanzlei. Sie stellte am Freitag Antworten auf die Presseanfrage für kommenden Dienstagnachmittag in Aussicht und forderte zugleich auf, mit der Berichterstattung bis dahin abzuwarten.

Dann ist der Verbandstag samt Wahlen schon gelaufen.

*Name geändert

Informationen zum FLVW-Verbandstag am 8. Juni 2019 in der Kamener Stadthalle bei flvw.de.