Als sich die Vermissten-Suche in einen Mord verwandelte Erinnerung eines Reporters

Reporter-Erinnerung: Als aus der Vermissten-Suche plötzlich ein Mord wurde
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Im Herbst 2010 stand ein beruflicher Wechsel für mich an. Nach vielen Jahren Redakteurstätigkeit in Dortmund führte mich der Weg in meine Heimatstadt Werne. Statt Politik-Skandalen nun Schützenfest-Programme. Statt Borussia Dortmund nun Solebad Werne. Aber ich wollte es so und freute mich darauf. Doch nach vier Wochen war es mit der beschaulichen journalistischen Ruhe vorbei. Aus einer Vermissten-Suche wurde plötzlich ein Mord.

Mitte Oktober 2010 hatte die Polizei eine Such-Meldung herausgegeben. Ein Nachbar hatte Elsbeth B., Besitzerin eines heruntergekommenen Pferdehofes im Außenbereich von Werne-Horst, als vermisst gemeldet. Zwei Tage lange suchte die Polizei aufwendig nach der 65-Jährigen, die alleine mit einem Hund und einigen Katzen auf dem Hof lebte.

In dieser Pferdebox ihrer Stute hat Monika D. die Leiche von Elsbeth B. in Werne-Horst unter Heu und Mist versteckt.
In dieser Pferdebox ihrer Stute hat Monika D. die Leiche von Elsbeth B. in Werne-Horst unter Heu und Mist versteckt. © RN-Archiv

Ein gewisses Reporter-Gefühl

Zunächst sind eine Hundertschaft und ein Hubschrauber im Einsatz gewesen, später sogar Taucher, die einen Teich in der Nähe der Wohnung der Vermissten absuchten. Doch ohne Erfolg. Elsbeth B. blieb verschwunden. Als ich am 28. Oktober 2020 bei der Polizei nach der aktuellen Entwicklung fragte und ich nur einen lapidaren Hinweis auf weitere Suche erhielt, hatte ich ein komisches Gefühl: „Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Mein Gefühl sollte mich nicht trügen.

Aus meiner Dortmunder Zeit hatte ich gute Kontakte zur dortigen Staatsanwaltschaft, die für Werne zuständig ist. Ich rief die damalige Presse-Staatsanwältin Dr. Ina Holznagel an. Ich hätte so ein Gefühl, dass mit dem Vermisstenfall Elsbeth B. aus Werne an der Lippe etwas nicht stimme. „Ihr Gefühl trügt sie nicht“, lautete ungefähr ihre Antwort. Damit war klar: Hinter Elsbeth B's Verschwinden steckte mehr. Viel mehr. Ein Kapitalverbrechen.

Anzeichen für Kapitaldelikt

Denn die Staatsanwältin bestätigte mir: „Spuren im Umfeld der Wohnung der Vermissten deuten auf ein Kapitalverbrechen hin.“ Und: „Wir gehen nach dem aktuellen Stand davon aus, dass Elsbeth B. tot ist.“ Damit hatten wir es im beschaulichen Werne mit einem Mordfall zu tun. Die Juristin kündigte im Gespräch mit mir an, dass man nun eine aufwendige Suche auf dem und um den Hof nach den sterblichen Überresten starten würde.

Das alles war Stoff für einen brisanten Artikel. Und so titelten wir am nächsten Tag, es war der 29. Oktober 2010: „Elsbeth B. umgebracht? Ermittler glauben aufgrund von Hinweisen an ein Verbrechen“. Der Bericht schlug buchstäblich wie eine Bombe ein. Die Wirkung wurde, zumindest für unsere Redaktion, noch dadurch verstärkt, dass ein Konkurrenzprodukt am selben Erscheinungstag einen kleinen Artikel darüber veröffentlichte, dass es nichts Neues von der Vermissten-Suche nach Elsbeth B. gebe.