
© Kristina Schröder / Montage Klose
Einfach mal wieder eine riesengroße Party feiern
The Fretful Father
Auf Inzidenzwerte warten, Testtermine buchen, Betreuung koordinieren, nebenbei noch sowas wie arbeiten - unser Fretful Father ist langsam erschöpft. Dabei hätte er momentan nur einen Wunsch.
Ich musste - oder durfte, das ist Auslegungssache - neulich eine politische Sitzung im Bürgerhaus Selm besuchen. Nun sind solche Veranstaltungen, egal in welcher Kommune, nur bedingt vergnügungssteuerpflichtig. An diesem Abend war es für mich jedoch besonders schlimm, wofür die Ratsmitglieder allerdings nichts konnten. Vielmehr fand die Sitzung in dem Saal statt, in dem ich vor genau zehn Jahren wohl die beste Party meines Lebens gefeiert hatte - meine Hochzeit mit der schönsten Frau der Welt.
Nun ist eine politische Sitzung sicherlich ein krasses Kontrastprogramm zum vielleicht schönsten Tag des Lebens (ich werde jetzt nicht anfangen, Geburten und andere wichtige Ereignisse des Lebens miteinander zu vergleichen - Sie wissen schließlich schon, wie ich das meine). Die Tatsache aber, dass wir aufgrund der Corona-Pandemie generell Lichtjahre von irgendeiner Party entfernt sind, machte das Ganze in diesem Moment so schwer erträglich.
Ich sah den Bürgermeister, wo eigentlich der DJ stehen sollte; eine Fraktion machte sich dort breit, wo unsere Familien saßen; und anstatt einer Begrüßungsrede samt Trinkspruch orgelte ein Politiker Schimpftiraden ins Mikrofon, weil ihm eine Entscheidung der Verwaltung nicht passte. Obendrein war der Thekenraum gleich ganz verschlossen.
Ein Abend gibt Kraft für Wochen
Ich hatte in dem Moment eigentlich nur einen Wunsch: Sofort zur Verwaltung zu gehen und das Bürgerhaus fürs Wochenende zu buchen. Einfach eine Riesen-Party feiern, nicht so wie damals, das kann man nicht wiederholen, aber eben ohne Rücksicht auf Verluste. Mit allen Freunden, Verwandten und Bekannten - und wenn es nur für einen Abend wäre. Ein Abend, der einem Kraft gibt, die nächsten Wochen durchzustehen, die gerade deshalb so schwer werden, weil es erste Lockerungen gibt, Familien aber weiterhin nur am Rande berücksichtigt werden.
Immerhin sind in der Impfgruppe 3 die Eltern chronisch kranker Kinder aufgeführt. Ansonsten rangieren Familien weiter hinter Steuerfahndern und Justizbeamten. Nichts gegen diese Berufsgruppen, denen ich die Impfung - wie allen Priorisierten - von Herzen gönne. Aber nach vielen Wochen, in denen man auf Inzidenzwerte geschaut, Testtermine gebucht, Betreuung organisiert und nebenbei irgendwie noch gearbeitet hat, nur um zu erfahren, dass sich viele Eltern bitte weiter gedulden sollen, ist die Laune doch im Keller.
Die Party am Wochenende wird es natürlich nicht geben. Meine Frau und ich müssen, wie viele andere Eltern auch, irgendwo anders die Kraft hernehmen, um die kommenden Wochen durchzustehen. Und wir werden auch das schaffen. Denn wenn es eine Kleinstgruppe gibt, die aus sich selber unendlich viel Motivation ziehen kann, dann ist das die Familie.
ZWISCHEN BESORGT UND VERÄRGERT
In seiner Kolumne „The Fretful Father“ schreibt Reporter Daniel Claeßen über Dinge, die ihn als Familienvater bewegen. Und auch wenn er die Probleme seiner Kinder stets ernst nimmt, ist hier nicht immer alles ernst gemeint. Der Titel der Kolumne ist angelehnt an das „Fretful Mother Magazine“ aus der Serie „Die Simpsons“. Womit auch klar ist, dass hier immer mal wieder das Kind im Manne durchkommt. Außerdem kann „fretful“ nicht nur „besorgt“, sondern auch „quengelig“, „weinerlich“ und „verärgert“ bedeuten - womit die Gefühlsspanne unseres Autors ziemlich gut abgebildet wird.Journalist, Vater, Ehemann. Möglicherweise sogar in dieser Reihenfolge. Eigentlich Chefreporter für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen. Trotzdem behält er auch gerne das Geschehen hinter den jeweiligen Ortsausgangsschildern im Blick - falls der Wahnsinn doch mal um sich greifen sollte.
