Weitgehend friedlicher 1. Mai in Berlin - Gewalt in Stuttgart Senat zieht Bilanz zu Demos

Weitgehend friedlicher 1. Mai in Berlin: Senat zieht Bilanz zu Demos
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Bei Demonstrationen zum 1. Mai ist es in der Hauptstadt Berlin weitgehend ruhig geblieben, während die Polizei in Stuttgart bei den dortigen Protesten von Ausschreitungen und Verletzten berichtete.

Bei der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ und etwa 20 weiteren Demonstrationen in Berlin habe es nur vereinzelt Störungen und Festnahmen gegeben, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik im RBB-Fernsehen. Slowik machte allerdings deutlich, dass die Polizei auch in der Nacht in der Stadt präsent sein wollte, um Straftaten zu verhindern.

Dies galt auch mit Blick auf die unzähligen feiernden Menschen in Berlin. In vielen Teilen der Stadt herrschte Partystimmung. Nicht nur die Oranienstraße in Kreuzberg war voll mit Menschen und wurde abgesperrt. Zwar war das übliche Straßenfest Myfest auch in diesem Jahr abgesagt worden, dennoch feierten in Kreuzberg tagsüber Zehntausende bei warmem Wetter und strahlendem Sonnenschein auf Straßen und Plätzen. Im Görlitzer Park und anderen Grünanlagen wie dem Schlesischen Busch in Alt-Treptow war es brechend voll. Die Polizei sprach von einer „friedlichen und ausgelassenen Stimmung“.

Polizei kündigt ausführliche Bilanz an

Heute will sich das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Ereignissen am 1. Mai beschäftigen. In der Aktuellen Stunde zu Beginn der Sitzung wollen die Abgeordneten und voraussichtlich auch Innensenatorin Iris Spranger (SPD) eine Bilanz der zahlreichen Demonstrationen rund um den Feiertag ziehen. Auch die Polizei kündigte eine ausführliche Bilanz an.

Gestern Abend waren Tausende Menschen bei der traditionellen „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ durch Kreuzberg und Neukölln gezogen. Zuvor befürchtete Zwischenfälle oder Gewaltausbrüche wie in den Vorjahren blieben aus. Nach Schätzung der Polizei nahmen knapp 12.000 Menschen an der Demo teil. Die Veranstalter - linke und linksautonome Gruppen - sprachen von 25.000 bis 30.000 Demonstranten. Ihr Zug führte vom Südstern über Hasenheide und Hermannplatz zur Neuköllner Sonnenallee - und von dort wieder zurück. Begleitet wurde die Demo von einem Großaufgebot Tausender Polizisten.

Bei der sogenannten Revolutionären 1.-Mai-Demo sei diesmal kein großer schwarzer Block zu erkennen gewesen, bilanzierte Polizeipräsidentin Slowik. Dafür seien vor dem Hintergrund der Konfliktlage im Nahen Osten viele propalästinensische Demonstranten auf der Straße gewesen. „Das dominante Thema war die Palästina-Frage“, sagte sie. Die Polizei sei in drei Fällen schnell eingeschritten, in denen antisemitischer Hass geäußert worden sei. Es habe einige wenige vorübergehende Festnahmen gegeben, hieß es in einem Post der Polizei auf der Online-Plattform X. Ein Polizist sei leicht verletzt worden.

Teilnehmer der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" halten Banner mit der Aufschrift "Krieg dem Krieg" und "Es lebe der revolutionäre 1. Mai" am Südstern in Kreuzberg hoch.
Teilnehmer der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" halten Banner mit der Aufschrift "Krieg dem Krieg" und "Es lebe der revolutionäre 1. Mai" am Südstern in Kreuzberg hoch. Die Demonstration, zu der Linke und Linksextreme Gruppen aufriefen, sollte durch Kreuzberg und Neukölln gehen. © picture alliance/dpa

Palästina-Fahnen und Sprechchöre

Vor allem auf das Geschehen in der arabisch geprägten Sonnenallee richtete sich das Augenmerk der Polizei. In der Gegend hatte es nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 Freudenkundgebungen gegeben. Hier gab es in den vergangenen Monaten auch die meisten Protestaktionen palästinensischer Gruppen zum Krieg Israels im Gazastreifen. Nennenswerte Zwischenfälle gab es laut Polizei aber auch dort nicht.

Auf einigen Gebäudedächern an der Demo-Route zündeten Menschen Bengalo-Feuerwerk und Rauchtöpfe. Auch im Zug selbst brannten an manchen Stellen bengalische Feuer. An der Spitze der Demonstration liefen mehrere Menschen, die sich mit schwarzen oder roten Tüchern vermummt hatten. Teilnehmer riefen teils aggressive Anti-Polizei-Sprechchöre.

Brandanschlag auf Transporter?

Eine Demonstration des Gewerkschaftsbundes DGB wurde nach Angaben der Polizei zeitweise angehalten, weil dort wiederholt propalästinensische Sprechchöre gerufen und Transparente gezeigt wurden.

Nach einem mutmaßlichen Brandanschlag auf Transporter eines großen Versandhändlers in Berlin-Reinickendorf tauchte ein Bekennerschreiben auf, wie die Polizei bestätigte. Ein politisches Tatmotiv sei nicht ausgeschlossen. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen. Zuvor hatte der „Tagesspiegel“ berichtet. Am frühen Morgen hatten mehrere geparkte Lieferwagen gebrannt. 16 Fahrzeuge wurden durch Feuer oder Hitze beschädigt. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Mehrere Fahrzeuge stehen ausgebrannt in der Thyssenstraße im Bezirk Reinickendorf.
In Berlin haben am frühen Mittwochmorgen zahlreiche Lieferwagen eines großen Versandhändlers gebrannt. © picture alliance/dpa

Vor der Demo Steindepots entdeckt

Nach Hinweisen von Anwohnern hatte die Polizei vor Beginn des Aufzuges am Nachmittag auf Hausdächern und am Boden entlang der geplanten Demonstrationsroute Depots mit Steinen und Dachziegeln entdeckt und sichergestellt. Möglicherweise sollten damit Beamte beworfen werden, vermutet die Polizei - sicher war dies aber nicht.

Zur Absicherung aller Demonstrationen am 1. Mai und Orten mit vielen Menschen wie Bahnhöfen setzte die Berliner Polizei nach Angaben von Innensenatorin Spranger rund 6200 Beamte ein, darunter 2400 Kräfte aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei.

Zwischenfall in Stuttgart

In Stuttgart wurde eine Demonstration der linken Szene in der Innenstadt beendet, wie die Polizei auf X mitteilte. Es sei zu Angriffen auf Einsatzkräfte gekommen. Die Beamten hätten mit Pfefferspray und Schlagstöcken reagiert.

Die Demonstration richtete sich nach Polizeiangaben „gegen Sozialabbau“, setzte sich „für eine solidarische Gesellschaft“ ein und sei von einer Einzelperson angemeldet worden. Es sei zu „massiven Straftaten und Auflagenverstößen“ gekommen. In einem weiteren Post sprach die Polizei von „massiven Straftaten und Auflagenverstößen“. Einzelne Versammlungsteilnehmer seien umschlossen worden.

Gewalt in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen

In Hamburg gingen mehr als 6000 Menschen mit linken und linksextremen Gruppen auf die Straße. Aufgerufen hatten Anarchisten aus dem Umfeld des linksautonomen Zentrums Rote Flora, das Umverteilungsbündnis „Wer hat, der gibt“ und der vom Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestufte Rote Aufbau. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Entlang des Weges standen Wasserwerfer und Räumpanzer bereit. Auch die Reiterstaffel war zu sehen.

Am frühen Nachmittag waren nach Polizeiangaben in der Spitze 1350 Demonstranten mit dem anarchistischen Bündnis „Schwarz-Roter 1. Mai“ vom Bahnhof Sternschanze durch St. Pauli zum Altonaer Balkon gelaufen. Motto: „Solidarisch. Selbstbestimmt. Herrschaftsfrei“. Als sie an der Roten Flora vorbeikamen, wurde vom Dach Pyrotechnik gezündet. Insgesamt sei der Aufzug aber friedlich verlaufen, sagte ein Polizeisprecher.

Polizei beobachtet die Teilnehmer bei einer Demonstration linker Gruppen zum 1. Mai im Schanzenviertel.
Polizei beobachtet die Teilnehmer bei einer Demonstration linker Gruppen zum 1. Mai im Schanzenviertel. © picture alliance/dpa

Die mit laut Polizei 4000 Teilnehmern größte Demonstration startete wenig später vom Bahnhof Dammtor. Der bunte Zug des Bündnisses „Wer hat, der gibt“ führte durch die Nobel-Stadtteile Harvestehude und Pöseldorf zum Eppendorfer Baum. „Lasst uns das Geld von denen holen, die es im Überfluss haben, um es denen zu geben, die es brauchen“, hieß es im Aufruf. Die Polizei sprach von einem friedlichen Verlauf

Am späten Nachmittag startete die „Revolutionäre 1.-Mai-Demo“ des Roten Aufbaus vom Hauptbahnhof. Die Polizei sprach hier zunächst von gut 1000 Teilnehmern. Unter dem Slogan „Krieg, Krise, Kapitalismus - so wie es ist, darf es nicht bleiben“ sollte die Demonstration unter anderem durch St. Georg, Hohenfelde und Eilbek bis zum S-Bahnhof Landwehr führen.

dpa