Der mögliche Wegfall der Busverbindung Selm-Lüdinghausen (Linie R19) beschäftigt zahlreiche Menschen in den betroffenen Städten. Der SPD-Ortsverein Selm hatte eine Unterschriftenaktion und eine Online-Petition gestartet, bei der sich mehr als 700 Unterstützer für den Erhalt der Verbindung über die Kreisgrenze hinweg einsetzten. Laut einer aktuellen Mitteilung der Partei wurden die Unterschriftenlisten vom SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Rolf Ohligschläger und Harald Handick an Adrian Kersting, Dezernent des Dezernats III beim Kreis Unna, zuständig unter anderem für Mobilität, übergeben. Allerdings zeigt sich die Selmer SPD in mehrfacher Hinsicht irritiert von Ablauf und Ergebnis dieses Termins.
Demnach erklärte der Dezernent, dass der Kreis nicht der richtige Adressat für die Unterschriften sei, da der Kreistag den neuen Nahverkehrsplan bereits abgesegnet habe. Hier sei vielmehr, so Kersting, die Stadt Selm gefragt. Rolf Ohligschläger zeigte sich in diesem Punkt uneinig und betonte, dass der Kreis auch weiterhin für den öffentlichen Nahverkehr zuständig sei, selbst wenn bereits Beschlüsse gefasst worden sind. „Es wurde offenbar am Bedarf der Menschen vorbei geplant. Die Bürgerinnen und Bürger in Selm wünschen sich den Erhalt der R19, und hier liegt die Zuständigkeit klar beim Kreis. Die Bedürfnisse der Bürger und Nutzer müssen hier deutlich im Vordergrund stehen und nicht der finanzielle Aspekt“, wird Ohligschläger in der SPD-Mitteilung zitiert.
Kreis verweist an Stadt
Max Rolke, Sprecher des Kreises Unna, erklärt auf Anfrage: „Der vom Kreistag beschlossene Nahverkehrsplan besitzt eine Methodik, anhand derer unter anderem die Umlagefinanzierung von Busverbindungen auf die gesetzlich geforderte ausreichende Bedienung eines Nahverkehrsplans geprüft wird. Verbindungen, die nicht diesen Kriterien entsprechen, sind somit lediglich aus der Finanzierung über die Kreisumlage herausgenommen. Es steht also einer Kommune frei, eine gewünschte Verbindung beizubehalten, allerdings nicht mehr umlagefinanziert. Aus diesem Grunde wurde im gemeinsamen Gespräch angemerkt, dass der korrekte Adressat in diesem Falle eigentlich die Stadt Selm wäre.“

Kurz gefasst: Die Stadt könnte die Linie aus eigener Kasse weiterführen, der Kreis wird diese aber nicht über die Kreisumlage finanzieren. Während neben den Städten Selm und Lüdinghausen auch der Kreis Coesfeld eine bedarfsgerechte Weiterführung der Verbindung befürwortet und den Kreis Unna in der Verantwortung sieht, eine Lösung zu finden, erkennt dieser weiterhin keinen Bedarf, weil das Angebot über die Zuglinie RB51 ausreichend abgedeckt sei.
Besonders irritierend war es aber für die SPD, dass der ursprünglich geplante Termin mit Landrat Mario Löhr - selbst in der SPD und bis 2020 noch Selmer Bürgermeister - kurzfristig vom Kreis abgesagt und stattdessen ein Gespräch mit Dezernent Kersting vorgeschlagen wurde.
„Es hätte auch ein neuer Termin mit Herrn Löhr vereinbart werden können“, fügte der Vorsitzende des Ortsvereins hinzu. Dazu heißt es in der SPD-Mitteilung mit recht deutlichem Unmut: „Die Menschen in Selm setzen weiterhin auf die Unterstützung des Landrats, doch dass diese nicht wie erhofft erfolgt, ist für viele schwer nachvollziehbar.“ Kreissprecher Max Rolke erklärt dazu knapp: „Landrat Mario Löhr hat einen engen Terminkalender und fand leider keine Gelegenheit, die Unterschriften persönlich entgegenzunehmen. Stattdessen hat der für den Bereich verantwortliche Dezernent beim Kreis Unna, Adrian Kersting, die Unterschriften entgegengenommen.“
Bürgermeister klar für Erhalt
Auf die Frage, ob die Petition überhaupt Einfluss auf die Entscheidung des Kreises habe, antwortet der Sprecher: „Natürlich wird eine Petition beim Kreis zur Kenntnis genommen. Die Planungen für den ÖPNV im Rahmen des neuen Nahverkehrsplans setzen allerdings auf der bekannten, kreisweit einheitlichen Methodik und entsprechenden Datengrundlagen, inklusive der jüngst durchgeführten Fahrgastzählung, auf. Insofern sind diese Daten für eine objektive Betrachtung der Notwendigkeit eines Busangebots maßgeblich.“

Das hört sich eher nicht so an, als ob sich an der Position in Unna durch die Petition etwas geändert habe. Wie der Sprecher auf Anfrage bestätigt, hängt eine Lösung, die eine bedarfsgerechte Fortsetzung der Verbindung beinhalten würde, hauptsächlich von einer Einigung über die entsprechende Finanzierung ab. Unter anderem sprechen sich viele Bürger in Selm wegen der Erreichbarkeit von Krankenhaus, Geschäften oder dem Finanzamt für einen Erhalt der Buslinie aus. Die bestehende Zugverbindung ist gerade für ältere Menschen keine wirklich gute Alternative, weil der Bahnhof in Lüdinghausen rund 1,5 Kilometer, und damit deutlich weiter als der Busbahnhof, von der Innenstadt entfernt liegt.
Selms Bürgermeister Thomas Orlowski setzt sich ebenfalls für den Erhalt der Buslinie ein. „Die Mobilitätswende und die Bedürfnisse der Menschen dürfen nicht durch solche Entscheidungen ausgebremst werden“, hatte er erklärt. Eine Entscheidung soll nach derzeitigem Stand in der Kreistagssitzung in Unna am 1. Juli fallen. Danach dürfte dann feststehen, ob der Einsatz der Selmer und Lüdinghauser für eine Fortsetzung der Busverbindung erfolgreich war.