Amateurfußballer im illegalen Rausch Exklusiv enthüllt: drastischer Snus-Konsum in Westfalen

Amateurfußballer im illegalen Rausch: Exklusiv enthüllt: drastischer Snus-Konsum in Westfalen
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Nikotin und Sport - auch wenn es auf den Amateurfußball-Plätzen jedes Wochenende genügend Beispiele von schmökenden Kickern gibt, passen Rauchen und Sport irgendwie nicht gut zusammen. Vielleicht auch deswegen hat sich das Tabakprodukt Snus als Alternative unter Sportlern in den letzten Jahren stark verbreitet. Zahlreiche Profis wie Marco Reus, Karim Benzema oder Zlatan Ibrahimović wurden mit der „Trenddroge“ bereits gesehen. Obwohl der Verkauf in allen EU-Ländern (außer Schweden, wo Snus seit über 200 Jahren konsumiert wird) verboten ist.

Wie verbreitet der Oraltabak trotzdem auch bei Amateuren aus der Region ist, macht eine exklusive Recherche dieser Redaktion nun deutlich. Das Ergebnis: Westfalens Amateurfußballer sind voll im Snus-Rausch. Ein Doping-Experte ordnet ein.

Dopingexperte: Schmerzmittel und Nikotin im Amateurfußball weit verbreitet

Was aber genau ist Snus überhaupt? Der rauchfreie Tabak wird in Form von kleinen, meist weißen Päckchen unter die Lippe geschoben.

Das Nikotin gelangt über die Mundschleimhaut in den Körper und hat eine ähnliche Wirkung wie die von Zigaretten. Nur ohne die leistungshemmenden Nebenwirkungen und die Gefahr einen Lungenkrebs durch die Stoffe zu bekommen, die durch das Verbrennen des Tabaks entstehen.

„Über 7000 verschiedene krebserregende Substanzen hat man im Tabakrauch gezählt. Siebzig davon gelten als besonders krebserregend und das ist auch wissenschaftlich gut dokumentiert“, erklärt der Dopingexperte und Pharmakologe Fritz Sörgel. Doch Snus ist stärker: Ein Päckchen kann so viel Nikotin enthalten wie drei Zigaretten auf einmal.

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Prof. Dr. Fritz Sörgel

  • Fritz Sörgel (Prof.) ist Pharmakologe und leitet seit 1987 das Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Nürnberg.
  • Er gilt unter anderem als einer der renommiertesten Experten zum Thema Doping in Deutschland.

„Welche Wirkung Snus entfaltet, hängt auch von der Dosierung ab. Für Amateurfußballer ist ganz besonders reizvoll, dass Snus mit einem hohen Nikotinanteil aufputschend wirkt und Einfluss auf die Reaktionsfähigkeit nimmt. Eine geringe Dosis sorgt für Entspannung“, so der Dopingexperte.

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Gerade deswegen würden viele Amateurfußballer den Oraltabak schon vor den Spielen nehmen, um fokussierter und reaktionsschneller zu werden. „Im Wesentlichen gibt es zwei Substanzklassen, die im Amateurfußball eine große Rolle spielen: Schmerzmittel und Snus. Wobei Snus vom prozentualen Anteil her unter Amateurfußballern weniger genutzt wird als Ibuprofen oder Diclofenac“, sagt der Pharmakologe.

Exklusive Recherche der Ruhr Nachrichten zum Snus-Konsum in Westfalen

Die hohe Beliebtheit der Trenddroge wird durch eine nicht repräsentative Umfrage dieses Medienhauses deutlich. Via Telefon-Interview wurden 43 Funktionäre, Trainer und Spieler von Amateurfußball-Klubs aus ganz Westfalen befragt. Von der Kreisliga bis in die Regionalliga West.

Die Protagonisten wurden gefragt:

  • Kennen Sie einen Spieler aus Ihrer Mannschaft, der Snus schon einmal ausprobiert hat?
  • Kennen Sie einen Spieler aus Ihrer Mannschaft, der Snus regelmäßig konsumiert?
  • Kennen Sie einen Spieler aus Ihrer Mannschaft, der Snus regelmäßig und unmittelbar vor den Spielen und dem Training konsumiert?
  • Kennen Sie einen Spieler aus Ihrer Mannschaft, der Snus regelmäßig und unmittelbar nach den Spielen und nach dem Training konsumiert?

Die Auswertung der Umfrage zeichnet ein durchaus drastisches Bild: Der Konsum von Snus ist unter den Amateur-Kickern in Westfalen gerade voll angesagt. So gaben 93,02 Prozent der Befragten an, Mannschaftskollegen zu kennen, die den Oraltabak schon einmal ausprobiert hätten.

Insgesamt 65,12 Prozent der Interviewten bestätigten Mitspieler, die Snus regelmäßig konsumieren. Von den 43 Befragten kannten 27,91 Prozent mehrere Spieler, die Snus stets vor den Spielen zu sich nehmen würden. Für die Anzahl der Snus-Konsumenten nach den Partien lag der Anteil sogar bei 39,53 Prozent.

Pharmakologe warnt vor gesundheitlichen Gefahren

Doch wie kommen die Kicker an den in Deutschland offiziell verbotenen Stoff? „Ich kann nicht valide sagen, wo ich die kleinen runden Snus-Behälter überall schon gesehen habe. Aber ich war selber schockiert, dass es an vielen Kiosken so einfach möglich ist, sie zu bekommen“, sagt Fritz Sörgel.

Snus wird in Dosen verkauft.
Snus wird in Dosen verkauft. © IMAGO

Seit kurzem werden die Nikotinbeutel allerdings auch synthetisch hergestellt. Diese sogenannten „Nicotine Pouches“ sind unabhängig vom Herstellungsverfahren tabakfrei und unterliegen daher nicht dem Snus-Verbot der EU.

Wenn es um die Verwendung dieser beiden Produkte und ihre gesundheitliche Wirkung geht, sind die Unterschiede minimal. Der auffälligste Unterschied zwischen den beiden besteht jedoch darin, dass Nikotinbeutel keinen Tabak enthalten.

Der Pharmakologe, Doping-Experte und Leiter des Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP), Fritz Sörgel, sitzt im Labor des Instituts an einem Mikroskop.
Der Pharmakologe, Doping-Experte und Leiter des Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP), Fritz Sörgel, sitzt im Labor des Instituts an einem Mikroskop. © dpa

Auf der Dopingliste steht Snus zudem nicht: Wie Koffein befindet sich der Oraltabak auf der sogenannten „Watch-List“. Der Pharmakologe betont allerdings: „Nikotin - in welcher Form auch immer - kann zum Doping verwendet werden“, so Sörgel.

Nikotin sei neben Alkohol außerdem die am häufigsten verbreitete legale Droge in Deutschland.

Die Gefahr von Nikotin-Konsum unter Sportlern sei zudem, dass die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff behindert würde, Blutdruck und Puls sich erhöhten, der Herzmuskel belastet würde und die Gefahr von Herzinfarkten steige.

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„Wenn jemand vorgeschädigt ist und wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Anzahl der Todesfälle im Sport auch bei jungen Menschen zunimmt. Das sind häufig Menschen, die einen Herzfehler haben, der nicht entdeckt wurde. Bei solchen Menschen kann der Konsum von Snus vor körperlicher Betätigung besonders negative Folgen haben. Wenn so jemand durch Snus über seine Leistungsgrenze geht, ist es ein großes Problem. Der Sportler, der keine verborgenen Krankheiten hat, der wird nicht zwangsläufig einen schwereren Schaden erleiden. Das gilt aber eben auch für Rauchtabak. Das muss man auch sagen“, erklärt der Dopingexperte.

Die Auswirkungen auf den Körper von Snus- oder Rauchtabak seien also ähnlich, da beide Nikotin enthalten und Nikotin in beiden der wichtigste Wirkstoff wäre.

Gleichzeitig gäbe es einige Unterschiede zwischen Snusen und Rauchen. Anders als beispielsweise beim Rauchen beeinträchtige Snus die Lungenfunktion nicht. Die wenigen Studien, die über den Zusammenhang zwischen schwedischem Snus und den Auswirkungen von Bewegung existieren, deuteten darauf hin, dass Snus im Gegensatz zum Rauchen die Fähigkeit zur Sauerstoffaufnahme nicht beeinträchtige.

Fritz Sörgel hält fest: „Die Suchtproblematik bei den Zigaretten kommt nicht vom Rauch, sondern vom Nikotin. Es ist das Nikotin im Snus, was die entscheidende Rolle spielt.“