In Deutschland gibt es insgesamt fast 60.000 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. Die wenigsten schaffen es nach ganz oben. 25 Schiedsrichter pfeifen in der laufenden Saison in der ersten Bundesliga. Sogar nur 17 Schiedsrichterinnen sind es in der Frauen-Bundesliga. Eine davon kommt aus Schwerte und ist mittlerweile seit drei Jahren fester Bestandteil im Konzert der Großen.
Seit der Saison 2021/22 pfeift Annika Kost in der höchsten deutschen Spielklasse der Frauen - und gleichzeitig in der Regional- und Oberliga der Männer. In der Hinrunde der laufenden Spielzeit musste sie allerdings aussetzen. Eine Verletzung - ausgerechnet bei den Schiedsrichter-Prüfungen vor der Saison - stoppte sie mehrere Monate. Außenband und Syndesmose waren gerissen, dazu kam ein Knochenmarksödem. Die Prüfung hat Kost dennoch bestanden, sodass sie kurz vor Weihnachten schon wieder berechtigt war, zu pfeifen.
„Es fühlt sich richtig gut an, dabei zu sein, gerade jetzt nach der langen Pause", sagt Kost, die am letzten Wochenende die Begegnung zwischen dem VfL Wolfsburg und Carl Zeiss Jena leitete und am kommenden Sonntag (9. Februar) den Tabellenführer Eintracht Frankfurt gegen Turbine Potsdam pfeift.
Annika Kost ist Schiedsrichterin in der Bundesliga
Vor allem Wolfsburg und Frankfurt sind sicherlich mit das Beste, was der deutsche Frauenfußball aktuell zu bieten hat. Bei den Männern ist es dagegen „nur" die vierte Liga, die allerdings auch ihren Vorteil hat: „Es ist ganz unterschiedlich, es gibt vor allem große Unterschiede in der Fankultur. In der Regionalliga sind es öfter mal große Stadien mit mehreren tausend Fans, das macht auch super viel Spaß." Spielerisch vergleichen könne man beide Ebenen allerdings keineswegs.
Neben der Tätigkeit als professionelle Schiedsrichterin ist Annika Kost beim TSC Eintracht Dortmund in Vollzeit zuständig für den Kinder- und Jugendsport. Nach der Arbeit wird täglich noch eine eigene Sporteinheit drangehängt - „high intensity" -, um das körperliche Niveau zu halten. Das sorgt dafür, dass Kost oft von 8 bis 21.30 aus dem Haus ist. Stressig ja, für die 33-Jährige aber nicht zu stressig. „Das macht mir so Spaß, und mit dem Sport tue ich ja auch etwas Gutes für mich. Wenn ich auf dem Platz bin, bin das einfach ich."
Gerade während der jüngsten Verletzungspause habe sie gemerkt: „Das bin ich dann nicht ganz, dann fehlt etwas." Was aber nicht heißen solle, dass Kost sich nicht auch mal auf ein paar Urlaubstage freue. „Dann ist auch richtig Urlaub", lacht die Schiedsrichterin.

Mit ihren 33 Jahren gehöre sie mittlerweile schon zu den „gestandenen“ Unparteiischen in der Bundesliga, die Zukunft gehöre da eher den Jüngeren. Ein weiterer Aufstieg, etwa zur FIFA-Schiedsrichterin, sei daher unrealistisch, Kost sei „einfach dankbar, dass ich es in den letzten Jahren noch geschafft habe und ich tue alles dafür, dass ich noch weiter dabei bin." Einen kleinen Traum hat die Schwerterin aber doch. 2020 war sie als Assistentin im DFB-Pokalfinale eingesetzt. „Das nochmal als Schiedsrichterin machen zu können, wäre schon cool!"
Ein bisschen Zeit wird sie definitiv auch noch haben. Das ungeschriebene Gesetz der Altersgrenze für DFB-Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter liegt bei 47 Jahren. Ob es tatsächlich die bis dahin offenen 14 Jahre werden, stehe in den Sternen. Aber: „Jetzt gerade habe ich wieder so viel Lust, dass ich mir vorstellen könnte, das noch mindestens 10 Jahre zu machen", sagt Kost, die nach wie vor für die Holzpfosten Schwerte an den Start geht.
Annika Kost pfeift für die Holzpfosten Schwerte
Besonders großer Kontakt bestehe in der jüngeren Vergangenheit mangels Zeit allerdings nicht mehr nach Schwerte. „Das tut mir auch sehr leid für die Holzpfosten", bedauert Kost. An freien Wochenenden versuche sie immer mal wieder, ihrem Klub einen Besuch abzustatten - und ansonsten trägt sie den Vereinsnamen ins ganze Land. „Ich feier das auch, dass das überall steht und finde es toll, wenn das bei den Spielen gesagt wird", erklärt Kost.
Der durchaus kuriose Vereinsname bleibe vielen Menschen im Kopf, sorge für Schmunzler und dafür, dass Kost auf den Verein angesprochen werde. „Ich finde das super, dass ich dem Verein ein Gesicht geben kann, weil ganz viele tolle Menschen in dem Verein aktiv sind, sodass ich da auch absolut dahinterstehe", sagt Kost. Vielleicht hört man die Holzpfosten ja bald noch einmal im Pokalfinale.