Neurochirurg Dr. Kazkaz nach 46 Jahren wieder in Syrien „Frischoperierte in alten Betten“

Neurochirurg Dr. Kazkaz besucht nach 46 Jahren wieder Syrien
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In der viertgrößten Stadt Syriens, in Hama, leben die Verwandten von Neurochirurg Dr. Samir Kazkaz. Erstmals seit 46 Jahren konnte er in seine Heimat reisen und seine Familie wiedersehen: Per Flugzeug ging es über Istanbul in der Türkei nach Damaskus in Syrien. Der Besuch war eigens so geplant, dass Samir Kazkaz das Ende des Ramadan mit seinen Angehörigen dort feiern konnte. „Fünf Tage lang“, wie er sagt. „Ein besonderes Erlebnis.“

Die neue Regierung, die islamistische Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), die im Dezember Diktator Bashar al-Assad gestürzt hatte, hat das Fest um zwei Tage verlängert. Samir Kazkaz traf Angehörige, die er bisher gar nicht kannte. Viele hatte er noch nie gesehen. Der Mediziner war 1978 nach Deutschland gekommen und hatte bis 2016 rund 30 Jahre lang im St. Marien Hospital in Lünen als Neurochirurg gearbeitet.

Die Syrer seien froh, dass Assad nicht mehr an der Macht ist, sagt er. Die Stimmung sei gut. Unter Assad gab es ab 20 Uhr eine Ausgangssperre, inzwischen dürfen die Menschen abends wieder aus dem Haus. Für sie ein Fortschritt. Einiges jedoch hat Samir Kazkaz erschüttert: Es sei eine Katastrophe, was aus dem einst reichen Land geworden sei, sagt er.

Der Diktator habe den Syrern das Geld entzogen, um sich und seine Familie zu bereichern. Nach dem Krieg müsse viel aufgebaut werden. Industrie sei kaum vorhanden, es gebe Einschusslöcher in Gebäuden, vieles liege in Trümmern. Menschen bettelten auf der Straße. „Das stimmt mich traurig“, sagt er. Lebensmittel seien teuer. Manchmal bliebe der Strom für ein oder zwei Stunden weg. Etliche nutzten Solar auf den Gebäuden.

Dr. Samir Kazkaz bei einer Operation in Gaza
Im "Europäischen Krankenhaus" in Khan Yunis war Neurochirurg Dr. Samir Kazkaz bereits im Einsatz. Er möchte dort wieder hin, um den Menschen zu helfen (Archivbild). © Samir Kazkaz

„Muss viel getan werden“

Erschüttert ist der Mediziner auch, nachdem er ein Krankenhaus in Syrien besucht hat. Es gebe dort private und gute Kliniken, aber auch städtische Einrichtungen. Dort lägen die frisch an der Bandscheibe operierten Patienten in alten Betten mit alten Matratzen. Es müsse viel getan werden, damit der Gesundheitsbereich wieder auf die Beine komme, so Samir Kazkaz.

Während seines Besuchs war es kalt in Syrien, kälter als der Arzt gedacht hatte. Es hätte viel geregnet. Die Menschen nutzten ölbetriebene Heizmöglichkeiten. „Ich habe gefroren“, berichtet Samir Kazkaz.

Im Juni wieder nach Gaza

Eigentlich wollte er wieder nach Gaza, um im „Europäischen Krankenhaus“ in Khan Yunis zu operieren. Die Situation sei zurzeit schwierig. Er hofft, im Juni mit einer amerikanischen Hilfsorganisation dort arbeiten zu können. Man dürfe weder Geld noch eigene medizinische Instrumente mitbringen, beschreibt er die Situation.

Samir Kazkaz hat bereits 38-mal in Gaza ehrenamtlich Schwerverletzte operiert. Zuletzt war er im Sommer 2024 dort. Wenige Monate vorher, am 7. Oktober 2023, hatte die islamistische Hamas Israel überfallen und Geiseln verschleppt. Israel reagierte mit Militäreinsätzen in dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen. Der Aufenthalt im vergangenen Jahr sei der brutalste, den er je erlebt habe, hatte Samir Kazkaz damals berichtet: „So viel Elend, so viele Tote habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“