Ex-Profi packt über Bövinghausen aus Ausraster, Eingriffe in die Aufstellung und fehlendes Geld

Piossek packt über Bövinghausen aus: Ausraster, Eingriffe in die Aufstellung und fehlendes Geld
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Als der wohl prominenteste Name schlug Marcus Piossek (über 300 Profi-Spiele) im Sommer beim TuS Bövinghausen auf. Nach nur einem halben Jahr, in dem der er sogar spielender Co-Trainer unter Coach Christian Knappmann war, zog der 34-Jährige zu Westfalia Herne weiter.

Nun legt Piossek in einem ausführlichen Interview offen, was er in diesem halben Jahr beim Oberligisten erlebt hat. Es geht um den TuS-Vorsitzenden Ajhan Dzaferoski, dessen Sohn Dino, Eingriffe in die Aufstellung und fehlendes Gehalt.

Herr Piossek, warum führen wir dieses Interview?

Im Endeffekt sitzen wir hier, weil im vergangenen halben Jahr gewisse Dinge abgelaufen sind, wo ich einfach sagen muss: Ich würde es gut finden, wenn die Leute das mal mitkriegen von einem Spieler, der in seiner Karriere schon ein bisschen was gesehen hat.

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Das ist Marcus Piossek

  • Geboren am 21.07.1989 in Lippstadt
  • Position: offensives Mittelfeld
  • Vereine: Borussia Dortmund II, RW Ahlen, Karlsruher SC, VfL Osnabrück, Preußen Münster, 1. FC Kaiserslautern, SC Paderborn, SF Lotte, SV Meppen, TuS Bövinghausen, Westfalia Herne
  • 299 Drittliga-Spiele (81 Torbeteiligungen), 41 Regionalliga-Spiele (10 Tor-Beteiligungen), 9 Zweitliga-Spiele (2 Tore)
  • Erfolge: Meister Regionalliga West 2009, 5x Landespokal-Sieger

Als Sie beim TuS Bövinghausen vorgestellt worden sind, waren die Steuer-Vorwürfe gegen den Vorsitzenden Ajhan Dzaferoski bereits bekannt. Zudem gab es die öffentlichen Aussagen von Ex-Spielern, dass sie Gehaltszahlungen nicht erhalten haben. Wieso sind Sie trotzdem dorthin gewechselt?

Mein Hauptgrund war Christian Knappmann (von April bis Oktober Trainer des TuS Bövinghausen, Anm. d. Red.). Wir kennen uns seit zehn Jahren. Außerdem bin ich vor Kurzem Vater geworden und da überlegst du natürlich auch von der Fahrerei her. Wir sind extra in die Nähe gezogen, damit wir Unterstützung haben.

Und klar, da bin ich ehrlich: Ajhan (Dzaferoski, Anm. d. Red.) kann sich auch gut verkaufen. Im ersten Gespräch, im zweiten Gespräch, wenn du so mit ihm zusammensitzt: Da merkst du nicht, dass da irgendwas vielleicht schieflaufen könnte. Jetzt, ein halbes Jahr später, denkst du anders. In Bövinghausen haben Spieler Geld verdient, die leben davon. Wir reden dann von 2000 oder 3000 Euro netto, die die Topspieler verdient haben. Die leben davon, die verlassen sich da drauf.

Am Ende sind wir alles Menschen. Deswegen kann man nicht sagen: Die sind da alle nur hingegangen, weil sie die Kohle einstecken wollten. Natürlich ist es gutes Geld. Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, dass das nicht auch ein Punkt war. Aber trotzdem bin ich jemand – und ich kann das auch über Jeron Al-Hazaimeh oder Andre Dej sagen – der in dem halben Jahr bei jedem Training war, immer Vollgas gegeben hat und mit dem Herz auf dem Platz steht.

Was sind die Dinge, die schiefgelaufen sind?

Es gibt viele Dinge. Einmal – klar – sind Gehälter nicht pünktlich bezahlt worden. Innerhalb des Vereins gibt es ja auch gar keine Strukturen. Du hast keine Jugendabteilung, der Verein besteht im Prinzip aus der ersten Mannschaft, Ajhan macht da alles.

Dann muss man sagen, dass schon relativ früh in der Saison sehr, sehr viele Dinge schiefgelaufen sind. Wenn ich mich an das zweite Spiel erinnere, da spielen wir in Ennepetal und liegen zur Halbzeit 0:1 zurück, und Ajhan kommt in die Kabine und sagt: Wenn wir das Spiel nicht in der zweiten Halbzeit drehen, dann meldet er das Ding ab. Auch in Rheine, als wir 0:2 verloren haben, ist er in die Kabine gekommen. Da war es richtig krass. Er hat richtig deutlich gesagt: Ihr könnt morgen alle kommen und eure Verträge auflösen. Da gab es Spieler, die haben mich danach angerufen und gefragt, was jetzt passiert. Das habe ich auch so noch nie erlebt.

Für mich persönlich ist das ja kein Problem, weil ich schon genug im Fußball gesehen und erlebt habe. Aber ich habe den jungen Spielern ins Gesicht geguckt. Du verlierst deine Mannschaft relativ früh, weil der Spaß verloren geht – und da ist es egal, was für eine Qualität diese Mannschaft hat. Ein weiterer Hauptgrund, warum wir am Ende keinen Erfolg haben konnten: Ajhan mischt sich in die Aufstellung ein. Das habe ich später erst mitgekriegt, als ich die Co-Trainerstelle angenommen habe.


Ajhan Dzaferoski sagt, konfrontiert mit den Schilderungen Piosseks, dass es „gang und gäbe“ sei, den Spielern in der Kabine etwas zu sagen, wenn es sportlich nicht läuft. „Das gibt es bei Aplerbeck, bei Türkspor, bei Brünninghausen. Zuerst macht es der Trainer und irgendwann kommt der sportliche Leiter oder das Management“, sagt er.

Auch Ex-Trainer Christian Knappmann selbst habe das von Dzaferoski gefordert. Trotzdem will er die Aussagen Piosseks nicht bestätigen. „Dass ein Spieler, der selbst gekündigt hat, nunmehr solche Behauptungen aufstellt, ist ein starkes Stück.“


Darauf gehen wir gleich ein. Ursprünglich waren Sie nur als Spieler an die Provinzialstraße gekommen. Ab wann haben Sie als Co-Trainer Knappmanns fungiert?

Ab Anfang September, also relativ früh. Da kriegst du diese ganzen Sachen halt mit. Ich habe dann auch mitbekommen, was Ajhan für Schulden hat. Knappi (Trainer Knappmann, Anm. d. Red.) hat sich um alles gekümmert, viel Zeit im Hotel Specht (geleitet von Dzaferoski-Sohn Dino, Anm. d. Red.) verbracht und versucht, die ganzen Sachen zu regeln.

Arbeiten seit Oktober nicht mehr zusammen: Ajhan Dzaferoski (vorne) und Trainer Christian Knappmann (hinten).
Arbeiten seit Oktober nicht mehr zusammen: Ajhan Dzaferoski (vorne) und Trainer Christian Knappmann (hinten). © Stephan Schuetze

Kommen wir zurück zu den Aufstellungen. Es gibt die Gerüchte seit Jahren, dass Ajhan Dzaferoski Einfluss auf diese nimmt. Wie findet das wirklich statt?

Knappi hat ihm am Spieltag oder am Abend davor die Aufstellung gesagt und er hat dann gesagt: Nee, der darf nicht spielen, der darf nicht spielen und der darf nicht spielen. Ich kann mich noch sehr gut an das Türkspor-Spiel erinnern. Wir haben am Samstag gespielt. Da hat Knappi ihm Freitagabend die Aufstellung geschickt. Dann schrieb Ajhan zurück: Das ist nicht gut, so kannst du nicht spielen. Dann sagte Knappi: Ja, dann sag doch wie. Ajhan antwortete: Nee, sage ich erst nach dem Spiel, warten wir erst ab.


Auch hier widerspricht Ajhan Dzaferoski. Er nehme keinen Einfluss auf die Aufstellungen. Die Verantwortung dafür habe bei Trainer Christian Knappmann gelegen.


Lass Sie uns beim Türkspor-Spiel (0:6) bleiben. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Knappmann da schon ein bisschen resigniert hatte. Er ist im Coaching sehr emotional, sehr extrovertiert. Gegen Türkspor war er total still und saß über weite Strecken des Spiels regungslos da. War die Entscheidung da schon gefallen, danach zurückzutreten?

Das glaube ich eher nicht. Er lebt Fußball. Aber klar, das nimmt ihn mit. Am Ende ist er diese Aufgabe angetreten und wollte Erfolg haben. Er hat sich natürlich auch viel versprochen.

Kommen wir zu dem nächsten Thema, wo ich ganz deutlich sagen muss: Wenn du den Sohn vom Präsidenten (Innenverteidiger Dino Dzaferoski, Anm. d. Red.) aufstellen musst – und das musst du, sonst bist du weg –, der aber keine Oberliga-Qualität hat, ist das auch ein springender Punkt, warum du auf Strecke keinen Erfolg hast. Wir können uns die Spiele alle anschauen – und das habe ich. Da muss man schon sagen, da fallen viele Tore über diese Seite.

Du musst das trennen. Natürlich ist das sein Sohn, er ist der Präsident und bezahlt viel Geld in dem Verein. Aber andersrum schneidet er sich auch ins eigene Fleisch, weil sein Sohn nicht die Qualität hat, um Oberliga zu spielen. Das ist ein Fakt. Und das sage nicht nur ich, weil man jetzt vielleicht sagen kann, ich hätte jetzt ein Problem mit Ajhan. Ich hatte mehrere Leute bei den Spielen, die der Meinung sind. Aber wir hatten keine andere Wahl, was sollen wir machen? Wir mussten ihn aufstellen.

Ajhan Dzaferoski bezeichnet die Aussagen über seinen Sohn Dino als „schwachsinnig“. Der habe gemeinsam mit Ex-Coach Knappmann „die ganze Arbeit gemacht“. Knappmann selbst habe Dino Dzaferoski gesagt, er müsse spielen – teilweise auch dann, wenn dieser gar nicht spielen wollte. Der Vorsitzende geht zum Gegenangriff über und sagt in Richtung Piossek: „Er hätte sich lieber selbst mehr hinterfragen sollen, ob er noch das Niveau für die Oberliga hat.“

Wie ohnmächtig fühlt man sich da?

Für mich war das brutal schwer. Du verlierst relativ schnell ein Stück Motivation. Ich spiele Fußball, weil es für mich eine Herzensangelegenheit ist. Ich habe immer gesagt: Ich liebe diesen Sport und will so lange wie möglich Fußball spielen. Und da ist es egal, in welcher Liga das ist und egal mit welcher Mannschaft, am Ende will ich immer maximalen Erfolg. Das war natürlich auch meine Hoffnung mit Bövinghausen.

Knappmann hat sich voll die Vorwürfe gemacht. Wie oft er mich angerufen hat und gesagt hat: Es tut mir leid, dass ich euch da hingeholt habe. Aber er wusste auch nicht, was da hintenrum passiert. Klar, er war er schon ein bisschen früher da. Aber ich glaube, in der letzten Saison hat Ajhan ihn mehr in Ruhe gelassen. Da war das Sportliche schon gelaufen für die Saison.

Wann ist die Entscheidung gefallen, den Verein nach nur einem halben Jahr zu verlassen?

Im Prinzip war das Thema mit dem Rücktritt von Knappi eigentlich auch für mich beendet. Über Knappi kam der Kontakt zu Ingo (Brüggemann, Vorsitzender von Westfalia Herne, Anm. d. Red.) zustande. Ende Oktober habe ich mich schon mit Ingo getroffen. Das Gespräch war sehr gut und er hat mir das Gefühl vermittelt, dass er mit Herne etwas aufbauen möchte.

Beim zweiten Treffen, als wir uns am Stadion getroffen haben, habe ich gesehen: Da sprechen wir, obwohl es jetzt nur Landesliga ist, trotzdem über einen ganz anderen Background. Ich weiß, Ingo will das nicht hören, aber dieser Verein muss in die Regionalliga. Das ist ein Traditionsverein, du hast ein Stadion, du hast eine Jugendabteilung und drum herum wird jetzt alles neu.

Marcus Piossek (r.) spielt nun für Westfalia Herne.
Marcus Piossek (r.) spielt nun für Westfalia Herne. © Stephan Schuetze

Es macht einfach wieder richtig Spaß. Es ist eine ganz andere Mentalität, die die Jungs dort haben. In Bövinghausen waren es natürlich viele gute Spieler, darüber brauchen wir nicht reden. Aber wir waren keine Mannschaft. Am Ende stehst du mit elf Leuten auf dem Platz und jeder muss den Willen haben, Spiele gewinnen zu wollen. Das hatten wir nicht. Ich bin jetzt seit vier Wochen in Herne. Ingo Brüggemann investiert dort auch viel Zeit und Geld. Aber Ingo sagt klar: Ich habe keine Ahnung von Fußball. Also mische ich mich nicht ein.

War die Mannschaft zusammengewürfelt?

Nein. Es hätte sicherlich oftmals eine andere Aufstellung gegeben, aber wir konnten halt nicht so reagieren, wie wir reagieren wollten. Wir haben einen Spieler vor dem Spiel in Rheine suspendiert. Knappi hat die Aufstellung für die Spiele immer am Morgen des Spieltags in die Whatsapp-Gruppe der Mannschaft gestellt. Ein Spieler hat darauf ein bisschen spöttisch reagiert. Dann haben wir ihn suspendiert und 0:2 verloren. Danach mussten wir ihn wieder aufstellen – ich hätte das niemals gemacht, weil das ein Spieler ist, der Fußball nicht lebt. Für ihn war Fußball nur ein bisschen Geld verdienen. Aber wir hatten keine Chance, wir mussten ihn aufstellen.

Jeron Al-Hazaimeh (r.) stützt die Aussagen von Marcus Piossek.
Jeron Al-Hazaimeh (r.) stützt die Aussagen von Marcus Piossek. © Stephan Schuetze

Sorgen die Spieler, die weiter für den Verein spielen dafür, dass dieses System toleriert wird?

Ich denke, es ist immer situationsabhängig. Die meisten Spieler haben ja ihre Schlüsse daraus gezogen. Am Ende sind ja 95 Prozent der Mannschaft gegangen. Die Spieler, die dort jetzt sind, sehen es eher als Chance. Und ich weiß nicht, ob jedem Spieler klar ist, was wirklich abläuft. Ich glaube, du musst auch erst mal da gewesen sein, um zu wissen, wie es wirklich ist. Nochmal: Ajhan kann sich gut verkaufen, wenn er mit den Leuten spricht. Aber: Wir sprechen natürlich jetzt auch über andere Gehälter.

Stichwort Gehälter. Welche Absprachen gab es mit dem Verein in finanzieller Hinsicht?

Es war so geregelt, dass Ajhan zum 15. des Folgemonats bezahlt. Wenn ich also ab dem 1. Juli Vertrag habe, dann zahlt er zum ersten Mal am 15. August. Das lief auch alles mehr oder weniger – zumindest bei mir.

Ich weiß von einigen Spielern, dass sie zum Beispiel keine Prämien bekommen haben. Bei Jeron Al-Hazaimeh und mir war am Ende die klare Absprache, dass wir die Hallenstadtmeisterschaft spielen. Dafür bezahlt er den Dezember und die Hälfte vom Januar lassen wir weg (die Hallenstadtmeisterschaft, Bövinghausen scheiterte in der Zwischenrunde, wäre maximal bis zum 13. Januar gegangen, Anm. d. Red.).

Das hat er nicht gemacht. Daraufhin haben wir gesprochen und haben ihm noch mal Zeit bis Ende Januar gegeben, wo er es dann wieder nicht gemacht hat. Und jetzt ist es im Prinzip so, dass er uns Woche für Woche vertröstet. Da hat er jetzt wiederholt sein Wort nicht gehalten. Und es wird am Ende halt dann darauf hinauslaufen, dass wir uns das Geld dann einklagen werden.


Jeron Al-Hazaimeh bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion die Aussagen Piosseks. Im Gegensatz zu Piossek fehle ihm nicht nur die Zahlung für den Dezember. „Ich kriege noch ein Drittel vom November-Gehalt“, sagt Al-Hazaimeh.

Ajhan Dzaferoski sei bis zum 10. Januar im Urlaub gewesen, habe ihm aber zugesagt, am Tag nach seiner Rückkehr das Geld zu erhalten. „Mit dieser Motivation haben wir die Halle gespielt“, sagt der 162-fache Drittliga-Spieler (Chemnitzer FC, Preußen Münster, SF Lotte).

An diese Zusage habe sich Dzaferoski nicht gehalten. Er habe Al-Hazaimeh mehrfach vertröstet. „Menschlich bin ich enttäuscht. Ich hatte vorher nie ein Riesen-Problem mit Ajhan gehabt. Deshalb dachte ich, dass er sein Wort hält“, sagt der Verteidiger.


Über was für Zahlen sprechen wir?

Wir reden hier bei beiden Spielern zusammen über 6.500 Euro netto. Ich will da nichts verbergen. Nochmal: Es müssen gewisse Dinge geradegerückt werden.


Auch hier ist Ajhan Dzaferoski anderer Meinung. Piossek und Al-Hazaimeh hätten sämtliche Gehälter bekommen. Piosseks Aufwandsentschädigung und Fahrtkosten seien versteuert worden. „Wir haben nichts Schwarz gemacht, nichts unter der Hand, es ist alles bezahlt worden. Wenn er recht hätte, dann geht er damit nicht zur Zeitung, sondern nimmt sich einen Anwalt und sagt, wie viel er bekommt“, sagt Dzaferoski.