Kirche in der Region stößt Veränderung an Matthias Grammann: Kleiner werden wir von alleine

Der Pastorale Raum Lünen, Cappenberg, Werne: Veränderung als Chance
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Mit Veränderungen will die katholische Kirche im Bistum Münster der Krise begegnen. Weniger Mitglieder und Seelsorger, dazu sinkende Kirchensteuereinnahmen, erfordern ein Umdenken. Damit Gottesdienste weiterhin möglich sind, müssen sich Strukturen ändern - die Räume werden größer. Die Pfarreien St. Marien Lünen, St. Johannes Evangelist Cappenberg und St. Christophorus Werne machen daher gemeinsame Sache. Sie bilden den Pastoralen Raum Lünen-Cappenberg-Werne, er gehört zu den kleineren im Bistum. Die neue Entwicklung begleitet Koordinator Matthias Grammann (38) aus Herten. Wir haben mit ihm gesprochen.

St. Marien Lünen
Mit dem Immobilienkonzept setzt St. Marien in Lünen (Foto) bereits Veränderungen um: Zwei von vier Kirchen sollen verkauft werden. © Goldstein

Wie finden Sie diese Aufgabe?

Total reizvoll, sonst hätte ich mich nicht beworben. Damals wusste ich noch nicht, um welche Städte es geht. Reizvoll deshalb, weil es eine sehr klar begrenzte Aufgabe ist, mit 20 Prozent Arbeitszeit und auf zwei Jahre festgelegt. Es ist spannend, zu gucken, wie Kirche hier gelebt wird, neue Leute kennenzulernen und vielleicht in den zwei Jahren einen Teil dazu beizutragen, dass sich etwas entwickelt.

Drei Pfarreien müssen sich zusammenraufen. Wie klappt das?

Dieser Raum ist schon besonders. Er ist von der Größe überschaubar. Es gab eine längere Diskussion um den Zuschnitt. Ein Teil von Selm hat sich verabschiedet. Das war allerdings vor meiner Zeit. Lünen und Werne sind aufeinander zugegangen. Sie teilen sich unter anderem ein Pfarrer- und ein Seelsorger-Team und kooperieren bereits. Auch mit Cappenberg gab es schon Verbindungen. Wir fangen nicht bei null an, sondern gucken, wie wir diese Kooperation verstärken und ausbauen können.

Aber es gibt doch Befindlichkeiten?

Es ist ja jetzt keine Fusion, sondern man versucht, eine Kooperation zwischen verschiedenen selbstständigen Akteuren zu intensivieren. Das macht es für die Menschen einfacher, sich darauf einzulassen. Es geht darum zu gucken, wo schaffen wir Dinge nicht mehr alleine, wo können wir mit anderen Synergieeffekte herstellen. Dass wir in einer Zeit leben, in der sich Kirche von einer Volkskirche zu einer Minderheitenkirche verändert, macht für jeden ersichtlich, dass Veränderung geschieht. Die Frage ist, wie man sie gestaltet.

Wo gibt es denn Streitpunkte?

Das kann ich noch nicht sagen, wir sind ganz am Anfang. Erstmal habe ich in allen drei Pfarreien Offenheit wahrgenommen, miteinander zu kooperieren. Es gab überall Auftaktveranstaltungen. Deshalb sind wir noch nicht an dem Punkt, wo man sich streiten könnte. Ich glaube, Streit gibt es höchstens mal im Detail. Oder dass Leute Bedarfe sehen, die andere nicht sehen. Ja, vielleicht gibt es auch Streit, um irgendwelche Pfründe. Aber am Ende entscheiden die Akteure. Ich kann nur Anregungen geben.

Um welche Bereiche geht es?

Dazu gibt es erste Beispiele, wie die Katechese, wo in Lünen und Werne schon viel zusammenläuft. Da kann sich Cappenberg überlegen, machen wir mit oder nicht. Ich sehe jetzt nicht, dass das unbedingt Streit erzeugen muss. Ein anderes Thema sind die Kitas. Auch hier kann man überlegen, was gemeinsam geht und was nicht, ganz ohne Druck. Für mich ist die Frage: Wie grundlegend schaffen wir es, Denken zu verändern und Kirche umzugestalten? Vergangene Prozesse hatten oft einen Optimierungsgedanken. Jetzt wollen wir Dinge anders machen. Ob wir dahin kommen, das ist für mich die Streitfrage, sozusagen.

Wie wirkt sich der Pastorale Raum auf das kirchliche Leben aus?

Wir stehen am Anfang des Prozesses und bilden gerade ein Koordinierungsteam, um dann in Fachgruppen bestimmte Themen zu bearbeiten. Also wir sind noch nicht da, wo wir sagen können, das ändert sich jetzt konkret. Aber ich hoffe, dass es positive Veränderungen sind. Kleiner werden wir von alleine. Der Pastorale Raum ist die Chance, mit dem Kleinerwerden kreativ und produktiv umzugehen.

Gibt es ein Beispiel?

Das Bistum bietet den Pfarreien an, Kitas in größeren Trägerschaften zu übernehmen. Verwaltung und Finanzierung durch das Land sind dann leichter zu organisieren. Da ist vielleicht die Sorge, ob die Gemeinde den Kontakt zur Kita verliert. Das müssen die Pfarreien sorgsam abwägen. Für uns ist das noch Zukunftsmusik. Aber die Awo macht es schon. Wir hoffen, Ressourcen effizienter einsetzen zu können und an anderer Stelle davon zu profitieren. Eine Möglichkeit wäre, die Öffentlichkeitsarbeit im Pastoralen Raum gemeinsam zu organisieren. Das gilt auch für Firmung und Erstkommunion oder Beerdigungsdienste.

Die Kirche verliert an Bedeutung. Bestärken die Veränderungen diesen Trend?

Das Gegenteil ist das Ziel. Bischof Felix Genn hat gesagt, wir müssen die pastoralen Strukturen so gestalten, dass die Verkündigung des Evangeliums auch in Zukunft unter veränderten Rahmenbedingungen möglich ist. Dafür müssen Strukturen geschaffen werden. Wir versuchen in der Fläche präsent zu bleiben, indem wir zusammenarbeiten. Ob das gelingt, ist die Frage. Klar ist, dass der Pastorale Raum als Name keine Identifikationsgröße für die Menschen sein wird. Das muss er aber auch nicht. Menschen in Lünen werden sagen, ich bin Lüner und ich bin Katholik und vielleicht gehöre ich zu einem Kirchort. Vielleicht sagen sie, ich habe ein Interesse. Zum Beispiel ist mehrfach das Thema Schöpfung und Ökologie aufgetaucht. Mehrere in den drei Pfarreien wollen sich engagieren. Möglicherweise geht das zusammen. Auch die Waldschule in Cappenberg kann sich eine Kooperation vorstellen. In einer Pfarrei alleine hätte das vielleicht gar nicht möglich sein können, weil dort zu wenig Leute sind.

Ist das Ausscheren von Selm noch ein Thema?

Es ist mir begegnet in Form von Frustration oder auch von Menschen, die gesagt haben, das ist aus ihrer Sicht keine gute Entscheidung. Aber es ist mir nicht in dieser Vehemenz begegnet, dass ich denke, da müssten wir jetzt noch mal dringend ran. Es war ja auch eine Entscheidung von Selm und nicht von den Akteuren, mit denen ich hier zu tun habe. Es wird schon gesagt, wir hätten uns das anders gewünscht. Aber nun ist es so.

Zum Thema

Das ist Matthias Grammann

  • Der 38-Jährige hat Deutsch und Religion fürs Lehramt studiert. Nach dem Referendariat absolvierte er eine Ausbildung zum Pastoralreferenten in Recklinghausen.

  • Seit knapp zehn Jahren ist Matthias Grammann Leiter des Jugendcafés Areopag in Recklinghausen.

  • Er lebt in Herten, ist verheiratet und Vater zweier Kinder (3 und 5 Jahre).

  • Zurzeit absolviert er eine Weiterbildung zum systemischen Berater in Essen.