Die Post am Postplatz ist keine mehr Prachtbau war vor 115 Jahren der Stolz von Schwerte

Die Post, die keine mehr ist: Prachtbau war einst als Stolz der Stadt
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Die gelbe Leuchtreklame war als erstes abgeschraubt. Im Handumdrehen verschwanden anschließend auch die Automaten für Bargeld und Überweisungen sowie die Brieftresen. Leer und verlassen sind die großen Schalterräume am Postplatz, seitdem am 20. November nach der Post auch noch die Postbank für immer ausgezogen ist. Nur noch Erinnerung sind die Schlangen der wartenden Kunden mit Briefen und Päckchen, die sich gerade in der Vorweihnachtszeit oft bis weit nach draußen in Richtung Kastanie zurückstauten. Das prächtige Gebäude hat seine Funktionen, für die es vor über 100 Jahren gebaut wurde, verloren. Damals waren sogar noch Rentenzahlstelle, ein eigener Bereich für Pakete, zahlreiche Beamtenbüros und etliche Dienstwohnungen unter seinem mächtigen Dach vereint.

Kunstvoll durchgestylt hatten die Architekten auch das Innere des Posthauses samt Briefschaltern und sogar den Türzargen.
Kunstvoll durchgestylt hatten die Architekten auch das Innere des Posthauses samt Briefschaltern und sogar den Türzargen. © Stadtarchiv Schwerte

Bis ins Kleinste durchgestylt

Als ein Stolz der Stadt war das „Posthaus für Schwerte“ zu Anfang des 20. Jahrhundert an zentraler Stelle zwischen dem Altstadtkern und dem eher noch jungen Bahnhof errichtet worden. Akribisch arbeiteten die Architekten ihr repräsentatives Objekt für das „Postbaubureau Schwerte-Ruhr“ bis in die kleinsten Details aus. Nicht nur die Schmuckelemente an der Fassade mit dem prägenden Türmchen an der Ecke zur Rathausstraße (damals noch Hörder Straße) lagen ihnen am Herzen. Durchgestylt - wie man heute sagen würde - wurden auch die Fenstergitter und das Innere bis zu den Briefschaltern und den Zargen der Bürotüren. Ihre Entwürfe ließen selbst die Einfassungsmauern und das Einfahrtstor zum Posthof am Senningsweg nicht dem Zufall oder dem Einfallsreichtum der Maurer überlassen. Repräsentativ sollte der Nachfolger für den eher schmucklosen vorherigen Dienstsitz im Eckhaus Bahnhofstraße/Poststraße (heute: Qerimi Bau) werden.

"Partie am Kaiserlichen Postamt" ist die Postkarte aus dem Jahre 1913 betitelt. Bemerkenswert ist der offene Balkon über dem Haupteingang.
"Partie am Kaiserlichen Postamt" ist die Postkarte aus dem Jahre 1913 betitelt. Bemerkenswert ist der offene Balkon über dem Haupteingang. © Frank Wiedenbruch (A)

Das alles beweisen die gut erhaltenen Originalpläne, die Stadtarchivarin Beate Schwietz in zwei dicken Mappen hütet. Ein besonderes Prunkstück ist die großformatige, aufklappbare Außenansicht der Schauseiten zum Postplatz und zur Rathausstraße, die der besseren Haltbarkeit wegen auf der Rückseite eigens mit aufgeklebtem Leinen verstärkt worden ist. Wie oft mögen die Erbauer diesen Plan, der zur Bauerlaubnis vom 13. Januar 1909 gehört, wohl in die Hand genommen haben? Andere Zeichnungen zeigen, dass schon damals Wert gelegt wurde auf die Entsorgung des Abwassers mit einer eigenen biologischen Kläranlage.

Eine Halle für die Postbusse

Einen Kanalanschluss erhielt die Post im Jahre 1927, wie weitere Abwasserpläne zeigen. Im selben Jahr sollte die neue Zeit des öffentlichen Nahverkehrs mit dem Postbus in der Ruhrstadt anrollen. „Zur Einrichtung eines Kraftfahrbetriebs“ stellte die Oberpostdirektion Dortmund am 13. Juli 1927 einen Antrag, die bisher vorhandene Wagenhalle zu einer Kraftfahrzeughalle auszubauen. Viel Schriftverkehr erforderte die Genehmigung einer Benzintankanlage mit einem 1000-Liter-Tank, der schon im Februar 1930 auf das doppelte Fassungsvermögen erweitert wurde. Sicherheit wurde - nicht nur mit der Pflicht zu Feuerlöschern - von den Behörden ganz großgeschrieben. Der neue Betriebszweig Kraftpost entwickelte sich offenbar zu solch einem Erfolgsmodell, dass schon 1936 die Garage komplett abgerissen und durch einen Neubau mit nunmehr fünf Einfahrtstoren ersetzt werden sollte.

Für den neu eingerichteten Postbusverkehr wurden 1927 Garagen auf dem Posthof benötigt.
Für den neu eingerichteten Postbusverkehr wurden 1927 Garagen auf dem Posthof benötigt. © Repro Schmitz

Alles erforderte seinen behördlichen Gang. Sogar ein Briefeinwurf auf dem Postplatz bedurfte einer eigenen Genehmigung. Am 29. März 1930 wurde der Antrag für das nötige Sockelpodest eingereicht. Gleiches galt sechs Jahre später für das Aufstellen eine Fahrradständers „nach Art des vor der Polizeiwache befindlichen“. Die gerade mal 80 Zentimeter breite Konstruktion sollte „hinter dem Kastanienbaum“ aufgestellt werden, damit die Drahtesel nicht mehr an die Hausfront angelehnt werden mussten.

Schon 1937 Luftschutzräume

Auch Geheimes offenbaren die historischen Bauakten. Lange vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden im Keller des Postgebäudes schon Vorkehrungen vor den Angriffen von Bombenfliegern getroffen. Auf einem Plan der Reichspostdirektion vom 25. Januar 1937 sind in der äußersten Ecke an der Rathausstraße gleich drei „Luftschutzräume“ von je 2,5 mal 6 Metern Größe eingezeichnet. Gleich daneben befindet sich eine „Befehlsstelle“.

Im Zuge der Eröffnung der ersten Postbuslinien in Schwerte legte die Oberpostdirektion Dortmund im Juli 1927 Pläne für den Umbau der alten Wagenhalle auf dem Posthof zu einer Kraftfahrzeughalle vor.
Im Zuge der Eröffnung der ersten Postbuslinien in Schwerte legte die Oberpostdirektion Dortmund im Juli 1927 Pläne für den Umbau der alten Wagenhalle auf dem Posthof zu einer Kraftfahrzeughalle vor. © Stadtarchiv Schwerte

Als letzte große Veränderung nennt der historische Archivbestand die Umstellung der Heizung von Koks auf Öl im Jahre 1966, wofür zwei Tanks von zusammen 36.340 Litern in den Kellern aufgestellt wurden. Die Brenner hielten die Arbeitsstätten der unzähligen Postbeamten warm, von denen es damals in dem Gebäude nur so wimmelte. Hinter den Schaltern der Briefpost, der Paketpost, des Postscheck- und Postsparkassenamt oder in der Vermittlung für Ferngespräche in der hauseigenen Telefonzelle nebenan. Schüler und Auszubildende, die eine Monatskarte für den Postbus nach Lichtendorf benötigten, holten sich die Stempel in den Büros im ersten Obergeschoss. Auch Anträge für einen Telefonanschluss zu Hause wurden natürlich im Postamt gestellt, wo man auch eilige Nachrichten per Telegramm aufgeben konnte.

Brief am selben Tag zugestellt

Noch Mitte der 1990er-Jahre drubbelten sich an jedem Werktag in aller Herrgottsfrühe Scharen von Postboten in dem riesigen Saal der Postverteilung, um ihre Briefe und Karten vor dem Ausschwärmen in die Stadt nach Zustellbezirken, Straßen und Hausnummern zu sortieren. Kaum zu glauben: Selbst Sendungen, die bis 7.30 Uhr in den großen Briefkasten vor der Hauptpost gesteckt worden waren, wurden noch heraufgeholt und Empfängern in Schwerte noch am selben Tag überbracht.

Der Lageplan zur Bauerlaubnis vom Januar 1909 zeigt die Größe des Postkomplexes samt Hofflächen im Dreieck zwischen Senningsweg und Hörder Straße (heute: Rathausstraße).
Der Lageplan zur Bauerlaubnis vom Januar 1909 zeigt die Größe des Postkomplexes samt Hofflächen im Dreieck zwischen Senningsweg und Hörder Straße (heute: Rathausstraße). © Stadtarchiv Schwerte

„Die Post erwacht in Herrgottsfrühe“, titelten die Schwerter Ruhr Nachrichten nach einem Recherche-Besuch für ihre Adventstürchen-Aktion am 13. Dezember 1995. Es war ein letzter Einblick in die vergängliche Arbeitswelt. Alles änderte sich, als die Politiker in dieser Zeit die Privatisierung der Post beschlossen, die in die Teilbereiche Postdienst, Postbank und Telekom aufgesplittet wurde. Die historische Hauptpost am Postplatz 5 wurde schon 1996 an einen Investor aus Soest verkauft. Verhandlungen, dort eine Nebenstelle des Rathauses anstelle der Büros an der Schützenstraße einzurichten, zerschlugen sich. Träume blieben auch Pläne für den Bau eines Altenheims oder eines modernen Netto-Supermarkts auf dem damals noch großflächigen Posthof. Man darf gespannt sein, welche Nutzung die Schwerter künftig in den ehemaligen Schalterräumen finden werden.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 2. Dezember 2024.