
Sind wir uns einig, dass Handys Segen und Fluch zugleich sind? Wie konnten wir eigentlich überleben, bevor wir per Smartphone eine Pizza oder ein Sofa nach Hause liefern lassen konnten?
Wie haben wir es ertragen, nicht von überall aus jederzeit mit dem anderen Ende der Welt zu telefonieren? Wie haben wir uns nur in einer fremden Stadt zurechtgefunden, ohne dass Google maps uns den Weg wies?
Wie konnte unser Leben ohne die tausend Dienste des Smartphones, die uns das Leben leichter machen, die uns informieren und unterhalten, überhaupt funktionieren? Es klingt für Menschen unter 30 verrückt, aber: Es ging und vermisst hat niemand etwas.
Inzwischen ist das Smartphone für fast jeden von uns ein ständiger Begleiter. Aber: Was zu viel ist, ist zu viel. Womit wir beim Thema Schule wären.
Nach und nach hat sich das Smartphone in die Schulen geschlichen wie ein Dieb in der Nacht. Selbst Grundschüler schleppen ihr Smartphone inzwischen ins Klassenzimmer.
Hessen will das nicht mehr. Dort soll ab 1. August die private Nutzung von Handys in Schulen – mit kleinen Ausnahmen – grundsätzlich verboten sein. In anderen Bundesländern gibt es Teilverbote, NRW arbeitet an „altersgerechten Vorgaben“. Ansonsten gilt: Jede Schule in Deutschland entscheidet selbst über Handyverbote.
79 Länder haben schon Smartphone-Verbote in Schulen
Ja, für Schulen sind die Bundesländer zuständig, aber: Die typisch deutsche Methode „Jedes Land, im Zweifel sogar jede Schule entscheidet selbst“ ist verwirrend, zwingt Lehrerinnen und Lehrer in zähe Rechtfertigungs-Diskussionen mit Kollegen, Schülern und Eltern. Was für eine Verschwendung von Zeit und Energie!
Andere Länder machen längst vor, wie es geht. Laut Unesco haben schon 79 Länder Smartphone-Verbote in Schulen verhängt. Frankreich erließ bereits 2018 ein Verbot. Bis heute folgten unter anderem – mit kleinen Varianten im Detail – Holland, Italien, Spanien, Lettland, Luxemburg, Norwegen, Griechenland und Irland.
„Eine klare Regel wäre so einfach“
Warum trauen wir Deutschen uns nicht, klare Regeln aufzustellen, an die sich alle halten müssen? Etwa so: Handys sind an allen Schulen für alle Schülerinnen und Schüler verboten. Auch in der Oberstufe, denn da wird besonders gern gechattet und geschummelt. Sie haben von der ersten bis zur letzten Minute des Schultages – inklusive Pausen – in der Tasche oder zu Hause zu bleiben. Punkt.
Hält sich jemand nicht daran, wird das Handy einkassiert. Bei Minderjährigen können die Eltern es nach dem Unterricht abholen, bei Volljährigen gibt es das Handy nach Unterrichtsschluss zurück. Das wäre doch mal ein kluger Beschluss der Kultusministerkonferenz.
Dass so das Cybermobbing an Schulen ebenso zurückgedrängt würde wie die Verbreitung wenig jugendfreier, teils auf der Schultoilette aufgenommener Videos in Chatgruppen, wäre nur ein positiver Effekt.
Mindestens ebenso wichtig wäre, dass die längst bekannte Erkenntnis, dass schon der kleinste Blick aufs Handy Schüler ablenkt, endlich Konsequenzen hätte. Jede Lehrerin, jeder Lehrer kann ein Lied davon singen.
Forscher der Uni Augsburg haben 2024 fünf Studien aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden ausgewertet. Alle sind sich in zwei Punkten einig. Erstens: Ein Handyverbot wirkt sich positiv auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler aus. Zweitens: Das Handyverbot hat positive Effekte für das soziale „Wohlbefinden“ junger Menschen.
„Man chattet mit dem Display, redet aber nicht mit dem Nachbarn“
Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, Bus oder Bahn fährt, weiß: Mit dem Smartphone in der Hand vergessen Menschen die Welt um sich herum. Man chattet mit dem Display, redet aber nicht mit dem Nachbarn. Das Gespräch von Mensch zu Mensch leidet. Das kann nicht gesund sein für die Entwicklung unserer Kinder.
Es gibt Eltern, die es für unabdingbar halten, ihr Kind jederzeit erreichen zu können und selbst jederzeit für sie erreichbar zu sein. Nein, das muss nicht sein. In Notfällen gibt es andere Lösungen. Die gab es im Übrigen auch schon vor der Erfindung des Smartphones 1994.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Drüll, lehnt ein Handyverbot ab. Schüler könnten lernen, sie „reflektiert zu nutzen“.
Mag sein, dass einige das können, viele können es nicht. Grenzen sind ja nicht dazu da, Menschen zu bevormunden, die vernünftig agieren. Grenzen gelten den anderen. Der Lehrerverband in Hessen unterstützt das Handyverbot. Gut so.
„Medienkompetenz ist wichtig, aber.....“
Und was ist mit dem Argument, Schüler müssten doch Medienkompetenz erwerben?
Richtig, aber niemand verbietet es, den Umgang mit digitalen Medien zu Hause und im Unterricht zu vermitteln, nur: Die Handy-Fixiertheit stört die Konzentration beim Lernen, lenkt vom Wesentlichen ab und ist ein Killer für den persönlichen Austausch untereinander. Das gilt übrigens nicht nur für Kinder und Jugendliche. Deshalb: Ein Handyverbot an allen Schulen muss her. Und diesmal, bitteschön, sofort einheitlich in ganz Deutschland!