DHB-Vorstandsvorsitzender im Exklusiv-Interview Welche Bedeutung hat der BVB für den Handball?

DHB-Vorstandsvorsitzender im Exklusiv-Interview: Welche Bedeutung hat der BVB für den Handball?
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Ein echtes Highlight wartet auf Dortmund am kommenden Samstag. Doppel-Spieltag der deutschen Handball-Nationalmannschaft in der Westfalenhalle. Um 15 Uhr spielen die Frauen gegen Pan-Amerika-Meister Brasilien, um 17.30 Uhr geht es für die Männer gegen Frankreich.

Vorab hat unsere Redaktion mit Mark Schober, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Handballbunds (DHB), gesprochen. Es geht um die Entwicklung des Handballs, die Bedeutung von Borussia Dortmund für den Sport sowie die Dortmunder Westfalenhalle.

Das Olympische-Turnier in Paris steht kurz bevor. Mit welchen Erwartungen geht der Deutsche Handballbund in die Wettkämpfe?

Für uns ist 2024 ein besonderes Jahr, weil wir uns zum ersten Mal seit 2008 mit beiden Nationalmannschaften für die Olympischen Spiele qualifiziert haben. Der Weg dahin war nicht leicht und man hat schon bei den Olympia-Qualifikations-Turnieren, die wir in Deutschland ausgetragen haben, gespürt, welche Freude das auslöst. Wer schon einmal bei Olympischen Spielen war, ob als Zuschauer oder Sportler, der weiß, dass das ein ganz besonderes Event ist.

Wir erleben gerade eine Fußball-Europameisterschaft, bei der die Menschen von überall her zusammen feiern. Das macht einfach Spaß. Und ich gehe davon aus, dass das in Paris genauso sein wird. Es wird definitiv anders sein als in Tokio, weil die Spiele 2021 von der Corona-Pandemie geprägt waren.

Auch wenn der Handball-Sport in Deutschland eine große Bedeutung hat, ist es schwer an den Fußball heranzukommen. Welche Entwicklung sehen Sie beim DHB?

Wir sehen eine positive Entwicklung und können diese auch mit Zahlen belegen. Wir hatten die Europameisterschaft im Januar in Deutschland und beim Eröffnungsspiel mit 53.386 Fans einen Zuschauerweltrekord. Bei dieser Europameisterschaft ist unser Match-Plan voll aufgegangen. Direkt zum Start hatten wir eine Reichweite von acht Millionen Zuschauern allein im linearen Fernsehen.

Wir gehen davon aus, dass wir fünf bis zehn Prozent neue Mitglieder gewinnen. Genau wissen wir das erst Ende des Jahres, wenn die endgültigen Zahlen erhoben sind. Also dürfen wir uns über neue Handballer und Handballerinnen freuen. Sportlich sind wir Vierter geworden und der Handball war in dieser Zeit in aller Munde. Insofern spüren wir einen Schub und ein deutliches Wachstum.

Inwiefern hilft diese Entwicklung?

Im Hinblick auf die Heim-WM der Frauen 2025 hilft die gesamte Aufmerksamkeit für unsere Sportart. Ohne Frage ist es eine andere Aufgabe, ein Frauen-Turnier auszutragen und die Hallen zu füllen. In Dortmund spielen wir am Samstag und auch bei der WM in der Westfalenhalle vor möglicherweise 11.000 Zuschauern. Aber das wollen wir annähernd auch an Spieltagen ohne deutsche Beteiligung schaffen.

Das wird eine Herausforderung, ohne Frage. Beim Olympia-Qualifikationsturnier der Frauen hatten wir zwei Spiele live in der ARD. Auch da spüren wir eine deutliche Entwicklung. Deswegen sind wir optimistisch, dass wir die Veranstaltung reichweitenstark und mit vielen Zuschauern platzieren können.

Welche Bedeutung hat die Dortmunder Westfalenhalle für den deutschen Handball?

Die Westfalenhalle hat eine unglaublich große Tradition. Die Akustik ist sensationell, ich erinnere mich an das BVB-Spiel in der European League. Das war der Wahnsinn. Wenn ich darüber rede, bekomme ich immer noch Gänsehaut.

Die Handball-Nationalmannschaft spielt am Wochenende in der Westfalenhalle.
Die Handball-Nationalmannschaft spielt am Wochenende in der Westfalenhalle. © picture alliance / Bernd Thissen/dpa

Am Samstag sind die Panamerikameisterinnen aus Brasilien und Europameister Frankreich als Testspiel-Gegner zu Gast. Was erwarten sie für eine Kulisse?

Dafür, dass wir mitten in den Sommerferien sind, ist der Vorverkauf für die Länderspiele gegen Brasilien und Frankreich ordentlich angelaufen. Über 9000 Karten sind verkauft.

Mit Brasilien bei den Frauen und Frankreich bei den Männern haben wir auch sehr starke Gegner. Sportlich wird das sehr attraktiv, auch wenn es Vorbereitungsspiele sind.

Vor allem, weil einer der größten Handballer aller Zeiten seine Abschiedstournee gibt: Nikola Karabatić wird nach Olympia seine Karriere beenden...

Es ist das letzte Mal, dass wir ihn auf deutschem Boden spielen sehen. Er hat sehr lange in Deutschland gespielt. Auf seinen Auftritt können sich die Fans freuen. Trotz seines Alters ist er noch so sehr wertvoll für die französische Mannschaft. Das hat man auch bei der Europameisterschaft gesehen.

Auf Abschiedstour in Dortmund: Frankreichs Nikola Karabatic (l.).
Auf Abschiedstour in Dortmund: Frankreichs Nikola Karabatic (l.). © picture alliance/dpa

Was erhofft sich der DHB von den Doppel-Spieltagen?

Für uns sind solche gemeinsamen Events wichtig, um mehr Aufmerksamkeit auf den Frauensport zu lenken. Der hat das einfach verdient. Wir sehen es im Verband als unsere Aufgabe, den Menschen den Frauenhandball näherzubringen. Das ist ein technisch und athletisch hochattraktiver Sport, der da geboten wird.

Sie sprechen den Frauenhandball an. Welche Bedeutung hat Borussia Dortmund für den Sport in Deutschland?

Borussia Dortmund ist als Verein die stärkste Marke im deutschen Frauenhandball. Das tut dem Frauensport sehr, sehr gut. Wir wollen den Frauensport lukrativ machen, weil wir dort in vielerlei Hinsicht ein riesiges Potenzial sehen. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung darf man davon ausgehen, dass es mehr Wachstum geben wird. Da hilft uns natürlich eine starke Marke wie Borussia Dortmund sehr.

Wie soll dieses Wachstum erreicht werden? Borussia Dortmund zum Beispiel wartet weiterhin auf eine eigene Handballhalle in der Stadt.

Wir brauchen eine weitere Professionalisierung der Strukturen im Frauenhandball. Da geht es um Mitarbeitende, Trainingsbedingungen, um Nachwuchsförderung und eben auch um Mindeststandards in Bezug auf die Halleninfrastruktur. Eine Entwicklung ist nur möglich, wenn Standards gesetzt werden.

Wir wissen aus anderen Sportarten oder der 2. Handball-Bundesliga der Männer, dass mit einer entsprechenden Infrastruktur auch ein gutes Produkt entstehen kann. Wenn alle dieses Wachstum wollen, dann müssen wir in diesen Bereichen besser werden. Das betrifft aber nicht nur den BVB.

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In einem Grundlagenvertrag wurden Anpassungen zu Professionalisierung der Handball-Bundesliga-Frauen zur Saison 2024/25 festgelegt. Die Anzahl der Teams wurde auf 12 Mannschaften reduziert, eine Play-off-Runde wurde wieder eingeführt, es gibt neue Mindeststandards für die Arenen und die Vereine müssen ein Mindestbudget von 500.000 Euro vorweisen. Die Änderungen stießen nicht bei allen Vereinen auf Zustimmung. Warum diese Anpassung?

Unser Ziel ist es, den Frauenhandball noch lukrativer zu machen. Dafür bedarf es mehrerer Bausteine. Der erste Baustein ist die Entwicklung von Spielsystemen. Wir sind davon überzeugt, dass ein Play-off-System deutlich spannender und attraktiver ist. Highlight-Veranstaltungen erzeugen mehr Aufmerksamkeit.

Zweiter Baustein ist die Einführung von Mindeststandards. Dritter Baustein ist die Talententwicklung: Dazu ergreifen wir Maßnahmen in der Ausbildung und Förderung und wollen Bundesstützpunkte in Leipzig und Stuttgart einführen, um die Arbeit der Bundesliga-Klubs zu ergänzen.

Von diesen Reformen wird die Handball Bundesliga Frauen profitieren. Das passt in die Gesamtstrategie: Am kommenden Samstag hoffen wir, einen Doppel-Länderspieltag in Dortmund mit bis zu 11.000 Zuschauern zu sehen. Die Frauen-WM 2025 ist dann eine weitere Highlight-Veranstaltung. Wir wollen damit kein Geld verdienen, sondern eine größere Aufmerksamkeit erzielen. Das wird allein deshalb gelingen, weil die Medien einfach zu einer Heim-WM mehr als über Turniere im Ausland berichten.

In den letzten Jahren haben mehrere Spielerinnen ihre Erfahrungen mit Gewalt und Machtmissbrauch im Handballsport öffentlich gemacht. Mit Sicherheit auch ein Thema, was in den Professionalisierungs-Plänen des Verbandes eine Rolle spielt. Oder?

Es ist ein sehr wichtiges Thema, das den gesamten Sport betrifft. Wir haben im DHB schon seit 2017 entsprechende Konzepte und Schutzmaßnahmen eingeführt.

Das an die Vereinsbasis zu bringen, bleibt eine Aufgabe. Wir haben Workshops mit den Landesverbänden durchgeführt. Wir spüren, dass in unseren Anlaufstellen diese Themen zunehmen.

Alle Beteiligten müssen sich auf den Weg machen, entsprechende Strukturen zu schaffen. Es ist aber eine Herausforderung für den gesamten deutschen Sport von der Spitze bis in die Breite. Wenn Menschen sagen, sie erfahren Gewalt, dann müssen die Organisationen das ernst nehmen. Das darf nicht infrage gestellt werden.