Dreigeschossige Häuser auf Kreutzkamp-Gelände geplant „Das zerstört Cappenbergs Charakter“

Kritik an Kreutzkamp-Bauvorhaben: „Das zerstört Cappenbergs Charakter“
Lesezeit

Christoph Kappenberg steht am Rand der Dorfstraße des Ortes, der genauso lautet wie sein eigener Name: Cappenberg. Er blickt nach Nordwesten: 50 Meter Freifläche, leicht aufsteigendes Gelände, dann erhebt sich der langgezogene, rote Backsteinbau, der schon immer da war, seitdem er denken kann: Haus Kreutzkamp, eine der ältesten und bekanntesten Gastwirtschaften der ganzen Region. Wenn es nach der Stadt Selm geht, wird Haus Kreutzkamp oder vielmehr das, was davon übrig bleiben wird, in wenigen Jahren nicht mehr zu sehen sein von dem Platz an der Dorfstraße, wo Christoph Kappenberg an diesem Apriltag steht. Stattdessen wird der Blick auf dreigeschossige Wohnhäuser und dazugehörige Parkplätze fallen. Kappenberg schüttelt den Kopf. Wenn das so käme, sagt er, „ist es vorbei mit Cappenbergs dörflichem Charakter“. Christoph Kappenberg will das nicht zulassen. „Ich werde dafür kämpfen.“

Für manche in Cappenberg ist Haus Kreutzkamp an der zentralen Straßenecke Borker Straße/Cappenberger Damm so etwas wie das Dorfzentrum. Für Christoph Kappenberg ist es ein Stück Heimat. Er ist ganz in der Nähe aufgewachsen. Nostalgiker ist der Kommunalpolitiker, der für die CDU im Stadtrat von Selm sitzt, allerdings nicht. Ob es ihm gefällt oder nicht: Dass die Eigentümer das 6200 Quadratmeter große Grundstück mit dem inzwischen leer stehenden Gebäude einer neuen Nutzung zuführen möchten, akzeptiert er. Die geplante Art und Weise mit 27 Wohneinheiten in drei dreigeschossigen Häusern und 38 Parkplätzen findet er allerdings „viel zu massiv“. Das hat er bereits vor einem Jahr, im April 2024, deutlich gemacht.

Damals hatte Prof. Florian Ebrecht, der Enkel des Coca-Cola-Fabrikanten Karl Ebrecht aus Lünen, sein Bauvorhaben erstmals im Selmer Stadtplanungsausschuss vorgestellt. Das hatte prompt für heftige Kritik von Christoph Kappenberg und besorgten Nachfragen auch anderer Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker gesorgt. „Ein Jahr später“, sagt Kappenberg und schüttelt wieder den Kopf, „hat sich aber nichts an den damals vorgestellten Plänen geändert“. Ohne das strittige Vorhaben erneut im politischen Raum zu thematisieren, hatte die Stadt Selm im Oktober 2024 einen positiven Bauvorbescheid erteilt. Was er davon hält? Christoph Kappenberg hat in der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses (10. April) in kein Blatt vor dem Mund genommen.

Stadt Selm hat positiven Bauvorbescheid gegeben

Die Stadtverwaltung Selm mache sich mitverantwortlich dafür, dass Cappenbergs Dorfcharakter zugrunde gerichtet werde, sagte der aufgebrachte CDU-Politiker. Er selbst hatte die Kreutzkamp-Pläne thematisiert. Auf der regulären Tagesordnung standen sie seit dem Vortrag von Florian Ebrecht ein Jahr zuvor nicht mehr. Auf Kappenbergs Frage bestätigte Baudezernent Thomas Wirth: „Die Stadt hat einen positiven Baubescheid erteilt. Der uns vorliegende Bauantrag ist in der Bearbeitung.“ Wirth mochte die Aufregung darüber nicht verstehen. Die Stadtverwaltung habe nach geltendem Bau- und Planungsrecht geurteilt. Die Bebauung füge sich in die nähere Umgebung ein. Letzteres sieht Kappenberg komplett anders. Und nicht nur er.

Drei Merhrfamilienhäuser plant das Unternehmen Ebrecht Immobilien rund um Haus Kreutzkamp (rot) zu errichten. Es handelt sich um eine Ansicht aus der Präsentation, die Prof. Florian Ebrecht im April 2024 im Ausschuss in Selm hielt.
Drei Mehrfamilienhäuser plant das Unternehmen Ebrecht Immobilien rund um Haus Kreutzkamp (rot) zu errichten. Es handelt sich um eine Ansicht aus der Präsentation, die Prof. Florian Ebrecht im April 2024 im Ausschuss in Selm hielt. © Stadt Selm
https://tools.pinpoll.com/embed/310572

Kappenberg hat sich Rechtsbeistand geholt. Immer noch auf der Dorfstraße stehend zitiert er, was die Kanzlei Lenz und Johlen aus Köln, formuliert haben. „Es gibt durchaus beachtliche Gründe für die Annahme, dass das geplante Vorhaben im Hinblick auf die Zahl der Vollgeschosse und im Hinblick auf die Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl den Rahmen der näheren Umgebung, der an der Südostgrenze mit der Straße Cappenberger Damm endet, überschreitet.“ Dass die Wohnungsbaugesellschaft Lünen vor rund 20 Jahren auf der anderen Seite des Cappenberger Damms dreigeschossige Wohnhäuser gebaut hat - ein kleines Versorgungszentrum mit Bäckerei, Friseur und italienischem Restaurant - dürfe nicht als Argument dienen, betont Kappenberg mit Verweis auf seine Rechtsberatung. „Die Straße stellt eine wirksame Trennlinie dar.“

Wenn jetzt auch auf der Kreutzkamp-Fläche dreigeschossig gebaut werde, verändere das nicht nur den Charakter der gesamten Innenlage Cappenbergs, sondern am Ende auch den Immo-Markt. Die Rechtsanwälte sprechen von „Vorbildwirkung“ und „bodenrechtlich beachtliche Spannungen“. Kappenberg nennt es schlicht „Dammbruch“. Die historischen Villen an der Borker Straße könnten am Ende wie Fremdkörper zwischen hohen Mehrfamilienhäusern wirken. „Denn wem will man dann noch verbieten, dreigeschossig zu bauen?“

Einer der vier Bäume, die bereits weichen mussten, auf dem weitläufigen Kreutzkamp-Grundstück in Cappenberg.
Einer der vier Bäume, die bereits weichen mussten, auf dem weitläufigen Kreutzkamp-Grundstück in Cappenberg.

Volksbank baut zwei Mehrfamilienhäuser

Kappenberg will juristisch gegen den Bauvorentscheid, den die Stadt erstellt hat, vorgehen. Solange, hofft er, werde die Stadt den Bauantrag nicht erteilen. Für vier große Bäume ist es bereits zu spät. Sie hat das Unternehmen Ebrecht Immobilien bereits fällen lassen: ein Vorgang, von dem die Stadtverwaltung nichts gewusst haben will. Während Kappenberg das sagt, dreht sich der Baukran über Haus Kreutzkamp. Die Volksbank Selm-Bork hatte auf der anderen Seite einen Monat zuvor mit dem Bau von zwei Mehrfamilienhäusern begonnen: zweigeschossig mit Staffelgeschoss. Das sei, sagt Christoph Kappenberg, so gerade noch verträglich. „Dreigeschossig aber nicht.“

Was Florian Ebrecht dazu sagt? Gar nichts. Seit Anfang März hatte die Redaktion ihm drei Anfragen zugeschickt. Keine hat der Professor für Immobilienmanagement bislang beantwortet.

Volksbank Selm-Bork baut in Cappenberg: Neben Haus Kreutzkamp entstehen Mehrfamilienhäuser