Der zentrale Vorwurf des Fachverbands „Mehr Demokratie“ ist einfach auf den Punkt gebracht: Städte sollten dafür sorgen, dass sich die Bürger möglichst einfach an Wahlen und Abstimmungen beteiligen können. Und das mache die Stadt Lünen bei der Bürgerabstimmung über mögliche Gewerbeentwicklungen am Klöters Feld und an der Derner Straße am 11. Dezember nicht.
„Diesem Grundsatz kommt die Stadt nicht nach“, sagt Achim Wölfel, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie NRW in einer Stellungnahme. Dass die Wahl möglichst einfach sein muss, gilt natürlich immer - aber besonders bei Bürgerentscheiden. Da nämlich muss das sogenannte Zustimmungsquorum erfüllt werden. 15 Prozent aller Abstimmungsberechtigten müssen für einen solchen Entscheid stimmen. Das sind im Lüner Falle etwa 10.000 Stimmen, die gegen die Fortführung der Verfahren an beiden Orten eingehen müssten.
Seine Kritik untermauert der Verband auch mit konkreten Punkten. Ein Beispiel: die Reduzierung der Wahllokale. Bei der Landtagswahl hatte es noch 66 Wahllokale gegeben, am Sonntag sind es nur 16. „Erfahrungsgemäß ist die Beteiligung bei Bürgerentscheiden, die nicht mit anderen Wahlen wie zum Beispiel der Bundes- oder Landtagswahl kombiniert sind, sehr gering“, sagt dazu Stadt-Pressesprecher Daniel Claeßen.
Deshalb habe die Stadt gut erreichbare und barrierefreie Stimmräume ausgewählt sowie frühzeitig auf die Möglichkeit der Briefwahl aufmerksam gemacht.
Briefwahl für alle nicht zulässig
Apropos Briefwahl. Mehr Demokratie kritisiert, dass die Stadt nicht automatisch Briefwahlunterlagen an alle Stimmberechtigten mitgesendet hat. Auch das würde die Wahlbeteiligung sicher erhöhen.
Das jedoch sei laut Satzung der Stadt Lünen gar nicht zulässig, sagt Claeßen. Die Satzung der Stadt Lünen gründe auf der Empfehlung des Städte- und Gemeindebundes. Beim Kreis Düren sei ein Bürgerentscheid mit automatischer Zusendung der Briefwahlunterlagen erfolgreich durchgeführt worden, entgegnet Mehr Demokratie. Der Fachverband hat auch eigene Satzungs-Empfehlungen, auf die Städte und Gemeinden zurückgreifen können.

Auch mit dem Abstimmungsheft ist Mehr Demokratie nicht zufrieden. Die Informationen darin seien sehr dürftig. „Statt Argumente für oder gegen die Bürgerbegehren zu liefern, hätten der Bürgermeister und die im Stadtrat vertretenen Fraktionen lediglich eine Stimmempfehlung ausgesprochen, ohne diese zu begründen“, wird Geschäftsführer Wölfel zitiert.
Stadtsprecher Claeßen beruft sich auch dabei auf rechtliche Grundlagen. Wenn sich der Rat nicht auf eine Obergrenze der Texte und eine „angemessene Darstellung der Inhalte“ einigt, „ist die Darstellung im Abstimmungsheft zu beschränken“, so Claeßen. Die nötige Einigung habe es nicht gegeben, daher die Beschränkung. Die Initiatoren des Bürgerentscheids hätten keine Bedenken dagegen gehabt.
„Verdrehte Demokratie“
Etwa 40 Prozent der Bürgerentscheide scheitern laut Mehr Demokratie am Quorum und somit im Endeffekt an der niedrigen Wahlbeteiligung. „Das ist verdrehte Demokratie, wenn die über einen Bürgerentscheid bestimmen, die selbst nicht hingehen“, sagt dazu Ina Poppelreuter, Sprecherin von Mehr Demokratie.
Wie die Wahlbeteiligung am Sonntag aussehen wird, ist naturgemäß noch unklar. Klar ist: Stand Mittwochnachmittag (7.12.) sind bei der Stadt Lünen schon 5371 Stimmen per Briefwahl abgegeben worden.
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