Am achten Verhandlungstag im Berufungsprozess hat das Dortmunder Landgericht das Urteil gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Schlachtbetriebs Mecke in Werne gesprochen. Der Mann muss nicht ins Gefängnis. Die vom Amtsgericht in erster Instanz verhängte Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung bleibt bestehen.
„Der Angeklagte ist vom Charakter her kein sadistischer oder völlig enthemmter Tierquäler“, sagte der Vorsitzende Richter Ulf Pennig in der Urteilsbegründung. Der Mann habe vielmehr unter erheblichem Druck von Firmenchef Marko Mecke gestanden. „Und diesem Druck war er nicht gewachsen.“
SOKO Tierschutz deckte auf
Die SOKO Tierschutz hatte den Skandal mit Aufnahmen einer versteckten Kamera aufgedeckt. Die Videos zeigen, wie der Angeklagte mehrere Rinder in der Tiersammelstelle von Mecke in Werne beim Verladen brutal misshandelt und quält - unter anderem mit einer Mistgabel, deren Forken im Körper des Tieres steckenbleibt.
Darüber hinaus soll der Angeklagte den Rindern kein Futter und Wasser gegeben haben. Angeblich geschah dies auf Anweisung des Firmenchefs, der ihm gesagt haben soll: „Für die kurze Zeit, die ihnen bis zur Schlachtung bleibt, kriegen die nichts.“
„Sadistisch und boshaft“
Richter Pennig nannte die Taten des Angeklagten zwar „sadistisch, widerwärtig und boshaft“. Die Kammer wollte sich dennoch nicht der Forderung von Oberstaatsanwalt Arkadius Wyrwoll anschließen, der findet, dass der Mann ins Gefängnis gehört.
„Wir sind auch bei diesen schlimmen Taten noch lange nicht am Ende der Fahnenstange“, so Pennig. „Wir können uns sehr viel schlimmere Tierquälereien vorstellen und vor allem auch deutlich niedrigere Beweggründe, als die, mit denen wir es hier zu tun haben.“
„Zeit ist Geld“
Der Angeklagte hatte schon früh im Ermittlungsverfahren ein Geständnis abgelegt und die Tierquälereien mit seiner Überforderung begründet. Bei Marko Mecke habe immer alles ganz schnell gehen müssen. „Zeit ist Geld“, soll einer der Lieblingssprüche des Chefs gewesen sein.
Um den Druck zu erhöhen, soll Marko Mecke dem Angeklagten mehrmals damit gedroht haben, ihn bei schlechter Arbeit „auf die Straße zu setzen“. Hintergrund: Der Angestellte wohnt mit seiner insgesamt achtköpfigen Familie ein Haus, das der Familie Mecke gehört. „Und er hatte Sorge, dass er eine andere passende Bleibe, die auch noch bezahlbar ist, nicht findet“, hieß es in der Urteilsbegründung.
Tierschützer enttäuscht
Während der Angeklagte und seine Familie erleichtert auf den Urteilsspruch reagierten, zeigten sich die zahlreichen Tierschützer im Gerichtssaal wütend und enttäuscht. „Was muss man denn noch machen, damit man ins Gefängnis muss?“, fragten sie. Die Begründung der Richter überzeugte sie keineswegs.
Und auch Oberstaatsanwalt Wyrwoll beschrieb das, was er von Richter Pennig gehört hatte, nach Verhandlungsschluss so: „Ich fand das einfach zu dünn.“ Die Ausführungen der Kammer würden der Sache seiner Ansicht nach nicht gerecht.
Fünf Jahre Bewährungszeit
Wyrwoll kündigte deshalb an, „sehr wahrscheinlich“ gegen die Entscheidung Revision einlegen zu werden. Dann würde das Oberlandesgericht in Hamm das Urteil auf mögliche Rechtsfehler überprüfen.
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, kann der Angeklagte darauf hoffen, dass die ihm Strafe in fünf Jahren erlassen wird - nämlich dann, wenn er in dieser Zeit keine neue Straftaten begeht. „Wenn aber doch noch mal was passiert, müssen sie damit rechnen, dass die Bewährung widerrufen wird und dann wandern sie ein“, gab ihm Richter Pennig mit auf den Weg.
Mit dem Urteil haben die Richter auch berufliches Umgangsverbot mit Tieren für den Mann bestätigt. Privat darf er hingegen Hunde, Katzen oder andere Tiere halten.