Graue Betonklötze werden zur Vorzeige-Siedlung Freie Wohnungen im „Modellquartier“

Modellquartier „Bergmannsgrün“: Nach der Sanierung stehen Neubauten an
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Wer länger nicht in diesem Dortmunder Wohnviertel war, wird es in Teilen kaum wiedererkennen. Grau-braue Mehrfamilienhäuser, die Jahrzehnte alt waren, sind so umfassend saniert worden, dass sie aussehen wie Neubauten. Die frisch gedämmten Außenwände sind in hellen Pastelltönen gestrichen worden, neue Fenster sind eingesetzt, neue Balkone errichtet, beides in chicem Anthrazit.

Und auch das direkte Umfeld hätte Chancen, es in einen Katalog für „Schöner Wohnen“ zu schaffen. Zwischen den Häusern sind Wege angelegt worden, die zu vielen kleinen Spielplätzen mit Wippen, Schaukeln und Klettergerüsten führen.

Ein frisch renoviertes Haus am Walkmühlenweg im Vivawest-Modellquartier "Bergmannsgrün" in Huckarde.
Die rundum modernisierten Häuser tragen XXL-Malereien. Dieses zeigt die Kokerei Hansa. Die meisten erinnern an die Bergbau-Vergangenheit des Stadtteils. © Natascha Jaschinski

Jedes Haus ist umgeben von frisch angelegten Blumenbeeten, in denen zwischen vielen Grünpflanzen typische Frühjahrsblumen stehen. Ordentlich stehen vor jedem Haus die Mülltonnen und Wärmepumpen hinter Mattenzäunen, die ebenfalls zum Teil bepflanzt sind. Unter großen, hölzern eingefassten Unterständen ist Platz für Fahrräder, alte Bäume sorgen zwischen den Häusern für Schatten.

Der größte Hingucker sind aber wohl die farbenfrohen XXL-Bilder, die auf viele Gebäude gemalt worden sind: Ein Turm der Kokerei Hansa ist dort zu finden, Gitterkörbe aus Waschkauen, ein Bergmann, ein Förderturm. Es dominieren Motive aus dem Bergbau – passend zum Namen des großen Modellprojekts, das diese Siedlung am Rande Huckardes ist.

„Bergmannsgrün“ – so haben die Bewohner ihr Quartier in einer Abstimmung getauft. Es ist ein Mammutprojekt, das ihr Vermieter, der Eigentümer der Häuser, sich vorgenommen hat: Mehr als 100 Millionen Euro steckt das Immobilienunternehmen Vivawest in das Total-Facelifting seines Bestands in den Straßen Walkmühlenweg, Thielenstraße, Brunshollweg und Pothmorgenweg. Aus der ehemaligen Eisenbahner-Siedlung soll ein modernes Viertel entstehen, mit energieeffizienten Wohnungen und attraktivem Umfeld. So sind auch ein Café und zum Beispiel Car-Sharing-Angebote geplant.

Seit September 2022 laufen die Arbeiten, teils heiß diskutiert, teils begleitet von diversen Anwohnerbeschwerden. Insgesamt ist der Umbau auf fünf Jahre angelegt. Halbzeit also, auch wenn sich laut Vivawest abzeichnet, dass man im Jahr 2027 nicht komplett fertig wird.

Häuser aufgestockt

Eine wichtige Etappe aber ist genommen: Laut Sprecher Gregor Boldt konnte der erste Bauabschnitt Ende 2024 abgeschlossen werden. Das bedeutet, dass nun 122 Wohnungen in der Thielenstraße und dem Walkmühlenweg „energetisch modernisiert“ sind: Gasheizungen wurden gegen Luft-Wasser-Wärmepumpen ausgetauscht, neue Fenster, Gegensprechanlagen und Haus- wie Wohnungstüren sind eingebaut, alle Bäder saniert worden. Die Fassaden sind gedämmt und neue Balkone angestellt, die Dächer sind begrünt und tragen Photovoltaik-Anlagen.

Alle Wohnungen sind vermietet – sie sind renoviert worden, während die Mieter sie bewohnten. Zusätzlich sind noch 61 neue Wohnungen entstanden, in dem jeder Gebäuderiegel um je eine Etage aufgestockt worden ist. Die Nettokaltmiete beträgt laut Vivawest 11,50 Euro pro Quadratmeter. Interessenten hätten zurzeit aber keine Chance, sagt Boldt: „Die Nachfrage nach den (...) zwei und vier-Zimmer-Wohnungen (...) war hoch.“ Alle seien vergeben.

Ein um eine Etage aufgestocktes Mehrfamilienhaus in der Vivawest-Siedlung "Bergmannsgrün" in Huckarde.
Vivawest hat in sogenannter Holzrahmenbauweise Häuser um je eine Etage aufgestockt und so zusätzliche Wohnungen geschaffen. © Natascha Jaschinski

Es gibt aber in den kommenden Jahren noch Chancen, ins „Bergmanngrün“ zu ziehen. Vivawest hat nicht nur modernisieren lassen, seit Januar 2023 werden im Walkmühlen- und Brunshollweg auch ganze Häuserzeilen Schritt für Schritt abgerissen. Der letzte alte Gebäuderiegel sei bald dran, so der Sprecher: Ab spätestens Juni werde auch dieser verschwinden.

Entstehen sollen hier 199 familien- und seniorengerechte neue Wohnungen – gut 50 mehr als weichen mussten. 66 der Wohnungen werde laut Vivawest öffentlich gefördert sein. Außerdem in der Planung sei noch ein Wohn-Angebot, das immer mehr im Trend liegt: rund 50 Mikroappartements mit einer Größe von etwa 23 Quadratmetern. Noch laufe das Bebauungsplanverfahren bei der Stadt. Vivawest geht aber davon aus, dass es im Sommer Rechtskraft erlange. Das bedeute: Mit den Bauarbeiten könne im Frühjahr/Sommer 2026 begonnen werden.

Blick auf die Freifläche, die entstanden ist, weil Vivawest bereits viele Gebäude am Walkmühlenweg in Huckarde abgerissen hat. Hier baut das Immobilienunternehmen neu.
Am Walkmühlen und Brunshollweg werden noch knapp 200 Wohnungen entstehen. Hierzu sind in den vergangenen Jahren mehrere alte Gebäuderiegel abgerissen worden. Nur ein einziger steht noch (hinten), auch er soll in den kommenden Wochen verschwinden. © Natascha Jaschinski

Zur Höhe der Miete für die Neubauwohnungen, „können wir zum aktuellen Zeitpunkt noch nichts sagen“, so Boldt. Die Vermarktung werde ein halbes Jahr vor Fertigstellung starten und damit wohl im Frühjahr 2028. Sicher sei aber eines: Alle ehemaligen Mieter, die die Bauten am Walkmühlenweg zwangsweise verlassen mussten und gerne wieder zurückziehen würden, „werden wir auch als erstes ansprechen“, versichert Boldt.

Vivawest hat sich das Huckarder Viertel für sein „Zukunftsquartier“ ausgesucht, weil es unweit der Kokerei Hansa liegt, ein zentraler Ort der Internationalen Gartenausstellung 2027 (IGA). Deren Leitfrage lautet: „Wie wollen wir morgen leben?“ Auch wenn das Viertel nicht komplett fertig sein wird bis zur IGA, gibt sich die Vivawest „zuversichtlich“, hierzu „erste Antworten“ liefern zu können.

Hierzu wird in den kommenden Jahren nicht nur noch neuer Wohnraum im Quartier geschaffen. Auch eine Kita wird gebaut. Spatenstich am Pothmorgenweg sei in den nächsten Wochen, sagt Boldt. Zum Kita-Jahr 2026/27 sollen die ersten Kinder aufgenommen werden. Näheres zu Betreiber und Konzept werde auf einem Mieterfest im Mai bekannt gegeben.

Besucher eines Mieterfests im Modellquartier "Bergmannsgrün" probieren elektrische Lastenräder aus, mit denen der Verkehr im Quartier reduziert werden soll.
Regelmäßig lädt Vivawest zum Mieterfest im „Bergmannsgrün“. Besucher konnten zuletzt elektrische Lastenräder ausprobieren, mit denen der Verkehr im Quartier reduziert werden soll. © Dirk Bannert (A)

Außerdem ist der Bau eines Parkhauses an der Insterburgerstraße geplant, um das Viertel so autofrei wie möglich zu halten. Handkarren, Fahrradanhänger und Elektro-Lastenfahrräder sollen Mietern Anreiz sein, den Wagen stehenzulassen. „Unterschiedliche Mobilitätsangebote“ seien in Planung, sagt Vivawest-Sprecher Boldt. Details könne man noch nicht nennen. Das gelte auch für die Gastronomie, die noch im „Bergmannsgrün“ eröffnen soll.

Das Millionen-Projekt läuft also weiter, fast wie geplant. Von einem Vorhaben aber habe man sich getrennt: Anders als anfangs angedacht, werde es doch keine „Co-Working-Spaces“ geben. Diese Idee „verfolgen wir derzeit nicht weiter“, so Boldt.