90-Jährige aus Selm von Putzfrau bestohlen „Ich habe am ganzen Leib gezittert“

90-Jährige von Putzfrau bestohlen: „Ich habe am ganzen Leib gezittert“
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Die 90-jährige Marina Müller (Name von der Redaktion geändert) aus Selm hat in ihrem Leben schon viel erlebt. Am Freitag (28. März) kam aber ein Erlebnis hinzu, auf das sie gerne verzichtet hätte. Die Rentnerin wurde in ihren eigenen vier Wänden zuerst nach draußen auf den Balkon gelockt und dann von ihrer neuen Putzkraft, die an dem Tag zum Probearbeiten kam, ausgeraubt. Die Selmerin hat normalerweise eine 51-jährige Helferin, die sich seit über zehn Jahren um sie kümmert. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls hat sie allerdings Probleme, den Boden zu putzen.

Deswegen hatte Müller auf dem Internetportal Kleinanzeigen ein Inserat zur Suche nach einer Putzfrau aufgegeben. Drei Personen hatten sich auf die Anzeige gemeldet. Eine Frau habe „direkt anfangen wollen zu arbeiten. Aber das habe ich eigentlich nicht so gerne, ich wollte sie erstmal kennenlernen. Doch sie hat immer wieder darauf gedrängt. Da dachte ich mir, wenn sie schon mal hier ist, kann sie auch etwas machen“, erzählt Müller im Gespräch mit der Redaktion.

Mulmiges Bauchgefühl warnt vor

Wirklich wohlgefühlt hat sich die Rentnerin dabei allerdings nicht. Während ihre Betreuungshilfe der vermeintlichen Bewerberin den Keller zeigte, hörte die 90-Jährige auf ihr Bauchgefühl und ging schnell ins Schlafzimmer. „Da habe ich meinen Schmuckkasten abgeschlossen und mein Bargeld zwischen den Pullovern versteckt“, erzählt sie. Es gab noch eine zweite Sache, die die Selmerin stutzig machte. Die Putzkraft, laut Müller und ihrer Helferin rund 30 Jahre alt, hatte einen großen, leeren Sportrucksack mit. „Ich habe mich gefragt, wenn man zum Putzen geht, wozu braucht man einen leeren Rucksack?“

Eine ältere Frau blickt raus auf ihren Balkon
Müller schaut auf den Balkon. Hierhin hatte die Betrügerin sie gebracht, um dann das Haus nach Schmuck und Geld zu durchsuchen. © Konietzka

Ablenkungsversuche und der Balkon

Während des Putzens schickte Müller ihre Hilfskraft nach Hause. Bis dahin machte die Betrügerin einen scheinbar guten Job. Als sie dann mit der Rentnerin allein war, fragte sie mehrfach, ob man nicht das Radio anmachen könnte oder ob die 90-Jährige nicht fernsehen möchte. „Ich dachte mir nichts dabei und habe das Radio angemacht. Als ich ihr sagte, dass ich nur abends Fernsehen schaue, meinte sie, dass ich auch nach draußen auf den Balkon könnte“, erzählt sie.

Das Wetter sei ja so schön und sie könne ja die Sonne genießen, soll die Betrügerin laut der Selmerin gesagt haben. Die 90-Jährige habe dann einen Topf mit Mittagessen nach draußen genommen. „Ich habe gehört, wie sie drinnen zugange war. Was mir aber aufgefallen ist: Der Staubsauger lief die ganze Zeit und ich fragte mich, warum?“, so Müller.

Rutschgefahr als Ausrede

Als sie allerdings nachsehen wollte, kam die Putzfrau mit kleinen Teppichen aus der Wohnung heraus, um sie zu lüften und damit sie „nicht nass werden“. „Sie sagte zu mir, ich solle sitzen bleiben. Drinnen sei alles nass, ich könnte ja fallen“, erinnert sich Müller. Als es plötzlich ganz still war, entschloss sich die 90-Jährige nachzusehen. Was ihr als Erstes auffiel: Bis auf die zum Badezimmer waren alle Türen geöffnet und der Boden war nur rund zwei Meter ins Wohnzimmer hinein feucht, der Rest war trocken. „Ich bin ins Schlafzimmer gegangen und habe nachgesehen, ob meine Sachen noch da sind. Das Schmuckkästchen war weg. Dann habe ich zwischen den Pullovern nachgesehen und die 800 Euro waren auch weg“, sagt sie.

Aufgebrochenes TV-Regal aus Holz.
Mehrfach hat die Betrügerin versucht, den Fernsehschrank aufzubrechen – bis sie es geschafft hat. © Konietzka

Polizei kennt Masche nicht

Nachdem sie weder ihre Wertsachen noch die Frau gefunden hatte, entschloss sich Müller, ihre Betreuungshilfe anzurufen. „Sie hat ja alles mit der Frau geklärt und ihr alles erzählt. Ich habe mich da herausgehalten“, begründet sie den Anruf. Doch die 51-Jährige war nicht da, sondern ihre 23-jährige Tochter, die sich sofort auf den Weg zu Müller machte. „Ich war so was von aufgeregt. Ich habe am ganzen Leib gezittert“, erinnert sich Müller.

Als die Polizei eintraf, um die Anzeige aufzunehmen, fiel der 23-Jährigen etwas unter dem Fernsehschrank auf. Dort lag ein Teil des Türschrankes, den die Betrügerin wohl erst nach mehrmaligen Versuchen aufbrechen konnte. Auf Nachfrage der Redaktion bestätigt der Pressesprecher der Kreispolizeibehörde Unna, Bernd Pentrop, dass Anzeige gegen die vermeintliche Putzfrau gestellt wurde. „Die Ermittlungen in diesem Fall laufen. Dieses Vorgehen ist uns bisher nicht bekannt. Das ist nicht das typische Verhalten, wie ältere Menschen bestohlen werden. Ich höre diese Masche zum ersten Mal“, sagt er.

Die gestohlenen Schmuckstücke sind von hohem emotionalem Wert für die 90-Jährige. Denn viele davon waren Geschenke der Verwandtschaft oder von ihrem verstorbenen Ehemann. „Zum Beispiel ein Weißgoldring, der kostete damals rund 1000 Mark“, schätzt Müller. Mittlerweile hat sie die Auflistung der gestohlenen Sachen, darunter eine geschenkte Spardose ihres verstorbenen Mannes mit Kleingeld im Wert von 100 Euro bei der Hausratsversicherung eingereicht. Sie hofft, dass die Versicherung einige der Dinge erstattet.

In einer vorherigen Fassung stand zu lesen, dass die Putzfrau über das Portal „Ebay-Kleinanzeigen“ gesucht worden sei. Das war falsch. Seit 2023 sind die Portale Ebay und Kleinanzeigen.de getrennte Portale. Ebay-Kleinanzeigen wurde am 16. Mai 2023 offiziell in „Kleinanzeigen“ umbenannt. Diese Änderung erfolgte im Zuge des Verkaufs von Ebay-Kleinanzeigen an das norwegische Unternehmen Adevinta im Juni 2021. Wir haben den Fehler korrigiert.